# taz.de -- Maler Eduard Bargheer: Ein Gewebe für die Welt | |
> Der Maler Eduard Bargheer ist zu Unrecht fast vergessen. Zurzeit ist sein | |
> Werk in zwei Ausstellungen zu sehen, die seine Zeit in Hamburg und im | |
> selbst gewählten italienischen Exil widerspiegeln. | |
Bild: Überstand sogar den Umbau des Niedersachsenstadions: Eduard Bargheers Mo… | |
Das frühere Fischerdorf Blankenese gehört zu den malerischsten Winkeln | |
Hamburgs: Durcheinander gewürfelt, aufeinander getürmt klammern sich | |
kleine, windschiefe Häuser an den Elbhang, verbunden durch enge, gewundene | |
Straßen und zahllose in den Hang geschlagene Stufen, treppauf, treppab. | |
Mittendrin in diesem Viertel, das einer Kinderfantasie entsprungen sein | |
könnte, wohnte und arbeitete einer der größten Maler der Stadt, Eduard | |
Bargheer. Die Kate, die er 1935 von einem Fischer übernahm, steht noch | |
heute und lässt sich bei vorheriger Ankündigung besichtigen: Sie beherbergt | |
den Nachlass, den zwei enge Freunde des 1979 verstorbenen Malers betreuen. | |
Seither kuratieren Dirk Justus und Peter Silze unermüdlich | |
Bargheer-Ausstellungen, geben die Bargheer-Beiträge heraus und unterstützen | |
mit der Bargheer-Stiftung junge Maler. Zurzeit haben die beiden besonders | |
viel zu tun. In der Hamburger Kunsthalle hat gerade die Ausstellung "Eduard | |
Bargheer in Hamburg" eröffnet, zeitgleich ist eine Biographie des Malers | |
erschienen, verfasst vom Kunsthistoriker Volker Plagemann. Im Haus des | |
Malers selbst zeigen Justus und Silze, als Kontrapunkt zur Kunsthalle, | |
"Bargheer in Italien". Und dann ist da noch ihr lang verfolgtes Projekt | |
eines Bargheer-Museums in Hamburg: Finanziert von der Reemtsma-Stiftung | |
könnte es schon bald im leer stehenden Altonaer Bauamt am Jenischpark Form | |
annehmen. Wozu allerdings noch der Konkurrent Meinhard von Gerkan aus dem | |
Feld geschlagen werden muss, der dort gerne einen wuchtigen Neubau für | |
seine Architekturkaderschmiede CAA sähe. | |
Für Hamburg wäre das Museum ein Glücksfall. Nicht nur des ästhetischen | |
Werts der Bilder wegen. Sondern auch, weil Bargheer ein Künstlerschicksal | |
durchlebt hat, das vielfach Anknüpfungspunkte bietet, um über das 20. | |
Jahrhundert zu reflektieren. Die Sezessionsbewegungen der Kunst, deren | |
Bedrängnis im Dritten Reich, Exil, Kriegszerstörung, aber auch die | |
Sehnsucht nach dem Süden: Bargheer hat dafür Worte, Farben und Formen | |
gefunden, die noch heute überzeugen. | |
Zuletzt wäre das Museum ein Stück nachträgliche Wiedergutmachung: In | |
Hamburg hat man Bargheer geschätzt - geliebt, unterstützt und ihm zum | |
internationalen Durchbruch verholfen, hat man ihn aber anderswo: in | |
Hannover und noch tiefer im Süden und Westen. Dort saß seine | |
Sammlerklientel, die erste Retrospektive zeigte die Kestner-Gesellschaft, | |
und am Stadion von Hannover 96 prangt sein größtes Mosaik, mit 201 | |
Quadratmetern auch eines der größten deutschlandweit. Beim Umbau des alten | |
Niedersachsenstadions zur "AWD Arena" wurde es versetzt und aufwändig | |
restauriert. | |
Ursprünglich sollte das Mosaik Fernand Léger entwerfen. Als der Franzose | |
1955 starb, entschied man sich für Bargheer. Der hatte gerade auf der | |
ersten Documenta in Kassel und einige Jahre zuvor auf der Biennale in | |
Venedig ausgestellt und galt im In- und Ausland als einer der wichtigsten | |
deutschen Künstler. Fast alle bedeutenden Museen in Deutschland erwarben | |
Werke von Bargheer. Eines ging sogar in die DDR: ein Prozessionsbild, das | |
man mit bewundernswerter Chuzpe als Faschingsumzug unters Volk brachte. | |
Angefangen hat der früh verwaiste Bargheer als Autodidakt. Es sei das | |
Licht, das ihn zeitlebens fasziniert und dessen fortwährender Wandel auf | |
der heimatlichen Elbinsel Finkenwerder ihn überhaupt erst zum Maler gemacht | |
habe, erzählen Justus und Silze. Einige seiner schönsten Bilder stammen aus | |
der Zeit direkt am Deich: Gerippe von Bäumen, die in zarten, farbig | |
zerlegtem Licht hinunter zur Elbe laufen oder der Strom bei Ebbe und sein | |
letztes Leuchten in der Dämmerung. | |
Nun kann man so gut malen wie man will: Um in Hamburg, der Stadt des | |
Geldadels, anerkannt zu werden, muss man seit jeher auch in der so | |
genannten "guten Gesellschaft" bestehen. Bargheer hatte das Glück, schon | |
früh die richtigen Mäzene zu finden. Er portraitierte die Frau des | |
Kaufmanns Lafrenz. Die war von dem Ergebnis derart beglückt, dass sie | |
Bargheer beim Traditionsschneider Ladage & Oelke neu einkleidete und zu | |
Studienzwecken nach Italien schickte. Später folgten ausgedehnte Reisen | |
nach Frankreich und England, auf denen sich Bargheer strikt an den alten | |
Rat Cézannes hielt: Statt die Akademien zu besuchen, studierte er in den | |
Museen die Alten Meister. | |
1929 schloss sich Bargheer der Hamburgischen Sezession an, einer | |
spätavantgardistischen Künstlervereinigung. Stilistisch vertraten die Maler | |
der Gruppe einen an Munch angelehnten nordischen Expressionismus. Die | |
fließende Kontur dominierte auch Bargheers Werke jener Jahre. Einflüsse | |
kamen aber auch aus einem anderen Kulturkreis der Stadt: Bargheer freundete | |
sich mit Erwin Panofsky und Max Warburg an, die gerade den | |
wissenschaftlichen Grundstein zur Ikonographie legten und Hamburg mit der | |
Warburg-Bibliothek zu einem der weltweit wichtigsten Standorte der | |
Kunstwissenschaft ausbauten. | |
Verdunkelung der Palette | |
1933 war es damit schon wieder vorbei. Die Hamburgische Sezession löste | |
sich im Mai auf, als Antwort auf die Forderung der Nationalsozialisten, | |
sich von den jüdischen Mitgliedern zu trennen. Panofsky emigrierte, die | |
Warburg-Bibliothek wurde nach London verlegt. | |
Bargheer blieb, geriet aber zusehends in Bedrängnis. Samuel Beckett, der | |
sich 1936 einige Monate in der Stadt aufhielt und dabei den Maler öfters | |
besuchte, sprach vom Bleiernen seiner Bilder, von erstarrten Motiven, von | |
der Verdunkelung der Palette. Die NSDAP-Funktionäre hatten da einen weniger | |
differenzierenden Blick. Ein Wandgemälde, das Bargheer für eine Schule | |
ausführen konnte, wurde mit den Worten kommentiert: "Wenn das der Führer | |
sähe, würde er alles kurz und klein schlagen." | |
1939 verlegte Bargheer seinen Wohnsitz nach Ischia, der "Fluchtinsel mitten | |
im Faschismus", wie sie der langjährige Hamburger Kunsthallendirektor | |
Werner Hofmann einmal nannte. Auch viele Juden wichen auf die Insel aus, es | |
entstand eine kleine Künstlerkolonie. Bargheer bildete auf der Insel die | |
Farbenpracht der Vegetation ab, das einfache Leben, Fischer mit ihren | |
Netzen, Ruderer. Und doch verschloss er sich auch dort nicht den Zeichen | |
der Zeit. Über der idyllischen Bucht von Forio wölben sich dunkle Wolken. | |
Bargheer, der immer nach Gefühlslage malte, immer angestoßen von der | |
sichtbaren Welt, schrieb dazu an seine Freundin Gretchen Wohlwill: "Heute | |
war Scirocco … Ich habe was gemacht aus der Situation … Ich glaube, es | |
drückt etwas aus von dem, wie augenblicklich die ganze Welt ist." Wenig | |
später schwappen Verfolgungen und Deportationen vom italienischen Festland | |
hinüber. Bargheer verschlug es in den letzten Kriegsjahren nach La Spezia | |
und Florenz. Die wenigen Bilder aus dieser Zeit zeigen ein Massaker mit | |
ineinander verkeilten, stürzenden Menschen oder ausgebombte Häuser, durch | |
die irre Gestalten wanken. | |
An Klee geschultes Raster | |
Nach dem Krieg kehrt Bargheer nach Ischia zurück. Später verbringt er die | |
Sommer in Forio, die Winter in Blankenese. Seine Malweise treibt er | |
konsequent voran: Nichts bleibt mehr von der anschmiegsamen Linie seiner | |
Anfangsjahre, ein an Klee geschultes Raster legt sich über seine Bilder: | |
Vertikale und horizontale Beziehungen, ein Netz, aufgespannt zwischen | |
Himmel und Erde, in dem sich die gegenständliche Welt verfängt und zu | |
Zeichen, Chiffren und Symbolen gerinnt. Bargheer, der fand, das Einfache | |
sei das Schwierige, hatte für diesen Strukturalismus eine schlichte Losung | |
parat: "Gewebe ist überall." | |
Ein Gewebe sind Werk und Leben des Malers selbst. Wer sich damit | |
beschäftigt, wird sich schnell darin verfangen. Als Dirk Justus und Peter | |
Silze nach Blankenese zogen, widmeten sie sich dem ehrbaren Beruf des | |
Bankkaufmanns. Nach der Begegnung mit ihrem Nachbarn Eduard Bargheer war es | |
bald damit vorbei. Sie stellten ihr Leben ganz in den Dienst seiner Kunst. | |
Zu ihrem und auch zu unserem Glück. | |
7 Oct 2008 | |
## AUTOREN | |
Maximilian Probst | |
Maximilian Probst | |
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Museum | |
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