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# taz.de -- Nachdenken auf der Art Basel Miami Beach: Warten ist Trumpf
> Es herrscht Krisenbewusstsein auf der Art Basel Miami Beach. Aber keine
> Panik. Man genießt die Ruhe und hat endlich Zeit für Besuch beim
> Nachbarstand.
Bild: Kunst auch am Beach: Sandskulptur von Olaf Breuning auf der Art Basel Mia…
Die gute Nachricht lautet: ja, es geht noch etwas auf der Art Basel Miami
Beach, die am Mittwoch im ungewohnt kalten Florida eröffnete. Wie schon auf
der Londoner Frieze läuft zwar alles etwas langsamer, und einige Jetsetter
bleiben weg. Für trendabhängige Celebrities könnte es geradezu
rufschädigend sein, auf dem Hip-Event von gestern, der 2002 gegründeten
Messe, gesehen zu werden. Sie fehlen niemandem. Viele Stände sind
durchdachter und reduzierter, man konzentriert sich aufs Wesentliche.
Die Profis des Metiers, Sammler wie Händler, genießen sichtlich die klarere
und ruhigere Atmosphäre des Postbooms, in der plötzlich wieder Zeit zum
Nachdenken ist. Es wird wieder über Kunst gesprochen und nicht nur über
Preise. Topgaleristen wie David Zwirner, Victoria Miro oder Niklas
Logsdail, die sich für gewöhnlich nur schwer aus der Belagerung durch ihre
Kunden lösen können, nahmen sich bereits am Eröffnungstag Zeit, die Stände
der Kollegen anzusehen: So schön wars schon lang nicht mehr!
Fragt man genauer nach, so spürt man durchgängig ein Krisenbewusstsein,
das, je nach Herkunftsland der GaleristInnen, verschieden starke
Ausprägungen hat. New York und auch Los Angeles scheinen paralysiert,
London stark angeschlagen. Die USA sowie Großbritannien sind Konsumkulturen
und die Rezession äußert sich dort sofort und rigoros als Absatzkrise für
Luxusgüter, zu denen Kunst außerhalb eines gewissen Expertenkreises nun
einmal gehört.
Die kurze Karriere von Kunst als Investitionsgut auch für Laien scheint
nach den weltweit stark rückläufigen Auktionsergebnissen vorerst beendet.
Dennoch potenziert sich, wie vorher im Boom, die Krise vor allem durch die
Psychologie der Krise, die kräftig von den Medien angefeuert wird. So
berichtete der prominente Kunstkritiker Jerry Saltz schon vor Wochen, dass
seiner Einschätzung nach ungefähr 40 bis 50 New Yorker Galerien in Kürze
schließen müssten; eine haltlose Behauptung in der ein gutes Stück
Eitelkeit mitschwingt. Für das, was wirklich bevorsteht, werden ja erst
Erfahrungswerte gesammelt.
Thea Westreich, die Grande Dame des Art Consulting, seit vielen Jahrzehnten
im Geschäft, zieht unbeirrt in Miami ihre Runden, genauso wie ihr Kollege
Jack Tilton oder versierte Sammlergrößen wie der Kolumbianer Gustavo
Hernandez, die Amerikaner Danny Holz und Michael Blake und die Exilkubaner
Carlos und Rosa De La Cruz. Judy Lybke verkauft weiterhin Neo Rauch,
Contemporary Fine Arts Jonathan Meese, nur halt etwas weniger, sowie ein
großes Kaviarbild vom Galerie Neuzugang Georg Herold nach Brasilien.
Die Galerien Bärbel Grässlin und Christian Nagel mit einem
Gemeinschaftsstand verkaufen ein außergewöhnliches Selbstporträt von Martin
Kippenberger von 1992 für 1,65 Mio. Dollar und eine Arbeit von Cindy
Sherman von 1984 für immerhin 250.000 Dollar. Auch die Rubells, die ihr
Sammlungsmuseum in Miami fürs Messepublikum öffnen, werden natürlich
gesehen. Durch ihre stark marktorientierte Sammlung sind sie in den
Boomjahren berühmt geworden. Jetzt bewegen sie sich eher vorsichtig und
defensiv. Präsent und ungebrochen routiniert sind Ingvild Goetz und Michael
Rignier. Basel Miami verteilt keine VIP-Einladungen mit Hotel und
Flugkostenerstattung. Wer aus Europa anreist, kommt zum Kaufen. Viele kamen
mit geringen Erwartungen, niemand berichtet von Sensationen, aber auch von
der befürchteten Stagnation ist man weit entfernt.
Viel mehr Arbeiten als sonst sind reserviert. "Warten" ist Trumpf. Warten
auf Januar, warten auf die nächsten Konjunkturberichte, warten, bis die
Preise fallen. Am Ende wird sich zeigen, ob Schnäppchenjäger herumziehen,
um Dumpingpreise zu erhandeln. Dann muss der Berufsstand sich einig sein.
Vielleicht 10 Prozent, aber nicht mehr als 20 Prozent Rabatt, und das nur
für besonders gute Kunden, so hört man es jetzt noch als Devise. "Ein
Kunstwerk ist so viel wert, wie dafür bezahlt wird", pflegt man in den
Auktionshäusern zu sagen, dies ist historisch vielfach widerlegt. In einem
Metier, in dem eigentlich "Inventar", solange es qualitativ hochwertig ist,
mit der Zeit an Wert gewinnt, ist Ausverkauf nicht nötig.
5 Dec 2008
## AUTOREN
Saskia Draxler
## TAGS
zeitgenössische Kunst
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