# taz.de -- Umweltfreundliche Klimaanlagen: Autoindustrie verschleppt Umstellung | |
> Als Kältemittel in Auto-Klimaanlagen hätte Kohlendioxid einen tausendfach | |
> geringeren Treibhauseffekt als das derzeit genutzt Tetraflourethan. Die | |
> Autoindustrie aber ziert sich. | |
Bild: Es muss nicht immer eine Klimaanlage sein. | |
BERLIN taz Es wäre die große Chance für Volkswagen, Daimler und Co, sich | |
auch einmal als Vorreiter beim Klimaschutz zu profilieren. Und vor einem | |
Jahr sah es auch so aus, als würden sie diese nutzen. "Durchbruch in der | |
Klimatechnik", reklamierte der Verband der Deutschen Automobilindustrie | |
(VDA) damals für sich. Die Mitgliederunternehmen hätten sich geeinigt, in | |
Fahrzeugklimaanlagen "als weltweit erste Unternehmen das besonders | |
umweltfreundliche Kältemittel Kohlendioxid" künftig zu nutzen. | |
Bis heute ist allerdings nicht ein einziger Serienauftrag an die | |
Zulieferindustrie ergangen. Statt dessen sagt VDA-Sprecher Eckehard Rotter: | |
"Es ist selbstverständlich, dass wir alle realistischen und vernünftigen | |
Optionen weiterverfolgen." | |
Die internationale Automobilindustrie steht vor einer | |
Richtungsentscheidung. Ab 2011 ist das derzeit in Klimaanlagen genutzte | |
Kältemittel Tetrafluorethan mit dem Handelsnamen R134a in der Europäischen | |
Union für neu zugelassene Fahrzeugtypen verboten - ab 2017 auch für alle | |
Neuwagen. | |
Der Grund: Eine Kühlung ist nie ganz dicht. Und das R134a ist ein Gas mit | |
sehr hohem Treibhauspotenzial: Es heizt das Klima 1.430mal stärker auf als | |
Kohlendioxid. | |
Das Wuppertal Institut für Klima, Energie und Umwelt hat ausgerechnet, dass | |
der Einfluss leckender Klimaanlagen in etwa so groß ist, als verbrauche das | |
Fahrzeug auf 100 Kilometern 0,4 Liter Sprit mehr. Der kurzfristige Effekt | |
in den ersten Jahren und Jahrzehnten soll noch um ein Vielfaches höher | |
sein. | |
Künftig will die EU nur noch ein Treibhauspotenzial von höchstens 150 | |
zulassen. Die Autohersteller müssen sich also auf einen Nachfolger für | |
R134a einigen. | |
Die umwelt- und klimafreundlichste Nachfolgelösung für R134a wäre ein | |
natürliches Kältemittel: Kohlendioxid (CO2), das ein Treibhauspotenzial von | |
1 hat. Als Abfallprodukt aus industriellen Prozessen oder direkt aus der | |
Luft gewonnen, ist es weltweit verfügbar und billig. Außerdem sollen | |
CO2-basierte Klimaanlagen im Schnitt sogar energieeffizienter arbeiten, | |
also weniger Sprit verbrauchen als die heute üblichen. | |
Deutsche und österreichische Zulieferunternehmen wie Behr und Obrist | |
Engineering haben längst Systeme entwickelt, die auch mit den besonderen | |
Anforderungen des natürlichen Kältemittels klar kämen. Weil CO2 erst unter | |
höherem Druck flüssig wird als R134a, kann es nicht einfach in die | |
vorhandene Technik eingefüllt werden. | |
Die Spezialisten der Umweltverbände sind längst vom Kohlendioxid überzeugt. | |
"CO2 ist absolut sicher", sagt Greenpeace-Klimaexperte Wolfgang Lohbeck. | |
"Es ist für den Menschen ungiftig und brennt nicht." Doch die neuen | |
Klimaanlagen dürften einen Neuwagen nach Angaben des Umweltbundesamtes um | |
40 bis 100 Euro verteuern. | |
Das ist auch manchem deutschen Hersteller zu viel. Die internationale | |
Konkurrenz würde ohnehin eine so genannte Drop-in-Lösung bevorzugen. Also | |
ein Kältemittel, das einfach statt R134a in die bestehenden Anlagen | |
eingefüllt werden kann. | |
Auch das gibt es inzwischen. Jedenfalls beinahe. Entwickelt haben es die | |
Chemiekonzerne Honeywell und DuPont gemeinsam. 1234yf ist eine Chemikalie, | |
die nur kleinere Änderungen an den Anlagen erfordert und ein | |
Treibhauspotenzial von 4 haben soll. Eine belastbare Überprüfung hierzu | |
gibt es allerdings noch nicht. Auch die bisherigen Toxizitätsprüfungen | |
werfen eher Fragen auf. | |
So veröffentlichten DuPont und Honeywell im Juli die Ergebnisse eines | |
Tests, nach dem es Hinweise auf eine erbgutschädigende Wirkung gibt, andere | |
Versuche zeigten jedoch keine auffälligen Resultate. Allerdings ist die | |
Verbindung relativ instabil, und für die Zerfallsprodukte stehen die | |
Prüfungen noch aus. Fest steht aber, dass 1234yf brennbar ist - und bei der | |
Verbrennung unter anderem Flusssäure entstehen kann - eine extrem | |
aggressive Chemikalie. | |
Aus den Autounternehmen verlautet, dass sie bei der Bundesanstalt für | |
Materialprüfung deshalb bereits Brennbarkeitstests in Auftrag gegeben | |
haben. Ein womöglich noch größeres Problem von 1234yf sehen Umweltschützer | |
aber darin, dass die Chemikalie sehr teuer werden wird. Schließlich wollen | |
Honeywell und Dupont die Entwicklungskosten erwirtschaften. | |
Lohbeck oder auch Jürgen Resch von der Deutschen Umwelthilfe (DUH) sehen | |
die Gefahr, dass klimapolitischen Ziele vernachlässigt werden. Grund: Für | |
das in Europa bald verbotene R134a läuft demnächst der Patentschutz ab. | |
"Asiatische Unternehmen werden nicht zögern, dieses dann billig | |
herzustellen", so Resch. | |
Und setzten die Autohersteller bei den Klimaanlagen weiterhin auf alte | |
Technik setzten, würden viele Autobesitzer zum Nachfüllen sicher das | |
billige und klimaschädliche R134a bestellen - und sei es übers Internet. | |
Resch: "Kontrollieren lässt sich das nicht." | |
16 Sep 2008 | |
## AUTOREN | |
Beate Willms | |
## TAGS | |
Automobilindustrie | |
Kältemittel | |
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