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# taz.de -- Argentinischer Ex-Präsident vernommen: Menems mögliche Mitschuld
> Der blutige Bombenanschlag auf das Jüdische Gemeindezentrum AMIA in
> Buenos Aires 1994 ist noch immer nicht aufgeklärt. Ein Richter prüft
> jetzt, ob die argentinische Regierung die Ermittlungen behindert hat.
Bild: Ruf nach Aufklärung: Proteste zum 12. Jahrestag des anti-jüdischen Ansc…
Hat die argentinische Regierung die Aufklärung des Bombenanschlages auf das
jüdische Hilfswerk AMIA vor 14 Jahren zielstrebig hintertrieben? Dazu soll
der frühere Präsident Carlos Menem jetzt vernommen werden. Das hat
Untersuchungsrichter Ariel Lijo am 13. November verfügt. Außer Menem sollen
sechs weitere Personen aussagen, darunter sein Bruder Munir und der damals
ermittelnde Richter Juan José Galeano.
Für den Präsidenten der AMIA, Guillermo Borger, ist die Vorladung von Menem
ein Fortschritt. "Jeder noch so kleine Schritt tut gut, denn er zeigt uns,
dass die Angelegenheit in Bewegung ist." Doch die Vernehmungen werden "den
Fall nicht lösen," so Borgers nüchterne Einschätzung. Dagegen erwartet
Sergio Burstein, Mitglied der Gruppe der Familienangehörigen und Freunde
der Opfer des Attentats, dass die Sieben nicht als Vertuscher behandelt
werden, "sondern als das was sie sind: Komplizen der Verantwortlichen des
Attentats auf die AMIA."
Bei den Lijo angeordneten Vernehmungen geht es nicht um die Frage, wer die
Drahtzieher und Verantwortlichen für den Anschlag waren. Dazu wurde drei
Jahren lang ein Verfahren geführt, das jedoch ohne greifbare Ergebnisse
blieb. Dem Untersuchungsrichter geht es um die Frage, ob die Ermittlungen
in Argentinien von höchster Stelle beeinflusst, behindert oder gar
unterbunden worden sind.
Bei dem Bombenanschlag am 18. Juli 1994 auf das Gebäude der AMIA in Buenos
Aires wurden 85 Menschen getötet und etwa 300 verletzt. Das siebenstöckige
Gebäude war zur Hälfte weggerissen und eingestürzt. Mehr als 400 umliegende
Wohnungen und Geschäfte waren ebenfalls zerstört oder beschädigt worden.
Die Bombe befand sich in einem Renault Trafic, der in der Pasteurstraße,
Hausnummer 633, vor dem Gebäude der AMIA stand.
Lijo vermutet, dass Menem den Textilfabrikanten Alberto Jacinto Kanoore
Edul geschützt haben könnte. In seiner Begründung schreibt der Richter,
dass "der Abbruch" der Ermittlungen gegen Alberto Jacinto Kanoore Edul
unmittelbar mit dem Besuch von dessen Vater im Regierungsgebäude, der Casa
Rosada, am 1. August 1994 in Zusammenhang steht. Die sogenannte "Syrische
Spur" wurde nicht weiterverfolgt.
Die Beziehungen zwischen der Familie Alberto Jacinto Kanoore Edul und
Carlos Menem haben eine lange Tradition. Die Wurzeln liegen in der
gemeinsamen syrischen Vergangenheit und Abstammung. Während der Menems
Präsidentschaft (1989-1999) war Vater Edul ein häufig gesehener Besucher im
Regierungsgebäude.
Nach dem Besuch am 1. August. habe Munir Menem, zuständig für die Audienzen
im Regierungsgebäude, im Namen von Präsident Carlos Menem beim damaligen
Untersuchungsrichter Juan José Galeano die Einstellung der Ermittlungen
gegen Alberto Kanoore Edul und Personen aus seinem Umfeld erreicht. Eine
ähnliche Anweisung ging damals auch an die "Sicherheitskräfte und den
Geheimdienst" fügte Lijo hinzu. Juan José Galeano wurde 2003 die
Untersuchung des Anschlags entzogen.
Ob Alberto Jacinto Kanoore Edul tatsächlich in den Anschlag verwickelt ist,
ist nicht bewiesen. Doch Verbindungen lassen sich nachweisen. So kann der
Geschäftsmann ein Telefongespräch, dass er acht Tage vor dem Anschlag mit
Carlos Telleldín geführt hatte, bis heute nicht schlüssig erklären. Carlos
Telleldín ist die letzte bekannte Besitzer des Renault Trafic, der vor der
AMIA in die Luft flog. Der Motor wurde unter den Trümmerteilen des
gesprengten Gebäudes gefunden.
Zudem wurde im Notizbuch von Kanoore Edul eine ungewöhnlich lange Liste von
elf Automechanikerwerkstätten festgestellt. Außerdem die Telefonnummer und
die Adresse von Mohsen Rabbani, dem damaligen Kulturattache der iranischen
Botschaft, der bereits eine Woche nach dem Anschlag in den Kreis der
Verdächtigen gerückt war und heute von Interpol per Haftbefehl gesucht
wird.
Menem, der gegenwärtig als Senator für seine Heimatprovinz La Rioja im
argentinischen Oberhaus sitzt und bis 2011 parlamentarischen Immunität
genießt, hat jegliche Verantwortung von sich gewiesen und sieht sich als
Opfer seiner Nachfolger im Präsidentenamt Néstor und Cristina Kirchner, die
hinter seiner "juristischen Verfolgung" stecken. Seine Vernehmung ist für
den 9. Dezember angesetzt. Innerhalb von zehn Tagen entscheidet dann der
Richter, ob er gegen den 78-Jährigen ein gerichtliches Verfahren
eingeleiten wird.
17 Nov 2008
## AUTOREN
Jürgen Vogt
## TAGS
Argentinien
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