Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Terror-Attacke auf Bombay: Eine Stadt im Schock
> Mehr als 120 Menschen wurden bei der Anschlagsserie in der indischen
> Metropole Bombay getötet. Wer genau dahinter steckt, ist noch unklar.
> Doch es gibt einen Verdacht.
Bild: "Wer hat einen britischen oder amerikanischen Pass?" Im Hotel "Taj Mahal"…
DELHI taz Es sind Bilder wie aus einem Kriegsgebiet: Immer mehr LKWs mit
Soldaten fahren vor dem Oberoi-Trident-Luxushotel im Süden der indischen
Wirtschaftsmetropole Bombay vor. Sie tragen Stahlhelme, dicke schusssichere
Westen und Maschinengewehre. Einige von ihnen tragen sogar Raketen auf
ihren Schultern. Mitglieder der "National Security Guards" (NSG), einer
paramilitärischen Sondereinheit der Polizei, stoßen dazu. Immer noch
eingeschlossene Hotelgäste haben aus einem der oberen Zimmer ein
Transparent gehängt, auf dem steht: "Rettet uns".
Dann dringen Mitglieder der NSG in das Gebäude ein. Schüsse sind zu hören.
Manche der Scheiben des Hotel bersten aufgrund der Detonationen. NSG-Chef
Jyoti Krishan Dutt erklärt kurze Zeit später, seine Männer arbeiteten sich
von Etage zu Etage vor und suchten nach den Attentätern.
Auch aus dem Taj Mahal Hotel, dem Wahrzeichen Bombays direkt neben dem
"Gateway of India"-Denkmal am Hafen der Stadt, sind Schüsse zu hören. Immer
wieder muss die Feuerwehr Brände löschen, die in dem Gebäude ausbrechen.
Hier liefern sich Soldaten Schusswechsel mit den Attentätern, die sich in
dem Luxushotel verschanzt halten.
Vermutlich etwa zwei Dutzend jungen Männern ist es gelungen, im Finanz- und
Touristenzentrum der Stadt über 120 Menschen zu töten, mehr als 340 zu
verletzen, sich in zwei der prestigeträchtigsten Hotels der Stadt zu
verschanzen und Dutzende ausländische Geiseln zu nehmen. Unter den Toten
ist mindestens ein Deutscher.
Offenbar war ein Teil der Attentäter am Mittwochabend in Schlauchbooten von
der offenen See aus in die Stadt eingedrungen. Der Nachrichtensender Times
Now zeigte Bilder von einem Schlauchboot, das die Polizei sichergestellt
hatte. Ein Augenzeuge berichtete, rund zwei Dutzend Männer seien mit großer
Geschwindigkeit an den Strand gefahren und hätten die Boote schwer bepackt
verlassen.
Anschließend schossen sie zeitgleich an etwa zehn Orten in den Touristen-
und Geschäftsvierteln Colaba und Fort wahllos in den Menge. Vermutlich zwei
Täter drangen in den Bahnhof der Stadt ein und richteten ein Blutbad an. In
der Hauptgeschäftsstraße von Colaba schossen Attentäter in Restaurant, das
besonders gerne von Ausländern und Touristen besucht wird. Augenzeugen aus
dem Taj Mahal Hotel berichten, gut zehn Männer seien in die Lobby der
Hotels eingedrungen, hätten Mitarbeiter des Hotels erschossen und gerufen
"Wer hat einen britischen oder amerikanischen Pass?"
Eine vollkommen unbekannte Gruppe mit dem Namen "Deccan Mujaheddin"
(südindische Mudschaheddin) hat sich in E-Mails zu der Tat bekannt. Wer
hinter hinter der Gruppe steckt, ist unklar. Doch es gibt einen Verdacht.
Nachrichtensender zeigten ein Foto aus einer Überwachungskamera am
Hauptbahnhof. Zu sehen ist ein Mann Anfang 20 mit dunklem T-Shirt. In den
Händen hält er ein Maschinengewehr. Er schaut zur Seite, auf seinem Gesicht
zeichnet sich beinahe ein Lächeln ab. Augenblicke später stürmen er und
wohl ein weiterer Attentäter in das Bahnhofsgebäude und feuern in die
Menge.
Das Bild des jungen Mannes befeuert Spekulationen, die Attentäter könnten
aus dem Umfeld der verbotenen "Islamischen Studentenbewegung Indiens"
(SIMI) stammen. Die SIMI hatte sich 1977 gegründet und trat offen dafür
ein, Indien in einen islamischen Staat zu verwandeln. 2002 wurde die Gruppe
verboten. Festnahmen nach den Anschlägen in Delhi im September legten
Kontakte der mutmaßlichen Täter zu der fanatischer Vereinigung nahe.
Zwar spekulieren Medien und Politiker in Indien nach Terroranschlägen
immer, ausländische Geheimdienste und Terrorgruppen könnten hinter den
Taten stecken. Doch viel wahrscheinlicher ist es, dass die Attentäter aus
Indien selbst stammen und ihre Terrorattacken ohne Hilfe von außen geplant
und umgesetzt haben.
Denn in den vergangenen 15 Jahren hat sich ein Teil der jungen, gebildeten
Muslime Indiens radikalisiert. Die Zäsur bildete der Dezember des Jahres
1992. Damals stürmten fanatische Hindus nach monatelangen Agitationen durch
fanatische Hindu-Organisationen und hindunationalistische Politiker im
nordindischen Ayodhya eine Jahrhunderte alte Moschee und machten sie dem
Erdboden gleich.
In den darauf folgenden Tagen gingen in ganz Indien Muslime auf die
Barrikaden. Bei Zusammenstößen mit der Polizei und bei Übergriffen auf
Hindus kamen Dutzende Menschen ums Leben. Nur wenige Tage später übten
fanatische Hindus Rache: Anhänger der Shiv Sena ("Armee Schivas"), einer
extremistischen Hindupartei, töteten in Bombay geschätzt 900 Muslime und
zerstörten ganze Stadtteile. Nur wenige Wochen später, im März 1993, riss
eine Bombenserie in der gesamten Stadt mehr als 250 Menschen in Stücke.
Bombays muslimisch dominierte Unterwelt hatte Vergeltung für das Massaker
an ihren Glaubensbrüdern geübt.
2002 kam es erneut zu tagelangen Pogromen gegen Muslime, diesmal in
Ahmedabad, der größten Stadt des Bundesstaates Gujarat. Wieder schritt die
Polizei vielfach nicht ein. Geschätzte 3000 Menschen sollen dem Töten zum
Opfer gefallen sein.
In ihrem Bekennerschreiben nach den zahlreichen Bombenserien dieses Jahres
erklärten die bis dahin weitgehend unbekannten "Indischen Mudschaheddin",
die Anschläge seien eine "Vergeltung für Gujarat".
Doch die Attentate der letzten Tage könnten auch mit der Unterwelt der
Stadt in Verbindung stehen. Denn am Mittwoch, Stunden vor den tödlichen
Schüssen, wurde Abu Salem, einer der größten Mafiabosse Bombays, in Delhi
vor Gericht gestellt.
26 Nov 2008
## AUTOREN
Sascha Zastiral
## ARTIKEL ZUM THEMA
Telefonat mit Bombay: "Mein Hals schnürt sich zu"
Natalie Tenberg hat Freunde und Verwandte in Bombay. Sie hat sie nch den
Terroranschlägen sofort angerufen. Fast alle hatten Glück.
Terroranschläge in Bombay: Fünf tote Geiseln gefunden
Die Sicherheitskräfte in Bombay haben am Freitag das Jüdische Zentrum
gestürmt und fünf getötete Geiseln entdeckt. Zuvor war bereits der Tod von
vier Deutschen bestätigt worden.
Kommentar Terror in Indien: Bombay, 11/26
Der Angriff auf Fünf-Sterne-Hotels und die Geiselnahme von Hotelgästen ist
für Indien eine neue Art des Terrorismus: Das Image Indiens als sicherer
Wirtschaftsstandort soll beschädigt werden.
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.