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# taz.de -- Deutscher Film vor und nach 1945: Alles in Scherben
> Welches Bild der Jugend zeigte der NS-Film vor 1945, welches der
> westdeutsche und der Defa-Film danach? Das Hamburger Filmfestival
> Cinefest zeigt Filme aus den Jahren 1940 bis 1950, um die Kontinuitäten
> offen zu legen.
Bild: So realitätsnah wie möglich? Karl Ritters "Besatzung Dora" aus dem Jahr…
Regisseur Karl Ritter dachte, er würde den Fliegern von der Fernaufklärung
mit seinem Film "Besatzung Dora" ein Denkmal setzen. Sechs Wochen lang
hatte er als Soldat bei den Fernaufklärern gedient, bevor er begann, das
Drehbuch zu schreiben. Er hatte ab 1942 verschiedene Fronten besucht und
Soldaten als Filmschauspieler rekrutiert, damit alles so realitätsnah wie
möglich aussah. Ritter wollte original Soldaten, original Schauplätze und
original Aktionen. Als ein Fliegertrupp im wirklichen Krieg zu einer
Notlandung gezwungen war, dachten die Soldaten nicht ans Überleben, sondern
funkten das Filmteam an, um auf die Chance hinzuweisen, eine original
Notlandung zu filmen.
Das Filmteam kam wenige Minuten zu spät. Und als der Film 1943 fertig war,
wurde er niemals öffentlich in einem Kino gezeigt. Das lag vor allem daran,
dass der Krieg die Filmhandlung bereits überholt hatte: Beispielsweise
hätte der gesamte in Nordafrika spielende Komplex entfernt werden müssen,
nachdem Nordafrika 1943 bereits von den Alliierten besetzt war.
So gesehen wird es eine echte Premiere, wenn "Besatzung Dora" kommende
Woche im Hamburger Metropolis-Kino läuft. Der Film wird dann ein Beitrag
sein zum Filmfestival Cinefest, das am Samstag beginnt und sich in diesem
Jahr mit Propaganda im Film der Jahre 1940-1950 beschäftigt. "Besatzung
Dora" ist dabei ein Beispiel dafür, "wie sich im Film dieser Zeit Realität
und Fiktion vermischen", sagt Hans-Michael Bock. Er arbeitet mit Erika
Wottrich und Johannes Roschlau beim Verein Cinegraph, der das Cinefest
veranstaltet. Mit im Boot ist außerdem das Bundesfilmarchiv in Berlin.
Das Cinefest 2008 trägt den Titel "Alles in Scherben!…?" und versammelt
Filme aus Deutschland, Frankreich, Ungarn, der Sowjetunion, der
sowjetischen Besatzungszone und den USA. Die Idee ist, das Jahr 1945 nicht
wie sonst in der Filmgeschichte als Bruch zu setzen, nach dem alles anders
wird, sondern die Kontinuitäten zu zeigen, die über das Ende der
Nazidiktatur hinaus die Filme prägen. Schwerpunktmäßig geht es um die
Darstellung der Jugend im Film jener Zeit: Welches Bild der Jugend zeigte
der Film im Nazi-Deutschland, welches der Defa-Film in der sowjetischen
Besatzungszone? Wie stellten die Amerikaner das Nachkriegsdeutschland ihren
GIs vor? Und wie beschrieb die NS-Propaganda die USA?
Auf dem Cinefest sind Spielfilme und Propaganda-Filme zu sehen. Eine
direkte Gegenüberstellung zweier Filme gibt es kaum. Das liegt manchmal
daran, dass von korrespondierenden Filmen nicht immer beide gut genug
erhalten sind für eine Kinoprojektion. Meist aber ist der Grund, dass die
Filme bei aller Schlichtheit thematisch zu eigen sind: "Die Schwarze Robe"
von 1943/44 beispielsweise erzählt die Beziehungsgeschichte einer beruflich
erfolgreichen Juristin, die auf einen darunter leidenden Maler trifft -
dieser Film handelt von Geschlechterverhältnissen. Der Film "Die Söhne des
Herrn Gaspary" aus dem Jahr 1948 dagegen handelt von zwei ungleichen
Brüdern im Nachkriegsdeutschland mit der Botschaft: Pazifistische
Weichlinge brauchen wir nicht, sondern eine Jugend, die anpackt beim
Wiederaufbau. Der Film fiel seinerzeit bei der Kritik durch mit dem
Hinweis, ein NS-Propaganda-Film hätte nicht anders ausgesehen.
Das Cinefest umfasst 26 Programme mit zum Teil mehreren Filmen pro
Programm. Ausschlaggebend für die Auswahl der Filme waren nicht Kriterien
der Filmkunst, sondern die Frage, was ein Film sagt über die Ideologie
seiner Zeit. Es sind Filme, deren Kontext entscheidend ist - bei den
Cinefest-Vorführungen wird es dementsprechend diverse Einführungen und
Gespräche geben, mitunter auch mit damals beteiligten Schauspielern wie
Gunnar Möller. Außerdem gibt es im Rahmen des Cinefestes einen
filmhistorischen Kongress, der sich mit dem Spannungsfeld zwischen
Beharrung und Neuanfang im europäischen Film nach 1945 beschäftigt. Über
"Besatzung Dora" wird dann auch zu reden sein. Womöglich im Vortrag
"Fliegermythen im NS-Jugendfilm".
Cinefest: 15.-23. November, Hamburg. Alle Filme laufen im Metropolis im
Savoy, Steindamm 54
12 Nov 2008
## AUTOREN
Klaus Irler
Klaus Irler
## TAGS
Filmgeschichte
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