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# taz.de -- WM-Qualifikation gegen Russland: "Schlagkraft" made in Germany
> Beim 2:1-Sieg gegen Russland gelingt der DFB-Auswahl eine fußballerische
> Synthese: Sie vereint den deutschen Tugendfußball mit der
> One-Touch-Philosophie.
Bild: Freude über das verdiente 2:0: Schweinsteiger passte herrlich und Ballac…
## Schlagkraft made in Germany
## Beim 2:1-Sieg im WM-Qualifikationsspiel gegen Russland gelingt der
DFB-Auswahl eine fußballerische Synthese. Sie vereint den deutschen
Tugendfußball alter Prägung mit der One-Touch-Philosophie - allerdings nur
für 45 Minuten
"Wir hätten sicherlich auch mal den Ball nach vorne schlagen müssen."
Hoppla! Joachim Löw, der Flachpass-Apologet, gibt die Lizenz zum
Befreiungsschlag. 2:1 hatte seine Fußballnationalmannschaft gegen Russland,
"ein Team, das zu den absolut besten in der Welt" gehört, gewonnen. Die
Deutschen waren nach 2:0-Führung in der zweiten Hälfte noch arg in
Bedrängnis gekommen. Joachim Löw fand den Sieg verdient, weil seine Spieler
die erste Hälfte dominiert haben. Michael Ballack, sein Kapitän, sah das
anders. Für ihn war es ein glücklicher Sieg, die Russen hätten den
Ausgleich, der lange in der Luft zu liegen schien, verdient gehabt, sagte
er. So richtig erklären konnte keiner der beiden, warum die Deutschen am
Ende dann doch gewonnen hatten. Für Gus Hiddink, den niederländischen
Trainer der russischen Auswahl, war klar, warum sein Team am Ende ohne
Punkt dastand. Den Russen fehle, was die Deutschen einmal mehr
ausgezeichnet habe: "the Schlagkraft". Hiddink gab seine Pressekonferenz
auf Englisch. Nur ein deutsches Wort verwendete er: Schlagkraft.
Wieder mal ein Trainer aus dem Ausland, der es nicht lassen kann, deutsche
Fußballerfolge nur mit Willenskraft zu erklären? Nein, er hat recht. Was
die Deutschen in der ersten Halbzeit gezeigt haben, könnte als die
Versöhnung des deutschen Tugendfußballs mit der One-Touch-Philosophie
bezeichnet werden. Aggressiv gingen die Deutschen in die Zweikämpfe im
Mittelfeld. "Die wissen, wie man in die Schlacht Mann gegen Mann geht",
sagte Hiddink.
Schlachtenführer vor der Abwehr durfte am Samstag Thomas Hitzlsperger sein.
Torsten Frings hat den Anspruch auf dem Stammplatz im defensiven Mittelfeld
verloren. Bei der EM drängte er sich mit angebrochener Rippe in die
Stammformation. Gegen Russland saß er gesund auf der Bank. Joachim Löw
weiß, dass er auf der Sechser-Position keinen überragenden Mann aufzubieten
hat. Er hat einen Kampf um die Position, um die sich auch Simon Rolfes
bemüht, ausgerufen. Hitzlsperger hat die ersten Punkte gemacht. Auch wegen
seiner Übersicht und dem einmal mehr omnipräsenten Michael Ballack, der in
der 28. Minute das zweite Tor der Deutschen erzielte, gelang es den
Deutschen nach Balleroberungen im Mittelfeld, schnell nach vorne
umzuschalten. Für Löw muss das eine wahre Freude gewesen ein. Er schwärmte
hinterher von den Flachpässen, die er gesehen hatte, von den Doppelpässen,
freute sich, dass "enorm viel Bewegung" im Spiel war. Und es machte ihm gar
nichts aus, dass so mancher Ball gerade von Heiko Westermann, der in der
Innenverteidigung neben Per Mertesacker spielte, nach vorne gedroschen
wurde.
"Gut, gut", sagte Löw, als er gefragt wurde, wie er die Leistung des
Schalkers gesehen habe. In der Tat war Westermanns Auftritt viel besser als
der in Finnland, für den er so heftig kritisiert worden war. Da gibt es
jetzt einen Verteidiger im deutschen Team, der auch einmal ein Laufduell
gewinnen kann. Schön anzusehen ist Westermanns Abwehrspiel zwar nicht, aber
darauf kommt es ja nicht einmal mehr dem Bundestrainer an. Westermann war
einer der deutschen Türme in dieser von Hiddink so bezeichneten "Schlacht".
Warum in der zweiten Halbzeit fast jede Aggressivität aus dem Spiel der
Deutschen verschwand, dafür hatte Löw zunächst keine Erklärung. Nach dem
frühen Anschlusstreffer der Russen durch Andrej Arschawin (51.) war es aus
mit der Herrlichkeit des deutschen Powerfußballs. Angst schien in die Köpfe
der Spieler zu steigen. Vielleicht ist die Mannschaft noch nicht in der
Lage, das neue Kraft-Tempo-Spiel, das sie in der ersten Hälfte vorexerziert
hat, 90 Minuten lang durchzuhalten.
Noch so ein deutscher Powerplayer: Lukas Podolski. Er hat in der ersten
Halbzeit so gespielt, als wolle er dem anderen Spieler mit der Nummer zehn
auf dem Platz, dem hochgelobten Arschawin, zeigen, wie ein moderner Stürmer
zu spielen hat. Der sanften Kraft des Russen setzte Podolski, der die
Deutschen schon in der 9. Minute 1:0 in Führung gebracht hat, all seine
Aggressivität und Explosivität entgegen. Arschawin zeigte vor allem in den
letzten 20 Minuten, wie leicht es ihm bisweilen fällt, seine Gegenspieler
auszutanzen. Podolski wirkte wie ein Rugbyspieler, der in vollem Lauf
unvorhersehbare Haken zu schlagen weiß. Arschawin spielt schön, Podolski
hat - Schlagkraft.
Für Gus Hiddink bleibt wahr, was er vorm Spiel gesagt hat: Die Deutschen
sind Favorit in der Gruppe. Wenn es ihnen noch ein paarmal gelingen sollte,
so zu spielen, wie sie es in der ersten Halbzeit getan haben, werden sie
nur schwer zu schlagen sein. Am Mittwoch in Mönchengladbach will es Wales
versuchen.
13 Oct 2008
## AUTOREN
Andreas Rüttenauer
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