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# taz.de -- Finnischer Konfliktlöser: Friedensnobelpreis für Martti Ahtisaari
> Der diesjährige Friedensnobelpreis geht an den finnischen Politiker
> Martti Ahtisaari. Er gilt als einer der erfahrensten Diplomaten mit
> zahlreichen Vermittlereinsätzen.
Bild: Martti Ahtisaari hat sich mit Konflikt in Kosovo und Indonesien beschäft…
Zwei grosse farbenfrohe Gemälde hängen an der Wand in Martti Ahtisaaris
Büro in Helsinki. Und auf dem Konferenztisch steht ein kleines Kästchen, in
dem ein Stein liegt. Nicht irgendein Stein. Er stammt von Robben Island.
Und ist ebenso wie die beiden Bilder ein persönliches Geschenk von Nelson
Mandela. Der Stein als Symbol für eine bessere Welt. Wenn ein Mann wie
Mandela 27 Jahre lang auf der südafrikanischen Gefängnisinsel eingesperrt
ist und dann zu einem von Ausgleich und Versöhnung geprägtem politischen
Leben zurückkehren kann, gibt es keine wirklich unlösbaren Probleme. Der
diesjährige Friedensnobelpreisträger weigert sich in Interviews zwar
regelmässig die Frage nach einem politischen Vorbild zu beantworten. Dass
ein Nelson Mandela in seiner Art auf das Leben und seine politische Arbeit
zu sehen aber einen speziellen Platz hat - das dürfte sicher sein. Am 23.
Juni 1937 im nunmehr russischen Viborg geboren, der Vater Norweger, die
Mutter Finnin wurde ihm eine internationale Karriere wohl schon in die
Wiege gelegt. Und die erste seiner unzähligen Reisen machte Martti schon
als kleines Kind. Als seine Eltern aufgrund des Krieges zwischen Finnland
und der Sowjetunion gezwungen waren, mit ihm die karelische Heimat zu
verlassen und Flüchtlinge im eigenen Land wurden. Vielleicht liegt hier der
Keim für sein natürliches Verständnis dafür, was es heisst sein Dorf, seine
Stadt zu verlassen, auf die Hilfe und Gnade anderer angewiesen zu sein und
sich in einer neuen Umgebung ein neues Leben aufbauen zu müssen. 1965
begann der studierte Volksschullehrer und Entwicklungshelfer seine
diplomatische Karriere als Sekretär im Aussenministerium. War dann
Botschafter Finnlands unter anderem in Dar es Salaam, Lusaka, Mogadischu
und Maputo. Von 1977 bis 1981 war Ahtisaari UN-Kommissar für Namibia
(UNTAG). Und legte mit seiner erfolgreichen friedensschaffenden Mission
dort die Basis für seinen guten internationalen Ruf. Was ihm Namibia mit
einer Ehrenbürgerschaft dankte. „Die Arbeit in Namibia bedeutete für mich
am meisten in meinem politischen Leben", sagte der neugebackene
Nobelpreisträger am Freitag in einem seiner ersten Interviews. 1992 und
1993 war er erst Vorsitzender, dann Sonderberater der UN-Arbeitsgruppe für
das frühere Jugoslawien, Bosnien und die Herzegowina in Genf. Und im
Auftrag der EU einer der „Weisen", die das Schicksal des diplomatischen
Haider-Boykotts Österreichs begutachten sollten. Trotzdem war der Diplomat
für die meisten FinnInnen eher ein Unbekannter, als seine
sozialdemokratische Partei ihn überraschenderweise zu den
Präsidentschaftswahlen 1994 als Kandidaten nominierte. Und er erster direkt
gewählter Staatspräsident Finnlands wurde. Ein ganz anderer Personentyp in
diesem Amt als seine Vorgänger. Er reiste im Land umher, suchte das
Gespräch mit den Menschen, baute eine neue Art des Umgangs zwischen
Staatsführung und Bevölkerung auf. Möglicherweise erschien der in seinem
äusseren Auftreten oft an Mumin-Papa erinnernde Mann, der ständig Probleme
mit seinem Übergewicht hatte, vielen als etwas zu volksnah. Jedenfalls galt
der „Dicke", dessen Popularitätskurve im Verlaufe seiner
Präsidentschaftsperiode so rapide absackte, dass seine sozialdemokratische
Partei ihn nicht einmal mehr für eine Wiederwahl aufzustellen wagte, kurz
vor bei seinem Ausscheiden aus dem Amt im Jahre 2000 allgemein als
Verlierer. Seine Zeit schien vorbei. Doch dem Mann, dem Moskau wie
Washington gleichermassen vertrauten wurde zum EU-Beauftragten für den
Kosovo ernannt, wo es ihm gelang, Slobodan Milosevic zu einem
Friedensabkommen zu bewegen. Er wurde ein heisser Name, wenn es darum ging,
einen internationalen Posten mit einem Vertreter aus einem kleinen,
neutralen Land zu besetzen. Als Waffeninspektor in Nordirland hatte er die
Aufgabe die Depots der IRA zu kontrollieren. Und im Auftrag von
UN-Generalsekretär Kofi Annan war er Leiter einer Delegation, welche die
Vorgänge um das Massaker im palästinensischen Flüchtlingslager Jenin
aufklären sollte. Hinter den Kulissen die Fäden zu ziehen war für den
Finnen, der leidenschaftlich gerne diskutiert, aber wahrlich kein
Fernsehprofi ist, eher massgeschneidert, als im Rampenlicht zu stehen. So
entschloss sich der Pensionär seine Vermittlerfähigkeiten zur Lösung
nationaler und internationaler Konflikte fruchtbar zu machen. Das Thema des
jahrzehntelangen Bürgerkriegs in der indonesischen Provinz Aceh hatte
Ahtisaari bereits auf dem Tisch seiner von grossen internationalen
Konzernen und Stiftungen wie der Soros-Foundation finanzierten „Crisis
Management Initiative" CMI liegen, als das menschliche Leid im Gefolge der
Tsunami-Katastrophe am 2. Weihnachtstag 2004 dort eine Tür zu Verhandlungen
öffnete. Nach seiner Kosovo-Mission hatte der 71-jährige wieder mehr Zeit
für Ehefrau Eeva, Sohn Marko, für die Sauna im Sommerhaus und zum
Golfspielen. Ist der jetzige Friedensnobelpreis sicher die Krönung auf der
langen Liste von Ehrungen Ahtisaaris, wird er gewiss auch in Zukunft in
seinem Lebenslauf einen Titel nicht vergessen, der ihm offenbar besonders
viel bedeutet: 1992 war der Liebhaber von Fischgerichten und einem guten
Rotwein zu Finnlands „positivstem Menschen des Jahres" gewählt worden.
10 Oct 2008
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Nachruf
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