# taz.de -- Interview: "Gegenprotest ist immer wichtig" | |
> Die jahrelange Arbeit der Mobilen Beratung gegen Rechtsextremismus zahlt | |
> sich aus, sagt MBR-Mitarbeiterin Annicka Eckel. Beim diesjährigen | |
> Aufmarsch profitierten die Lichtenberger vom Erfahrungsschatz des | |
> Nachbarbezirks. | |
Bild: Auch dieses 2010 eingeweihte Graffiti sollte zum Imagewandel des Bezirks … | |
taz: Frau Eckel, wie jedes Jahr am ersten Dezemberwochenende wollen | |
Neonazis auch an diesem Samstag marschieren . Die Mobile Beratung gegen | |
Rechtsextremismus unterstützt die Gegenmobilisierung. Läuft sich dieses | |
Ritual langsam nicht tot? | |
Annika Eckel: Ganz und gar nicht. Es ist immer wichtig zu zeigen, dass | |
diese menschenverachtenden Inhalte der Rechtsextremisten nicht hinzunehmen | |
sind. In diesem Jahr kommt hinzu, dass der Aufmarsch nicht wie in den | |
vergangenen Jahren in Treptow-Köpenick oder in Rudow stattfindet, sondern | |
in Lichtenberg. Dort befindet sich der Weitlingkiez - ein Schwer- punkt | |
rechtsextremer Aktivitäten. Umso wichtiger, dass auch Lichtenberger sich | |
zur Wehr setzen. | |
Ganz ehrlich: Wäre es nach sechs Jahren nicht mal eine Möglichkeit, den | |
Rechtsextremisten keine Aufmerksamkeit zu schenken? | |
Für mich wäre das eine Art Akzeptanz, wenn man den Aufmarsch einfach | |
ignorieren würde. Denn damit würde man die Deutungshoheit allein den | |
Rechtsextremisten überlassen. Zudem hat so ein Gegenprotest immer eine | |
lokale Bedeutung. Es gibt nicht wenige, die sich gegen rechts engagieren | |
wollen, und diesen Menschen sollte man an diesem Tag auch die Möglichkeit | |
dazu geben. | |
Womit ist zu rechnen? | |
In den ersten Jahren waren es zwischen 100 oder 200 Rechtsextremisten. | |
Letztes Jahr beim Aufmarsch in Rudow waren es 700. Das hat uns schon | |
entsetzt. In diesem Jahr hat die Mobilisierung auf rechtsextremer Seite | |
noch früher begonnen, und sie ist mit Infoständen und Plakataktionen viel | |
breiter angelegt. Keine Frage: Der Dezemberaufmarsch hat inzwischen eine | |
große Bedeutung für die rechtsextreme Szene in Berlin. | |
Und wie läuft die Gegenmobilisierung? | |
Zwiegespalten. Einerseits gibt es sehr viele Leute, die sich in dem Bündnis | |
sehr aktiv einbringen. Andererseits gibt es sehr viel Empörung. Die Polizei | |
will keinerlei Proteste in Hör- und Sichtweite der Rechtsextremen zulassen. | |
Das ist natürlich sehr ärgerlich, wenn ein gesamtes Gebiet für | |
demokratischen Protest zur Tabuzone erklärt wird. | |
Diese Haltung der Polizei ist insofern verwunderlich, weil die | |
Zusammenarbeit zwischen Bezirk, Polizei und den zivilgesellschaftlichen | |
Kräften in den vergangenen Jahren doch sehr gut funktioniert hat. | |
Die Treptow-Köpenicker waren dieses Jahr sehr gut vorbereitet. Aufgrund der | |
zahlreichen dort geplanten zivilgesellschaftlichen Proteste konnten die | |
Rechtsextremisten weder durch Treptow-Köpenick noch Neukölln marschieren. | |
Nun ist die Entscheidung aus unerklärlichen Gründen auf Lichtenberg | |
gefallen. Die genaue Polizeitaktik kenne ich nicht. Aber sie sollte | |
dringend dafür sorgen, dass die Menschen ihren Protest in Hör- und Sehweite | |
der Rechtsextremisten kundtun dürfen. | |
Seit sechs Jahren ist die Mobile Beratung gegen Rechtsextremismus im | |
Südosten von Berlin aktiv und unterstützt das Engagement der Bürger vor | |
Ort. Was hat Ihre Arbeit gebracht? | |
Wir merken, dass die Engagierten in Lichtenberg sehr froh darüber sind, | |
dass es bereits einen gewissen Erfahrungsschatz gibt. Wir leisten unseren | |
Beitrag, aber vor allem der Austausch mit Treptow-Köpenick ist sehr | |
intensiv. Sie haben in den letzten Jahren viel wichtige Erfahrung im Umgang | |
mit rechtsextremen Aufmärschen gesammelt. Davon profitieren die | |
Lichtenberger nun. Ich finde es auch ein tolles Signal, dass die | |
Zusammenarbeit bezirksübergreifend funktioniert und gemeinsam Verantwortung | |
getragen wird - egal wo dieser rechtsextreme Aufmarsch stattfindet. | |
3 Dec 2008 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
Felix Lee | |
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Lichtenberg | |
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