# taz.de -- TIMM.TV - schwules Fernsehen: Homo digitalis | |
> "Timm" ist da - und er liebt Männer: Der neue TV-Kanal serviert ab sofort | |
> täglich einen cleveren Mix aus Dokus, Filmen und Magazinen mit lang | |
> vermisstem Homo-Hintergrund. | |
Bild: Die schwule Antwort auf "Simpsons" und "Southpark": Rick & Steve | |
"Absolutely Fabulous" ist eine der genialsten Comedyserien der Welt. Und | |
hat hierzulande nie ihr Publikum gefunden: Zwar lief die Britcom um die | |
beiden abgetakelten, champagnersaufenden Expartyhühner Edina und Patsy | |
einmal untertitelt auf Arte, wurde aber in Deutschland quasi | |
totgeschwiegen: zu drogenaffin, zu schwarzhumorig, zu unangemessen, zu | |
spitzzüngig. Und damit genau richtig, um einen Sender wie "Timm" zu | |
schmücken. | |
Seit vergangenen Samstag sendet Timm sein ausgewähltes Vollprogramm. | |
Schwule Männer sind die Zielgruppe - eine nicht unerhebliche, wenn man von | |
9 Prozent Schwulenanteil bei 40 Millionen deutschen Männern ausgeht. Die | |
Nichtsahnenden, Heimlichen, Klemmis und jene vielen (Hetero-)Frauen | |
dazugenommen, die mit Humor, Drama und Sixpacks etwas anfangen können, | |
errechnen sich die Timm-Macher mehr als 3,6 Millionen ZuschauerInnen. | |
"Wir lieben Männer" heißt es in der Unterzeile des Senders, der täglich | |
zwischen nachmittags und 2 Uhr morgens Serien, Spielfilme, Dokus, | |
eingekaufte und eigenproduzierte Formate ins digitale Kabelnetz und damit | |
(vorerst nur für digitale Haushalte) ins Free TV schickt. Nachts, nach dem | |
Programm, läuft noch das "Männeraquarium": Schnieke Kerle paddeln mit | |
aufgeblasenen Backen an der Kameralinse vorbei, die in einem Schwimmbassin | |
steht - endlich eine Alternative zu den S-Bahn-Strecken, mit denen andere | |
Sender ihr Nachtprogramm füllen. | |
"Wir sehen uns als Bereicherung im TV-Angebot", sagt Frank Lukas, | |
Geschäftsführer und Programmleiter von Timm. Man wolle nicht das breite | |
Publikum ansprechen, sondern sich auf die Zielgruppe konzentrieren, | |
bescheiden anfangen. Als Investoren hat der findige Produzent und | |
Exmoderator des Magazins "Anders Trend" unter anderem die | |
Verlagsgesellschaft Madsack (Hannoversche Allgemeine) und die IBB | |
Beteiligungsgesellschaft überreden können, Penunzen zum Aufbau | |
beizusteuern. | |
Finanzieren will sich Timm durch Werbung. Mit dem Klischee des kultur- und | |
lifestyleinteressierten, körperbewussten und konsumfreudigen schwulen Mann | |
lässt sich prima fundraisen gehen. "Wir stecken das Geld in die Lizenzen, | |
nicht in Riesenproduktionen", erklärt Lukas, und zaubert neben der | |
lesbischen Erfolgsserie "The L Word" und "Queer as folk" immerhin vier neue | |
Serien aus dem Hut: In "Noahs Arc" zicken sich ein paar schwarze Schwule | |
durch L.A.; in "Footballers Wives" geht es um die stutenbissigen Frauen | |
einer Profifußballmannschaft; die britische Serie "Mile High" zeigt Liebes- | |
und Windturbulenzen einer Billigfluggesellschaft; und "Rick & Steve" ist | |
eine animierte Sitcom über ein schwules Pärchen. | |
Die Eigenproduktionen sollen Mitte November starten und später ausgebaut | |
werden: Das tägliche Magazin "TimmToday" wird tagesaktuelle Themen zwischen | |
Politik, Kultur und Sport behandeln, "wenn sie eine Relevanz für die | |
Zielgruppe haben" - also die Bankenkrise etwa über das Porträt eines | |
schwulen Anlegers angehen. An Sport will man sich "herantasten", sagt | |
Lukas, nicht nur an die Gay Games in Köln. Die "Timmousine" ist ein | |
Talkformat im Taxi, dazu kommen Doku-Serien, (Dating-)Shows, ein von - | |
natürlich - einem Steward moderiertes Reisemagazin und Zielgruppenfilme aus | |
der Fernsehkonserve. | |
"Wir haben uns vorgenommen, um 20.15 Uhr 30.000 Zuschauer zu erreichen", | |
sagt Lukas. Dass das länger dauern kann, ist ihm klar. "Wir wissen, dass | |
vielleicht noch schwere Zeiten auf uns zukommen. Aber wir müssen uns | |
durchboxen." Inhaltlich Bahnbrechendes kann TIMM - allein finanziell - also | |
bislang nicht leisten. Der Sender serviert eher einen cleveren Mix aus | |
Themen und Formaten, die auch in anderen Sendern laufen, garniert mit Elan | |
und dem lang vermissten selbstverständlichen Homo-Hintergrund. Ob das nötig | |
ist, werden - wie immer - die Zuschauer entscheiden. | |
2 Nov 2008 | |
## AUTOREN | |
Jenni Zylka | |
## TAGS | |
Redaktion | |
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