# taz.de -- Peggy Parnass im Interview: "Nett, solange ich nichts sage" | |
> Die Hamburger Publizistin ist kürzlich mit dem Bundesverdienstkreuz | |
> geehrt worden. Ein Gespräch über Nächte mit Charles Bukowski und den | |
> langen Kampf gegen die Gleichgültigkeit der Journalisten | |
Bild: Verdienstkreuz schön und gut: Mehr erfreut hat Peggy Parnass die Retrosp… | |
taz: War es eine große Freude, jetzt das Bundesverdienstkreuz zu bekommen, | |
Peggy Parnass? | |
Nein. Ich fand, es passte nicht zu mir. Eigentlich sollte ich es schon | |
letztes Jahr bekommen und sagte damals, dass ich es nicht wollte. | |
Warum nicht? | |
Weil sich so viele ehemalige SS-Männer auch über ein Bundesverdienstkreuz | |
freuen durften. Aber zwei Freunde, Georg Stefan Troller in Paris und Ralph | |
Giordano in Köln, haben mich überredet, es anzunehmen. Es seien jetzt doch | |
ganz andere Leute, die es verliehen. Ich hatte ihnen gesagt: Stellt euch | |
vor, was die mir zumuten, unglaublich. Und dann sind sie damit | |
rausgekommen, dass sie zögernd, aber doch ihre Verdienstkreuze längst | |
angenommen haben. | |
Gab es Anerkennung auch schon zu Beginn Ihrer Arbeit? | |
Ja. Was ich schrieb, wurde sehr anerkannt und sehr angefeindet. Ich habe | |
über 20 Jahre lang Drohbriefe und Drohanrufe bekommen, sobald ich den Mund | |
aufmachte. Auch in Begegnungen haben sich Leute entsetzt abgewandt, viele, | |
wahrscheinlich die meisten. | |
Zumindest hatten Sie mit der Zeitschrift Konkret eine gute Plattform. | |
Da konnte ich Gott sei Dank schreiben, was ich wollte. Ich habe mir die | |
Prozesse selbst ausgesucht. Aber das am öftesten verkaufte Konkret-Heft war | |
das, auf dessen Cover stand "Peggy Parnass: Meine Nächte mit Bukowski". Und | |
erst wenn die Leute das lasen, haben sie gesehen, dass das damit gar nichts | |
zu tun hatte. Es ging um zwei Tage und Nächte mit Bukowski, seiner Frau und | |
einem guten Freund von ihnen. Ich fand das sehr clever, ich habe mir immer | |
gewünscht, dass wir Linken solche Köder-Schlagzeilen haben könnten wie die | |
Springer-Presse. | |
Störte es Sie, dass Ihre Texte auch mit Nacktbildern in einer Ausgabe | |
auftauchten ? | |
Für mich war es wichtig, dass Konkret gekauft wurde. Es war damals nicht so | |
üblich, Akte auf dem Titel zu haben, aber ich weiß, dass meine Texte auch | |
gelesen wurden, weil viele Reaktionen kamen. | |
Wie sahen das die anderen Frauen in der Redaktion? | |
Es gab ja in den ersten Jahren keine anderen. Im Impressum standen damals | |
49 toll schreibende Männer und eine Frau, das war ich. Ganz langsam kamen | |
welche dazu. Ich fühlte mich aber auch nicht als Frau. | |
Inwiefern nicht? | |
Ich war Journalist. Ich habe ewig nicht begriffen, was das sollte mit | |
Journalistin und den ganzen anderen Anhängseln. Ich habe keinen Unterschied | |
gemacht. | |
Als das Hamburger Metropolis-Kino Sie mit einem Filmabend ehrte... | |
Das habe ich als Anerkennung empfunden. Dass meine Arbeit gezeigt wird. | |
... sagten Sie, dass Sie manchmal im Gericht das Gefühl haben, dass die | |
Journalisten ihre Arbeit gleichgültig erledigen. | |
Aber das ist genau wie damals. Da hat sich nicht viel geändert. Ich wollte | |
eigentlich Karriere als Schauspielerin machen, aber die politischen | |
Aktivitäten waren wichtiger. Bevor ich selber schrieb, habe ich mich | |
ständig mit Gerichtsreportern in Verbindung gesetzt, damit sie anders, | |
weniger gleichgültig über Nazi-Prozesse schrieben. Ich bin damals auf dem | |
Weg in einen NS-Massenmörder-Prozess Anwältinnen begegnet. Die sagten: "Oh, | |
Peggy, da willst du rein? Du Arme, wie langweilig". Solange ich nichts | |
sage, findet man mich ganz nett, aber das hört auf, sobald ich den Mund | |
aufmache. | |
Und was sage? | |
Ich denke da an den Prozess gegen die Palästinenserin, die zusammen mit | |
drei Palästinensern ein Flugzeug entführt hatte, um die RAF freizupressen. | |
Ich weiß das Jahr nicht mehr. | |
Das ist ja nicht so wichtig. | |
Ich habe null Zeitgefühl. Freunde von mir lachten und lachten und ich | |
verstand nicht, warum sie so blöde gackerten. Da war eine Frau an uns | |
vorüber gegangen und sie fragten sich: Wie alt mag sie sein? Ich sagte: | |
Wohl in unserem Alter. Ha, ha, ha, machten die anderen. Mir war nicht klar, | |
dass ich ja zwanzig Jahre älter war als die drei anderen. Aber so geht es | |
mir auch, wenn Leute fünfzig Jahre älter sind als ich. Wo waren wir? | |
Bei dem Prozess gegen die Palästinenserin. | |
Sie war die einzige Überlebende der Entführer. Sie war knappe 19, hatte | |
nichts als Scheiße erlebt in ihrem Leben in Palästina, sie hatte aber | |
niemanden bei der Flugzeugentführung umgebracht. Beim Erstürmen des | |
Flugzeugs hatte man sie zum Krüppel geschossen. Sie lebte danach mit ihrem | |
Mann in Norwegen, bekam in ihrem Zustand sogar ein Kind und machte dort | |
Friedensarbeit. Im Prozess konnte sie nicht sitzen, nicht stehen, mal stand | |
sie auf, mal lehnte sie sich an die Wand, brach da fast zusammen. | |
Und womit machten Sie sich unbeliebt? | |
Ich war die einzige, die auf sie zuging und mit ihr sprach als einen Moment | |
Pause war. Und wurde sofort mit Rausschmiss bedroht. Draußen redete ich mit | |
anderen Journalisten, die alle fanden, dass das eine Massenmörderin sei. | |
Und tatsächliche Massenmörder, wie Dr.jur. Ludwig Hahn, der höchste | |
Gestapo-Mann in Polen, verantwortlich für 280.000 Morde, mussten nicht in | |
den Knast, wenn sie kränkelten. | |
Gibt es heute Prozesse, die Sie so umtreiben wie die gegen die | |
Nazi-Verbrecher ? | |
Gelegentlich rege ich mich sehr auf: Die Geschwister, die sich erst als | |
Halbwüchsige kennen lernten und so sehr lieben. Sie haben vier Kinder | |
bekommen, die ihnen aus der Hand gerissen wurden, weil sie ja behindert | |
sein könnten. Millionen andere haben auch behinderte Kinder, die sie | |
behalten dürfen. Den Mann haben sie zwei Jahre ins Gefängnis gesteckt. Er | |
ließ sich vor lauter Angst sterilisieren. All das wird sicher nicht dazu | |
führen, dass jetzt alle Geschwister zusammen im Bett landen. Aber die | |
Schlagzeilen darüber waren widerlich. Oder die Mutter, die alkoholkrank war | |
und neun ihrer 14 Kinder direkt nach der Geburt tötete. So etwas | |
Entmenschtes hatte man in diesem Land angeblich noch nie gesehen. | |
Und wo mischen Sie sich ein? | |
Als gefeiert wurde, dass Frauen in die Bundeswehr können. Ich war in einer | |
Fernsehdiskussion, "Frauen an die Waffen". Da saßen lauter junge Dinger | |
stolz in Uniform. Aber all die Fernsehsender und Zeitungen, die ich danach | |
anrief, um das Thema vorzuschlagen, winkten ab. Es sei ja schon gelaufen. | |
Wo mir etwas wirklich wichtig ist, stehe ich allein. | |
Ihre teils biographischen Texte wirken sehr schutzlos. Bereuen Sie das im | |
Rückblick? | |
Jetzt tut es mir nicht mehr weh, dass ich so schutzlos war. Als das Buch | |
"Unter die Haut" herauskam, bekam ich einen wahnsinnigen Schreck. Es | |
sprachen mich immer wieder Leute mit geilen Augen an, die das Gefühl | |
hatten, alles, alles über mich zu wissen. Und wenn ich sie dann fragte: | |
"Und wer bist Du?", dann sagten sie: "Oh, niemand. Das tut doch nichts zur | |
Sache." | |
5 Sep 2008 | |
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Konkret | |
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