# taz.de -- Türkisch-kurdische Nachbarn gegen kurdische Moschee: Moscheestreit… | |
> Am Kottbusser Tor fühlen sich Nachbarn durch einen islamischen Gebetsraum | |
> belästigt. Auf der einen Seite steht eine PKK-nahe Moschee, auf der | |
> anderen ehemalige Hausbesetzer und der Grünen-Politiker Cem Özdemir. | |
Bild: Rund um das Kottbusser Tor gibt es längst nicht nur Moscheefreunde unter… | |
Auch Kreuzberg hat jetzt seinen Moscheestreit. Einen, wie könnte es anders | |
sein, der besonderen Art: Auf der einen Seite steht die | |
Selahaddin-Eyyubi-Moschee am Kottbusser Tor, die einzige kurdischsprachige | |
der Stadt. Auf der anderen Seite die Bewohner des Hauses, unter ihnen Cem | |
Özdemir, Europaabgeordneter und künftiger Bundesvorsitzender der Grünen. | |
Die Moschee ist im ersten Stock eines Wohnhauses untergebracht und baulich | |
wie personell mit einem Café im Erdgeschoss verbunden. Früher wurden die | |
Räume von linken türkischen und kurdischen Gruppen genutzt, vor 13 Jahren | |
zog die Moschee ein. Sie gilt als PKK-nah. Im Oktober vorigen Jahres kam es | |
hier zu Ausschreitungen, als ein türkisch-nationalistischer Mob das Café | |
angriff. | |
Die Haus war war 1979 zunächst von Frauen, darunter vielen Einwanderinnen, | |
besetzt worden. Später bekam man Mietverträge, vor vier Jahren wurden die | |
Wohnungen an die Bewohner verkauft. Einige der einstigen Besetzer wohnen | |
noch hier. Auch die später Hinzugekommenen gehören zur Kreuzberger Mischung | |
aus türkisch/kurdischem und links-alternativem Milieu. Cem Özedemir, der | |
Prominenteste unter ihnen, zog im letzten Jahr mit seiner Frau und seiner | |
kleinen Tochter ein. | |
"Eine Moschee in einem Wohhaus ist unzumutbar", sagt Özdemir. Die Wohnung | |
sei nicht dafür geschaffen, dass dort regelmäßig hundert Leute verkehrten. | |
Die Gebetsrufe seien im ganzen Haus zu hören, durch Freitagsgebete, | |
Beerdigungszeremonien oder Korankurse sei das Haus ständig belagert, sagen | |
andere Hausbewohner. Hinzu komme ein Sicherheitsproblem, meint Özdemir, | |
nicht nur durch die PKK: "Jederzeit könnte ein türkischer Nationalist einen | |
Brandsatz legen." | |
"Der Konflikt geht schon lange", ergänzt sein Nachbar Hasan Togrulca, | |
selbst ein Kurde. Er führt ein weiteres Ärgernis an: Seine 18-jährige | |
Tochter und andere Frauen seien von Besuchern der Moschee sexuell belästigt | |
worden. Der Vereinsvorstand räume ein, nicht alle Besucher unter Kontrolle | |
zu haben. "Die Leute von der Moschee haben uns immer wieder versichert, | |
dass sie ausziehen", berichtet er weiter. "Wir haben versucht, ihnen zu | |
helfen, haben Makler kontaktiert, Ersatzobjekte gezeigt. Aber passiert ist | |
nie etwas." Darum habe man schließlich gekündigt und Klage eingereicht. Die | |
erste endete Mitte September vor dem Landgericht mit einem Vergleich. | |
Demnach muss das Café bis Mitte März ausziehen. Der Prozess gegen die | |
Moschee ist noch anhängig. Kurz vor dem Beschluss, erzählt Özdemir, habe | |
ihm eine Frau zu verstehen gegeben, dass sie nun seine Ansprechpartner sei. | |
"Für unsere Probleme mit der Moschee hat sie Verständnis geäußert. Aber sie | |
hat auch gesagt: ,Egal, was ihr macht, das Café werden wir niemals | |
verlassen.'" | |
Am Samstag verbreitete die Firat News Agency einen Bericht über den Streit. | |
Titel: "Grün getarnte Kurdenfeindschaft". Dem von der Zeitung Yeni Özgür | |
Politika nachgedruckten Text folgten Einträge in PKK-nahen Internetforen: | |
"Wer an eine Moschee pinkelt, wird bestraft", heißt es in einem Eintrag. | |
Özdemir, "von dem man nicht weiß, ob er Türke oder Jude ist", sei eine | |
"Marionette des türkischen Staates", in einem anderen. "Wir haben Angst", | |
sagt Togrulca. "Nicht vor den Moschee-Leuten, aber vor Radikalen." Gefahr | |
bestehe, so Özdemir, auch darin, "dass sich einzelne kurdische Jugendlich | |
dazu berufen fühlen könnten, die vermeintlichen Kurdenfeinde zu bestrafen". | |
"Aber", fährt er fort, "spätestens der Mord an Hatun Sürücü sollte jedem | |
deutlich gemacht haben, dass jedes Appeasement vor patriarchalen, | |
nationalistischen oder islamistischen Orgsanisationen unangebracht ist." | |
Das widerspreche nicht seinem Engagement für Moscheebauten. "Ich bin sehr | |
wohl für Moscheen", sagt er. "Aber sie sollen raus aus den Hinterhöfen und | |
Wohnungen und ans Licht der Öffentlichkeit. Und ich habe ein Problem mit | |
Moscheen, die von Extremisten gleich welcher Couleur beeinflusst werden." | |
Von Drohungen weiß Ismail Parmaksiz vom "Bündnis der Kurden und kurdischen | |
Vereine" nichts. Das sei eine Kampagne von Özdemir, das Gotteshaus habe | |
nichts mit der PKK zu tun, sagte er gestern bei einem Pressegespräch im | |
Café. An dessen Wand: ein Bild von Öcalan. | |
25 Sep 2008 | |
## AUTOREN | |
Deniz Yücel | |
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