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# taz.de -- Politik-Professor über Gaza-Angriffe: "Die Hamas ergibt sich nicht"
> Die islamische Widerstandsbewegung wird aber am Ende einer Waffenruhe
> zustimmen müssen, sagt Nadschi Schurab, Professor in Gaza-Stadt.
Bild: Schwer angeschlagen: ein Hamas-Polizeistützpunkt im Gaza-Streifen.
taz: Herr Schurab, warum wollte die Hamas die Waffenruhe mit Israel nicht
verlängern und ist stattdessen das Risiko eines israelischen Militärschlags
eingegangen?
Nadschi Schurab: Die Strategie der Hamas ist eine Verlängerung der
Waffenruhe, aber unter neuen Bedingungen. Sie will ein Ende der Blockade
des Gazastreifens und eine Öffnung aller Grenzübergänge. Das ist ihr
wichtigstes Ziel und dafür ist die Führung auch zu Opfern bereit. Wenn ihr
das Ende der Blockade gelingen würde, wäre das ein historischer Sieg für
die Organisation, von dem sie lange Zeit zehren könnte.
Das heißt, sie haben Tote und Verletzte billigend in Kauf genommen?
Jeder hier in Gaza hat eine harsche israelische Reaktion erwartet und sich
darauf vorbereitet, auch die Hamas. Doch das Ausmaß des Militärschlags war
überraschend. Die Hamas hat ihre Infrastruktur verloren, und das wird die
Organisation schwächen. Wenn sie ihren Einfluss behalten will, wird sie
letztlich einer neuen Waffenruhe zustimmen. Bis dahin wird der militärische
Flügel weiter Raketen abschießen, denn Widerstand ist ein wesentlicher Teil
ihrer Identität. Sie will auch um jeden Preis zeigen, dass die Hamas sich
nicht ergibt und die weiße Flagge hisst. Die Hamas würde sonst an
Glaubwürdigkeit verlieren.
Können Israels Angriffe ein Ende der Raketenangriffe bewirken?
Nein, dazu ist es zu einfach, die kleinen Kassam-Raketen abzuschießen. Nur
eine Waffenruhe kann den Beschuss stoppen. Das Problem ist derzeit, dass
die Hamas die Beziehung zu Ägypten gefährdet. Kairo ist bisher als
Vermittler aufgetreten und hat sowohl zu den Israelis als auch zu den
Amerikanern gute Beziehungen. Das ist sehr kritisch für die Hamas. Sie
setzen Kairo unter Druck, die Grenzen zu öffnen, ohne zu bedenken, dass
Ägypten das nicht allein entscheiden kann. Ohne eine Zustimmung von
Präsident Mahmud Abbas, den Israelis, den USA und der EU ist das gar nicht
möglich. Es gibt internationale Vereinbarungen, die nicht einfach ignoriert
werden können.
Wächst durch den israelischen Militärschlag die Unterstützung für die Hamas
unter den Palästinensern?
Ich glaube nicht, dass die Hamas derzeit Wahlen gewinnen würde. Meine
Einschätzung ist, dass sie nicht mehr als 25 bis 30 Prozent bekommen würde
und deshalb keine Wahlen will, wie Präsident Mahmud Abbas sie anstrebt.
Aber stärkt der Angriff nicht die Solidarisierung?
Ich sehe hier keine Demonstrationen gegen Israel, keine Proteste. Viele,
und nicht nur die Fatah-Unterstützer, finden, dass die Hamas
mitverantwortlich ist für das, was derzeit passiert.
Präsident Abbas hat die Hamas auch öffentlich beschuldigt, mit der
Aufkündigung der Waffenruhe den israelischen Militärschlag provoziert zu
haben. Nimmt man ihm das in Gaza übel?
Abbas wollte mit seinen Äußerungen der Öffentlichkeit klar machen, dass er
alles versucht hat, um die Hamas von der Konfrontation abzuhalten. Aber er
hat keine Macht über den Gazastreifen und wollte sich dafür rechtfertigen,
dass er die israelische Aggression nicht verhindern konnte.
Wollen die Menschen Vergeltung?
Ich sicher nicht, ich bin gegen Gewalt und Terror. Ich will eine Zukunft
für meine Kinder. Ich glaube, dass die Mehrheit hier das genauso sieht. Wir
wollen Verhandlungen und Frieden. Das Problem liegt bei Israel. Die
Regierung dort gibt in den jüngsten Verhandlungen Präsident Abbas nichts,
was ihn stützt. Das stärkt die extremistischen Gruppen.
Kann die israelische Militäroperation zu einem Zusammenbruch der
Hamas-Regierung führen und damit erneut zu Chaos und Anarchie?
Die Hamas hat Rückschläge erlitten. Die Regierung funktioniert derzeit
nicht richtig. Aber die Hamas-Milizen füllen das Vakuum. Sie haben den
Gazastreifen unter Kontrolle.
Bieten die Attacken auf die Hamas auch die Chance für eine Rückkehr der
Fatah an die Macht?
Die Fatah spielt keine Rolle in Gaza.
30 Dec 2008
## AUTOREN
Silke Mertins
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