# taz.de -- Sozialstudie zu Kreuzberg: Der Zweiklassenkiez | |
> Im Osten Kreuzbergs besteht die Gefahr einer Polarisierung zwischen | |
> wohlhabenden Zuziehenden und armen Migranten, warnt ein Stadtforscher. | |
> Bürgermeister: Im Hinterhof klettern die Mieten | |
Bild: Ihren Porsche können Reiche bald neben ihrem Schlafzimmer parken, in Kre… | |
Der Kontrast könnte kaum größer sein: An der Reichenberger Straße in | |
Kreuzberg richten sich ab Ende des Jahres Wohlhabende in bis zu 225 | |
Quadratmeter großen Lofts ein. Ihre Wagen können sie dank eines Autoaufzugs | |
gleich neben dem Wohnzimmer parken. Einige Häuser weiter üben sich in einem | |
Internetcafé vorwiegend migrantische Jugendliche regelmäßig in | |
Ballerspielen. Alte Männer trinken an der Bushaltestelle ihr Bier. | |
Armut und Wohlstand direkt nebeneinander - das findet man im Osten | |
Kreuzbergs immer häufiger. Der Stadtforscher Sigmar Gude vom Planungsbüro | |
Topos hat im Auftrag des Bezirks die Entwicklung des Gebiets SO36 | |
untersucht. Erste Ergebnisse präsentierte er am Mittwochabend bei einer | |
Bürgerversammlung. Es sei zu beobachten, dass vorwiegend Haushalte mit | |
höherem Einkommen ohne Kinder in die Gegend zögen, so Gude. Dort träfen sie | |
auf einkommensschwache, meist migrantische Familien. "Es besteht die Gefahr | |
einer Polarisierung", warnte der Stadtforscher. | |
Das durchschnittliche monatliche Haushaltseinkommen stieg in SO36 von 1.480 | |
Euro im Jahr 2002 auf 1.756 Euro in diesem Jahr. Spitzenreiter sind die | |
Kieze am Lausitzer Platz und an der Reichenberger Straße. Gude glaubt aber | |
nicht, dass diese Entwicklung den Stadtteil binnen kurzer Zeit völlig | |
verändert. In ganz Berlin seien die Zahlen nach oben gegangen. "Das | |
Einkommen im Wrangelkiez liegt seit Jahren konstant bei Dreiviertel des | |
Berliner Durchschnitts." | |
Besteht die Gefahr, dass ärmere Alteingesessene aus dem Kiez gedrängt | |
werden? Die höhere Mietbelastung lässt das vermuten. In der Gegend um die | |
Wrangelstraße musste man 1993 im Schnitt nur ein Fünftel seines Einkommens | |
für die Miete ausgeben. Heute sind es 32 Prozent. | |
Der Bezirk kann nur bedingt etwas gegen höhere Mieten tun, sagte | |
Bezirksbürgermeister Franz Schulz (Grüne). Früher sei es möglich gewesen, | |
Mietobergrenzen festzulegen. Heute könne der Bezirk mit dem Instrument des | |
Milieuschutzes lediglich Luxussanierungen verhindern, beispielsweise den | |
Ausbau einer Wohnung mit zwei Bädern oder die Einrichtung eines Fahrstuhls. | |
Eine zweischneidige Angelegenheit, wie Schulz einräumte. Gerade Ältere | |
würden von Aufzügen profitieren. | |
Gegen die "Carlofts" an der Reichenberger Straße sei er machtlos, sagte | |
Schulz. "Anders als bei Sanierungen haben wir bei Neubauten keinen | |
Zugriff." Dafür gehen jetzt die Anwohner auf die Straße: Rund 50 Menschen | |
äußerten am Mittwoch Protest (siehe Kasten). | |
Es sind übrigens nicht so sehr die schönen Vorderhauswohnungen, die teuer | |
werden, sondern vor allem die Bleiben in Seitenflügeln und Quergebäuden, | |
sagte Schulz. Dort wechselten die Mieter häufiger - mit jedem Wechsel kann | |
der Vermieter den Preis nach oben setzen. | |
17 Oct 2008 | |
## AUTOREN | |
Antje Lang-Lendorff | |
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