| # taz.de -- Ökonom über unveränderten Leitzins: "Die Sturheit der EZB ist fa… | |
| > Die Europäische Zentralbank (EZB) senkt den Leitzins nicht. Dabei wäre | |
| > dies das "wichtigste Signal in der Finanzmarktkrise", meint der Bremer | |
| > Ökonom Rudolf Hickel. | |
| Bild: "Die Notenbank muss billig Geld den Banken zur Verfügung stellen", sagt … | |
| taz: Die Europäische Zentralbank, EZB, hat am Donnerstag entschieden, den | |
| Leitzins im Euro-Raum nicht zu ändern. Sie belässt ihn schon seit Juli | |
| unverändert bei 4,25 Prozent. Das ist der höchste Stand seit sieben Jahren. | |
| Die US-Notenbank Fed verfolgt derweil die andere Strategie, der US-Leitzins | |
| liegt nur bei 2 Prozent. Wer macht's richtig? | |
| Rudolf Hickel: Das wichtigste Signal in dieser Finanzmarktkrise wäre - auch | |
| für die deutsche Wirtschaft - den Leitzins deutlich zu senken, zumindest | |
| auf 3 Prozent. Die EZB dagegen bleibt bei ihrer geldpolitischen Sturheit. | |
| Das ist falsch. Und Sie macht damit auch ihre eigenen Erfolge kaputt. | |
| Welche Erfolge meinen Sie? | |
| Die EZB balanciert den Geldmarkt derzeit Tag und Nacht aus, in dem sie den | |
| Banken immer wieder Milliarden Euro zur Verfügung stellt. Das macht sie, | |
| weil die Banken sich untereinander nicht mehr trauen und sich darum - | |
| anders als sonst üblich - derzeit gegenseitig kein Geld mehr kurzfristig | |
| leihen. Dies ist gefährlich, weil die Finanzierung von Krediten | |
| zusammenbrechen kann. Und Unternehmen, die investieren wollen, erhalten, | |
| wenn überhaupt, nur noch teurere Kredite. Hier handelt die EZB zusammen mit | |
| der US-Notenbank richtig. | |
| Woher kommt die widersprüchliche EZB-Politik? | |
| Völlig falsch ist das sture Festhalten am Leitzins von 4,25 %. Wieder | |
| einmal überschätzt die Notenbank, ja dämonisiert die Inflationsgefahr in | |
| Folge einer Leitzinssenkung. Wir haben jedoch derzeit kein | |
| Inflationsproblem wegen überschüssigem Geld in der Wirtschaft. Die | |
| Notenbank muss den Banken einfach und billig Geld zur Verfügung stellen, | |
| also auch den Leitzins senken. | |
| Aber was würde eine Zinssenkung derzeit nützen, wo sich die Banken ohnehin | |
| nicht mehr trauen, noch Geld zu verleihen? | |
| Entscheidend ist: Es wäre auch weltweit ein klares Zeichen, dass sich die | |
| EZB bereit erklärt, ihren Banken billiger Liquidität anzubieten. Denn die | |
| Fed hat eine Initiative für einen Zinssenkung aller großen Notenbanken in | |
| der Welt gestartet. Und da schert derzeit nur die EZB aus. Diese | |
| Sonderrolle kann sie sich nicht mehr leisten. Sie erzeugt mit dieser | |
| Hochzinspolitik Krisenkosten. | |
| Welche Krisenkosten? | |
| Die Höhe kann ich nicht schätzen. Durch den Verzicht auf ein klares Signal | |
| wird die Finanzmarktkrise aber zum Alptraum. Der Zugang der Geschäftsbanken | |
| zu Geld bleibt teuer. Vor allem haben die Marktteilnehmer die Senkung der | |
| Zinsen erwartet und längst eingepreist. Jetzt bekommen sie diese nicht, so | |
| werden unmittelbare Notmaßnahmen zur Überwindung der Finanzkrise blockiert. | |
| Keiner kann sich das leisten. | |
| Wo sind die Grenzen der Geldpolitik bei der Steuerung der Finanzkrise? | |
| Sie kann das Schlimmste verhindern, die Krise aber nicht überwinden. Das | |
| hat schon die Weltwirtschaftskrise gezeigt. Die Spielregeln auf den | |
| Finanzmärkten müssen grundlegend verschärft werden. Sonst steht die nächste | |
| Krise bereits wieder vor der Tür. | |
| Welche Regeln fordern Sie? | |
| Ein Instrument, damit es zum Missmanagement nicht mehr kommt, ist zum Glück | |
| wenigstens zeitlich befristet schon eingesetzt: Das Verbot von "ungedeckten | |
| Leerverkäufen". So wird verhindert, dass Spekulanten auf fallende | |
| Aktienkurse wetten. Eine weitere Maßnahme wäre: Wenn Banken risikoreiche | |
| Investmentpapiere entwickeln und sie dann in Paketen veräußern wollen, | |
| sollten sie mindestens 20 Prozent davon selbst behalten müssen. Dann würden | |
| sie ganz sicher vorsichtiger. | |
| Und noch was anderes? | |
| Außerdem muss das Risikomanagement der Banken verbessert werden und | |
| Ratingagenturen müssen stärker kontrolliert werden. Anleger müssen über die | |
| Risiken abenteuerlicher Finanzinstrumente aufgeklärt werden. Vor allem | |
| müssen die nationalen Aufsichtsbehörden weltweit vernetzt werden. | |
| INTERVIEW VON HANNA GERSMANN UND BEATE WILLMS | |
| 2 Oct 2008 | |
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