# taz.de -- Brückenstreit: Die Deutsche Einheit in Darchau | |
> Eine Brücke über die Elbe soll die Gemeinden Neu Darchau und Amt Neuhaus | |
> verbinden. Geplant ist das Bauwerk seit zwölf Jahren. Doch eine Einigung | |
> der benachbarten Landkreise herbeizuführen ist fast unmöglich. Fast. | |
Bild: Als Fähre "Tanja" beim TÜV war, ging nichts mehr an der Elbe: Kein Grun… | |
Als die Entscheidung feststand, war den Beobachtern keine Floskel zu | |
pathetisch: Eine "historische Stunde" sei dies gewesen, nichts geringeres | |
als die deutsche Einheit werde damit vollendet, kommentierte Dr. Bernd | |
Althusmann (CDU), der für Lüneburg im Niedersächsischen Landtag sitzt. | |
Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) pflichtete bei: Die Entscheidung | |
bringe die Menschen auf beiden Seiten der Elbe wieder näher zusammen. | |
Immerhin: Die besagte Entscheidung drehte sich um eine Brücke. Zwischen dem | |
1.500-Einwohner-Nest Neu Darchau am westlichen Elbufer und dem Ortsteil | |
Darchau der Gemeinde Amt Neuhaus auf der östlichen Elbseite. Kostenpunkt: | |
voraussichtlich rund 40 Millionen Euro. Die aber waren das kleinere | |
Problem. Ein größeres lag in dem Umstand, dass das Gebiet von Amt Neuhaus | |
seit 1993 eine Enklave des Landkreises Lüneburg ist, Neu Darchau hingegen | |
im Kreis Lüchow-Dannenberg liegt. Während Lüneburg bei den Planungen | |
federführend war, schien Lüchow-Dannenberg die Brücke nicht zu wollen. Und | |
wehrte sich. Zwölf Jahre lang. | |
Hier, bei Flusskilometer 536, hatte es auch vor dem Zweiten Weltkrieg keine | |
Brücke gegeben. Zu DDR-Zeiten erst recht nicht: In der Flussmitte verlief | |
die Grenze, zwischen Neu Darchau im Westen und Darchau im Osten | |
patrouillierten die Boote der DDR-Grenzschützer. Drei Jahre nach dem Fall | |
der Mauer wurde Amt Neuhaus wieder - historisch gehört das Gebiet zur | |
Provinz Hannover - dem Landkreis Lüneburg zugeschlagen. Gegen das | |
Versprechen, die Enklave zeitnah mit einer Brücke an den Mutterlandkreis | |
und überhaupt das gesamte Bundesland anzubinden. | |
Fähre Tanja verbindet | |
Permanent und wetterunabhängig war bisher die einzige Verbindung die | |
Elbfähre "Tanja". Die fährt immer noch. "Über Jahre hin hat sich der | |
Kreistag von Lüchow-Dannenberg gegen eine Brücke gesperrt", sagte Lüchows | |
Landrat Jürgen Schulz (parteilos). Bis zum Äußersten: Als Lüneburg 2006 | |
eine Brücke in Eigenregie plante, klagten der Landkreis, die Gemeinde Neu | |
Darchau und mehrere Anwohner vor dem Lüneburger Verwaltungsgericht. | |
Erfolgreich: Am potenziellen Standort der Brücke träfen sich eine Kreis- | |
und eine Landesstraße, für letztere ist das Land zuständig, ein Landkreis, | |
wies das Gericht an, habe da keine Brücken zu planen. | |
Als im Frühjahr "Tanja" zum TÜV musste, ging drei Wochen lang gar nichts an | |
der Elbe: Der Weg über den Fluss führte jeweils rund 80 Kilometer weit über | |
die Brücken bei Lauenburg in Schleswig-Holstein oder Dömitz in | |
Mecklenburg-Vorpommern. Untragbar, befand Ministerpräsident Wulff. Und | |
bestellte die Landräte der Kreise Lüneburg und Lüchow-Dannenberg, Manfred | |
Nahrstedt (SPD) und Jürgen Schulz, im September in die Staatskanzlei nach | |
Hannover ein. Wulffs Angebot: Wenn sich die Kreise noch im laufenden Jahr | |
über die Brücke einigten, helfe das Land den Landkreisen bei Bau- und | |
Planungskosten mit 1,7 Millionen Euro. Rund 30 der insgesamt 40 Millionen | |
Euro finanziert Niedersachsen über das Entflechtungsgesetz aus | |
Bundesmitteln. Lüneburg trägt acht Millionen, Lüchow-Dannenberg steuert | |
700.000 Euro bei. Aber, wie Landrat Schulz, immer wieder betonte, nicht | |
einen Cent mehr: "Was die Brücke generell betrifft, sind wir ja bereit, uns | |
zu öffnen - aber nicht über das zugestandene Maß hinaus", sagte Schulz. | |
Gemeinsam arbeiteten die Landkreisspitzen ein Vertragswerk aus, das | |
weiteres Vorgehen regeln soll. "Die Atmosphäre", sagte Lüneburgs Erster | |
Kreisrat Krumböhmer, "war überaus konstruktiv". | |
Wulffs Ultimatum | |
Dann schlägt die Stimmung um: Per Pressemitteilung bezichtigt Schulz die | |
Kollegen in Lüneburg die gefundene Kompromisslinie "auf Kosten des | |
Landkreises Lüchow-Dannenberg" zu verlassen. "15 Jahre lang war es die | |
klare Aussage der Lüneburger, die Brücke komplett selbst zu finanzieren", | |
teilt Schulz mit. "Und nun diese Kehrtwendung." Diese sei besonders | |
bemerkenswert, weil bis dato schriftlich verbindliche Erklärungen des | |
Landkreises Lüneburg vorlagen. An eine entsprechende Vereinbarung könne er | |
sich nicht erinnern, sagt Krumböhmer auf Nachfrage der taz. Zumindest keine | |
schriftliche: "Richtig ist, dass mein Amtsvorgänger im Jahr 2002 angeboten | |
hatte, Lüneburg würde die kompletten Kosten tragen, wenn Lüchow-Dannenberg | |
den Plänen zustimmt." | |
Was folgte, war die Klage vor dem Verwaltungsgericht. "Und ein Vertrag | |
kommt immer dann zustande", sagt Krumböhmer, "wenn beide Vertragspartner | |
ihre Versprechen auch halten". | |
Um Wulffs Ultimatum einzuhalten, blieb nur die Kreistagssitzung vom Montag | |
dieser Woche. Erst kurz vorher einigten sich die Landräte in der Frage nach | |
den Unterhaltungskosten - und ließen die Frage per Vertrag vertagen: Fünf | |
Jahre nach der Einweihung, wenn die Gewährleistungsfrist ausläuft, muss | |
eine Einigung her - basierend auf Zählungen und Messungen, welcher | |
Landkreis die Brücke intensiver nutzt und stärker profitiert. | |
Am Freitag folgte eine weitere Mitteilung aus der Lüchow-Dannenberger | |
Kreisverwaltung: Schulz könne den Räten keine positive Beschlussempfehlung | |
ausgeben, wenn das Land ihn nicht in den Verhandlungen des Landeshaushalts | |
indirekt zwinge, die 700.000 Euro dringender für anderes aufwenden zu | |
müssen. So lange das nicht sicher sei, würde er die Entscheidung lieber auf | |
Januar vertagen - das Ultimatum für die Landesmittel wäre dann ausgelaufen, | |
das Projekt endgültig gescheitert. | |
Nur eine Empfehlung | |
"Ich weiß auch nicht, was die jetzt machen", sagte Krumböhmer. "Wir stimmen | |
jedenfalls ab." - "Wir auch", sagte Lüchow-Dannenbergs Baudirektor Jürgen | |
Weinhold später. Nach dreistündiger Debatte votieren 23 Räte für den | |
Einigungsvertrag, 15 dagegen, einer enthält sich. "Die Empfehlung des | |
Landrats war ja nur eine Empfehlung", sagte Weinhold. "Letztlich ist diese | |
Entscheidung nicht nur ein Wunsch der Bewohner von Amt Neuhaus, sondern | |
auch der Menschen in Neu Darchau." Vielleicht ist der Vergleich mit der | |
deutschen Einheit ja doch nicht so verkehrt. | |
17 Dec 2008 | |
## AUTOREN | |
Florian Zinnecker | |
## TAGS | |
Deutsche Einheit | |
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