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# taz.de -- Schlossbaupläne in Berlin: In der Berliner Mitte nichts als Triste…
> Am Freitag wird der Architekturwettbewerb über die Zukunft des
> Schlossplatzes entschieden. Bis zuletzt haben sich die barocken
> Schlossfans und ihre Gegner bekämpft. Aber auch beim Nutzungskonzept des
> Humboldt-Forums ist vieles im Unklaren. Darum kann der Wettbewerb nur
> schiefgehen
Bild: An die Ödnis und Leere am Schlossplatz wird man sich wohl gewöhnen müs…
Es gibt in diesen trüben Novembertagen noch Unverdrossene, die sich die
Reste des Palastes der Republik auf dem Schlossplatz angucken. Darunter
sind zuweilen ältere Herrschaften, die lauthals ihrem Unmut über den Abriss
Luft verschaffen und diesen als "politisch gewollte Schweinerei des
Westens" brandmarken. Der Verlust schmerzt noch immer, wie das Beispiel
dieses Bürgers der ehemaligen DDR zeigt, der sich kurz vor dem Abriss des
letzten Treppenhausturms an der Ruine des Republikpalastes einfand.
Man muss nicht zu den Enterbten der kommunistischen Einheitspartei gehören,
um angesichts der Stümpfe des Palastes derzeit Phantomschmerzen zu
empfinden. Es fehlt dort ein Raum, ein Gebäude, ein Stück Berliner
Geschichte. Denn genau das ist dort verschwunden, um nun einer riesigen
zugigen Tristesse Platz zu machen.
Und das auf unabsehbare Zeit. Schließlich bedeutet die Zerstörung des
DDR-Symbols noch lange nicht, dass ab 2010 wie vorgesehen die Fläche mit
einer Schlossrekonstruktion namens Humboldt-Forum wieder besetzt sein wird.
Denn nichts ist klar an diesem Ort. Nicht die Bausumme, nicht die Spenden,
nicht die Planungen für das Gebäudeinnere mit 40.000 Quadratmeter Fläche,
nicht die benötigten Fassadenelemente, nicht die Kuppelkonstruktion, nicht
die Funktion des Eosander- oder des Schlüterhofs - und erst recht nicht das
Nutzungskonzept. Daran wird auch der "Architektenwettbewerb Humboldt-Forum"
nichts ändern, der am Freitag entschieden wird. Vielmehr dürfte das
Ergebnis zu den Fehlstellen seinen Anteil noch beitragen.
Statt etwa in gelöster Erwartung der Architekturentwürfe zu sein, kracht es
gerade wieder einmal in der Jury. Preisgerichtsvorstand Vittorio Lampugnani
(Rom) und Gesine Weinmiller (Berlin) polterten am Montag vergangener Woche
gegen das Barockkonzept und seine Befürworter. Er könne sich für Berlin
Besseres vorstellen "als ein altes Schloss", motzte Lampugnani. War das
eine Drohung, allzu barocke Kopisten unter den Teilnehmern in die Tonne zu
treten?
Die Retourkutsche aus dem Bundesbauministerium folgte natürlich prompt.
Wolfgang Tiefensee (SPD) wies die Rebellen in die Schranken. Das geplante
Humboldt-Forum werde in den drei historischen Barockfassaden und in der
Größe des 1950 gesprengten Stadtschlosses wieder aufgebaut, verordnete er.
"Der Bundestag hat das beschlossen. Diesen Beschluss setzen wir um."
Diese herrische Geste von Tiefensee und seine Verweigerung einer
inhaltlichen Auseinandersetzung sind symptomatisch für die Probleme am
Berliner Schlossplatz. Alle wesentlichen Überlegungen und Beschlüsse zur
Zukunft des Ortes resultieren in erster Linie aus politischen Zielvorgaben.
Nur an zweiter Stelle rangieren städtebauliche, architektonisch-ästhetische
oder funktionale Überlegungen für die "Stadtkrone" Berlins, wie der
Stararchitekt und Jurymitglied David Chipperfield (London) klagt. Die
Dominanz politischer "Definitionen" sei "ärgerlich", so der Architekt.
Es stimmt: Der Schlossplatz ist nicht baulich, sondern politisch vermint.
Politisch entschieden wurde das Ende der Volkskammer 1990. 1998 folgte der
Beschluss, den DDR-Palazzo abzureißen. Der Bund und Berlin setzten im Jahr
2000 die "Kommission Historische Mitte Berlin" ein, die 2002 vorschlug,
"dass ein Neubau in der Kubatur des Schlosses auf dem originalen Standort
anstelle des abzureißenden Palastes der Republik entstehen soll", wie es
der Kommissionsvorstand Hannes Swoboda (Wien) hinterher formulierte.
Swoboda regte zudem die Rekonstruktion von drei Barockfassaden und des
Schlüterhofs an.
Im Juli 2002 stimmte schließlich der Bundestag für den Wiederaufbau des
Schlossäußeren in barocker Fassade und seine kulturelle Nutzung als
"Humboldt-Forum" - ein großes Museum, die Landesbibliothek und
Humboldt-Universität. Der Architektenwettbewerb wurde 2006 erarbeitet und
2007 ausgeschrieben.
Es ist nichts Ungewöhnliches für Architekten, sich in Entwürfen mit
Geschichte und Gegenwart zu beschäftigen. Das ist sogar ein reizvoller Job.
Bei der Kuppel des Reichstags, den Häusern "Sommer" und "Liebermann" am
Brandenburger Tor und am Dialog zwischen Ruine und Neubau der
Gedächtniskirche ist das zu sehen.
Der Bauwettbewerb am Schlossplatz jedoch hat den Rekonstruktionsgedanken
zum Fetisch erhöht. Das barocke Baudiktat für den Klotz mit 170 mal 100
Meter Fläche und den beiden großen Innenhöfen hat der Bauherr Bund zum
Gesetz erklärt. Die Frage "Welche Repräsentationsaufgabe mit welcher
Ikonografie gehört in die Mitte Berlins und der Republik des 21.
Jahrhundert?" ist gar nicht gestellt worden. Ebenso nicht, ob ein moderner
Innenraum zur barocken Hülle überhaupt passt und nicht etwa ein komisches
"Zwitterwesen" entstehen könnte. Nein, man ist verrückt nach einer
nostalgischen, schöngefärbten Chiffre für das neue Deutschland. Welch ein
Unsinn.
Umgekehrt bocken die Barockgegner ebenso unerbittlich. Peter Conradi,
früherer Präsident der Bundesarchitektenkammer, warf schon 2002 dem Bund
vor, sich auf ein "abwegiges Vergangenheitssymbol" zu versteifen.
Die Baumaßnahme Schloss bedeute "eine absolute Entgleisung für Bauherrn,
Architekten und die Republik", legte Christoph Ingenhoven, Architekt aus
Düsseldorf, später nach. Meinhard von Gerkan, Architekt des Berliner
Hauptbahnhofs, machte sich lustig über den Kopie-Gedanken. Er entwarf
während des Streits eine Barockfassade, die er hinter Glas stellte. Das
Schloss als Museumsstück.
Wie Christiane Edmaier, Vorsitzende des Berliner Bundes Deutscher
Architekten (BDA), denken die meisten Architekten bis heute: "In der
Auslobung des Wettbewerbs hätte einer eigenständigen Entwurfshaltung Raum
gegeben werden müssen." Der Wiederaufbau verpflichte zu einer
"intellektuellen Auseinandersetzung" mit dem Ort, so die BDA-Chefin
kürzlich. Zudem bleibe es ein Skandal, dass alle Diskussionen und
alternativen Haltungen nicht zugelassen wurden.
Es ist ein großer Fehler in dem Verfahren, dass alle Beteiligten und
Verbände nie auf einen Konsens über diese große und wichtigste Bauaufgabe
der Republik hingearbeitet haben. Ein Common Sense fehlt, ein Kompromiss
ebenso. Es bleibt der Architektenwettbewerb der Gegensätze und Widersprüche
- schon darum müsste er noch einmal auf den Prüfstand.
Nicht nur deshalb herrscht Verunsicherung unter den Wettbewerbsteilnehmern
und in der Jury. Weil die Schlosshülle das Nutzungskonzept im Innern stark
begrenzt - eine fast so große Fläche wäre eigentlich wünschenswert, geht
aber nicht -, fehlen für die Unterbringung klare Konturen. Es war die Idee
der Stiftung Preußischer Kulturbesitz, die außereuropäischen Sammlungen aus
Dahlem, die "Weltkultur", im Schloss zu platzieren. Doch wie reizvoll alte
südamerikanische Kanus im Zentrum der Hauptstadt sein dürften, fragt sich
gerade nicht nur Staatsminister Bernd Neumann. Offen ist auch, wie sich die
Sammlung der Staatlichen Museen mit den weiteren Nutzern - der Zentral- und
Landesbibliothek Berlin sowie der Humboldt-Universität - arrangiert. Ist
der Raum nicht zu klein? Passt das alles zusammen? Sind diese Inhalte
repräsentativ und symbolisch genug?
Bei derartigen Asynchronitäten ist von den verbliebenen 30 von einmal 150
Teams - Tiefensee tönte einmal, es würden über 1.000 Teilnehmer - kaum
etwas zu erwarten. Hier kommt jeder Entwurf in Erklärungsnot. Denn mit ihm
fangen die Probleme erst an. Insider der Bauszene wollen erfahren haben, es
gebe Juroren, die das ganze Verfahren am liebsten "hochgehen" lassen oder
zumindest "verschieben" würden. Hat das nicht schon Chipperfield Anfang
2008 angeregt, um wieder einen freien Kopf in dem Widerstreit zu kriegen?
Was tun? Ganz egal, ob und wie der Architektenwettbewerb ausgeht, die
Finanzen, die Planung und das Konzept des Humboldt-Forums müssen noch
einmal geprüft werden. Das wäre besser, als ein schlechtes Ergebnis zu
feiern - oder gar eine Fehlentscheidung zu bauen.
27 Nov 2008
## AUTOREN
Rolf Lautenschläger
## TAGS
Hauptbahnhof Berlin
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