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# taz.de -- Leckerer Fisch-Paprikasch: Ein Radweg fürs Image
> Gezielt setzen Entwicklungsexperten in Serbien auf den Radtourismus an
> der Donau, um die Region bekannter zu machen. Eine Fahrt von der
> Vojvodina zum Eisernen Tor.
Bild: Bad in der Donau
An einem strahlenden Nachmittag spazieren wir durch das Städtchen Sombor.
Über den Marktplatz mit dem ehemaligen Franziskanerkloster, vorbei an
bröckelnden Barock- und Jugendstilfassaden, durch die Parks. Ein Fiaker
biegt um die Ecke. Als der wohlbeleibte Fahrgast in der offenen Kutsche
unsere Gruppe bemerkt, ruft er uns auf Englisch zu: „Was machen Sie an
diesem fürchterlichen Ort? Dies ist ein fürchterliches Land.“ Ein Zyniker
von gestern? Gerade mal 15 Kilometer sind es bis nach Ungarn, bis zur
EU-Außengrenze. Aber durch den Jugoslawienkrieg und das Bombardement der
Nato im Jahr 1999 war Serbien von der europäischen Landkarte verschwunden.
Jetzt versucht das Land wieder Anschluss zu finden. Politisch und
touristisch. Für Letzteres steht der agile Bürgermeister von Sombor. Er
will seine Stadt zum serbischen Eingangstor für Radtouristen machen, die
von Ungarn kommend den Donauradweg weiterfahren wollen. Denn immerhin
durchquert die Donau während ihrer 2.888 Kilometer langen Reise vom
Schwarzwald bis zum Schwarzen Meer auch 588 Kilometer serbisches
Territorium.
Der Aufbruch in Sombor hat schon begonnen: Handwerker bessern die alten
Pflaster der Fußgängerzone aus, ein Verein restauriert die alten Fiaker,
die Gemeinde stellt Kutscher an. Das bisher einzige Hotel wurde vor vier
Jahren privatisiert. „Doch der Eigentümer, ein Wissenschaftler, weiß
überhaupt nicht, wie man ein Hotel führt“ klagt der Bürgermeister. „Wir
brauchen Ausländer, die uns helfen.“ Die Deutsche Gesellschaft für
Technische Zusammenarbeit (GTZ) unterstützt seit Jahren die Touristiker
dabei, den Donauradweg auf dem serbischen Abschnitt attraktiver zu
gestalten.
Schön eben radeln wir von Sombor durch das Naturschutzgebiet Obere Donau
mit Feuchtgebieten, weiten Feldern, Auwäldern und Altarmen der Donau. Wir
durchqueren Straßendörfer und passieren Bauerngehöfte mit Hebebrunnen.
Hölzerne Ruderboote liegen an schilfgesäumten Ufern, eine Gruppe
Jugendlicher sonnt sich auf dem Steg. Mit einem Netz von Kanälen wurde
dieses platte Land, die Vojvodina, trockengelegt, heute ist sie die
Kornkammer Serbiens. Bis zum ersten Weltkrieg gehörte die Vojvodina zur
k.u.k. Monarchie, heute ist sie eine autonome Provinz.
Vor dem Zweiten Weltkrieg lebte eine halbe Million Deutsche in dieser
Gegend, heute leben noch 250 bis 300 Deutsche hier. Viele Donauschwaben
wurden nach dem Krieg zwangsausgesiedelt oder kamen in Lagern um. Im Jahr
2001 gründete sich ein Deutscher Verein, der das deutsche Kulturerbe
bewahren will. Frischere Wunden stammen jedoch aus dem Krieg zwischen
Serben und Kroaten in den frühen Neunzigerjahren. Erst seit zwei Jahren
verbindet wieder eine durch holländische Mittel finanzierte Donaufähre das
kroatische Vukovar mit dem serbischen Bac. Jenseits des Stroms mahnt ein
zerbombter Wasserturm, diesseits begrüßt eine informative touristische
Tafel „Welcome to Serbia“ die Radtouristen, die vom kroatischen Ufer
übergesetzt haben und ihren Weg auf serbischer Seite fortsetzen.
Entspannt radeln wir auf einem asphaltierten Damm zwischen Getreide- und
Gemüsefeldern und Auwäldern. Zur Mittagszeit kehren wir in die Charda kod
Branko ein. „Die Hütte bei Branko“ steht auf Holzpfählen, weil im Frühja…
die Uferzone mit den kanadischen Pappeln oft überschwemmt wird. Von der
luftigen Holzveranda beobachten wir das Treiben am Fluss. Jungs toben im
Wasser, Familien picknicken am Sandstrand, ein Frachter schiebt sich
langsam vorwärts, dicht dahinter folgt das schneeweiße Passagierschiff
„Europe.“ Unter der Hütte köchelt eine rotbraune Fischsuppe in großen
Kesseln. Endlich tischen uns Brankos Damen den verführerischen
Fisch-Paprikasch auf, eine Suppe mit Stücken von Wels, Stör und Zander,
dazu gibt es Weißbrot und Weißkrautsalat. Im Sommer veranstalten viele
Donaugemeinden den Wettbewerb „Wer macht den besten Fisch-Paprikasch?“ Mit
Diplom für den Sieger der Leib- und Magenspeise.
Mit einem länderübergreifenden Projekt zur Wirtschafts- und
Beschäftigungsförderung in Kroatien, Serbien, Rumänien und Bulgarien
unterstützt die GTZ die Regionalentwicklung entlang der Donau. Neben
Umweltschutz und Weinanbau fördert sie in Serbien vor allem den Tourismus.
Dabei soll der Radtourismus als Lokomotive dienen. Die schlichte wie
einleuchtende Idee: Wenn 250.000 Radler jährlich auf dem
deutsch-österreichischen Abschnitt zwischen Donaueschingen und Wien fahren
und die Donauroute die beliebteste in Europa ist, dann müsste man dieses
Potenzial doch auch für Südosteuropa nutzen können. Gezielt setzen die
Entwicklungsexperten deshalb auf das touristische Produkt Donauradweg, um
dadurch die Region bekannter zu machen und das Negativimage von Serbien zu
verbessern. „Wir hatten zunächst das Problem, die serbische Regierung von
unserer Idee zu überzeugen“, erklärt Wolfgang Limbert, der
GTZ-Projektkoordinator. Denn die wollte klotzen und in Superhotels und
Skipisten investieren. Jetzt gelte es, die Behörden dafür zu gewinnen, dass
Touristen ihre Räder im Zug mitnehmen dürften, sagt Limbert.
Inzwischen wurde der Radweg, der Teil der transeuropäischen Radroute
„Euro-Velo 6“ vom Atlantik bis zum Schwarzen Meer ist, bereits bis kurz vor
Belgrad „nach europäischem Standard“ ausgeschildert. Bei 360 Wegweisern an
150 Kreuzungen kann man sich nicht mehr verfahren. Obendrein sind die
tiefblauen Schilder mit flotten Sinnsprüchen garniert. Wie zum Beispiel an
der Kreuzung 480: „An apple a day keeps the doctor away. Even better: An
onion a day keeps everyone away.“ Parallel wurde zusammen mit einer
Kartografiefirma eine achtteilige, GPS-basierte Fahrradkarte entwickelt,
eine touristische Broschüre erarbeitet und eine Internetseite aufgebaut.
Jeden Monat sehe man Fortschritte in der touristischen Infrastruktur,
versichern Nebojsa und Zagorka, die einheimischen GTZ-Mitarbeiter, die uns
begleiten. In der mittelalterlichen Festungsruine Bac wurde inzwischen der
Donjon-Turm wiederaufgebaut. Mitten in Belgrad befördert uns ein gläserner
Fahrradlift, 100.000 Euro teuer, mit Liftführer von der Donaubrücke
hinunter zur Uferpromenade. In den letzten vier Jahren habe sich die Zahl
der Übernachtungsmöglichkeiten entlang der Donau verdoppelt, sagt Nebojsa.
„Überall sprießen kleine Pensionen, Privatzimmer und Campingplätze aus dem
Boden.“ Für touristische Existenzgründer führt die GTZ Schulungen in
einigen Donau-Anrainergemeinden durch. Allein im Städtchen Donji Milanovac,
wo es eine neue Touristinfo mit Internetcafé und Radabstellplätzen gibt,
sind daraufhin zehn kleine Pensionen und ein Restaurant entstanden.
Von Belgrad geht es weiter stromabwärts durch die Donauebene. Das Flussbett
weitet sich, bewaldete Inseln liegen im Wasser, die Überschwemmungsgebiete
dienen Vögeln als Oasen. Eine Fähre, deren treibender Motor am Beiboot
befestigt ist, bringt uns über den kilometerbreiten Strom zum rechten Ufer.
Ivan, der Fährmann spricht „a bisserl Deutsch“, weil er ein paar Jahre in
Wien auf Baustellen arbeite. Hier ist die Donau schon wieder
EU-Außengrenze, denn auf der anderen Flussseite liegt jetzt Rumänien.
Schnurgerade rollen wir auf einer fast autolosen Dammstraße zwischen Fluss
und Silbersee, der durch die Abtrennung eines Donauarms entstand. Bisher
gibt es nur einen einfachen Campingplatz, demnächst entsteht hier Silver
Lake City, eine touristische Anlage mit 150-Zimmer-Hotel, Kongresszentrum,
Marina und Golfplatz. Hinter der mittelalterlichen Festung Golubac mit
Zinnentürmen und massiven Verbindungsmauern beginnt das Eiserne Tor. Ein
imposanter Taldurchbruch, die größte Flussschlucht Europas. Aus dem vorher
dicken Bauch der Donau wird hier ein 150 Meter schmaler Flaschenhals, die
engsten Stellen heißen Kleiner und Großer Kessel. Hundert Kilometer zwängt
sich der Fluss durch die Kalkberge, flankiert von steilen Felswänden und
bewaldeten Hügeln, zwischen dem rumänischem Banater Gebirge und dem
serbischen Erzgebirge. Wir radeln auf der neuen ruhigen Straße, queren
mehrere kurze Tunnel, bewältigen kleinere Anstiege. „Landscape-Doping“,
ruft der strammwadige Jovan, unser serbischer Radbegleiter. Auf beiden
Seiten der Donau wurden Schutzgebiete eingerichtet - in Serbien der
Nationalpark Der- dap, auf der rumänischen Seite der Naturpark Eisernes
Tor. Wie ein Wildwasser mit tückischen Strudeln und Untiefen tobte hier
früher die Donau. Ein hohes Sicherheitsrisiko für Schiffe, nur bei
Hochwasser und mit Lotsenbooten passierbar. Im Jahr 1972 wurde ein Staudamm
gebaut, der den Wasserspiegel um 25 bis 30 Meter anhob, aber drei Dörfer
unter sich begrub.
In Serpentinen ächzen wir schließlich steil bergauf zur „Open Air Gallery“
hoch über der Donau. Zika Stefanovic, ein Holzschnitzer, führt uns barfuß
durch seinen verschlungenen Kunstgarten mit 400 Skulpturen aus 250 Jahre
altem Eichenholz. Masken und Totems, Bambis und Katzen, Zwergen und
Tintenfischen. Es wird dunkel. In Zikas Laube bechern wir süffigen Rotwein.
Tief unten liegt die dunkle Schlucht. „Das ist der schönste Ort an der
serbischen Donau“, sagt jemand plötzlich in die Stille.
20 Sep 2008
## AUTOREN
Günter Ermlich
## TAGS
Reiseland Serbien
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