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# taz.de -- Globale Wirtschaftskrise: Kongos Bergbau kommt zum Stillstand
> In der Demokratischen Republik Kongo haben die meisten Mineralienfirmen
> dichtgemacht, Hunderttausende Menschen haben ihren Lebensunterhalt
> verloren. Es drohen verbreitet Unruhen.
Bild: Polizisten entfernen im Dezember eine Blockade in Kinshasa. Die Proteste …
BRÜSSEL taz Die Demokratische Republik Kongo steckt in der schwersten Krise
seit den Wahlen vor zwei Jahren - und das liegt nicht nur am Krieg. Der
Bergbau, auf den die Regierung des zerstörten Landes mit 60 Millionen
Einwohnern ihre Hoffnungen gründet, droht der globalen Wirtschaftskrise zum
Opfer zu fallen.
In Kongos Südprovinz Katanga, wo sich einige der lukrativsten
Mineralienvorkommen der Welt befinden, haben drei Viertel der Bergbaufirmen
dichtgemacht, berichtet der belgische Ökonom Jan Gorus. Darunter seien fast
alle privaten chinesischen Handelsfirmen der Provinz, bisher die
wichtigsten Aufkäufer der von Hand geschürften Kupfer- und Kobalterze
Katangas. Meist verschwanden sie über Nacht, hinterließen leere
Lagerstätten und unbezahlte Rechnungen. Nun können die meisten der rund
200.000 artisanalen Schürfer Katangas ihre Produktion nicht mehr loswerden,
nicht einmal zum Zehntel des früheren Preises. In den letzten Jahren hat
die Vergabe großer Bergbaukonzessionen an internationale Investoren bereits
zur Vertreibung vieler lokaler Bergleute geführt - nun werden auch die
verbleibenden ruiniert.
Die gesamte Wirtschaft in Katanga kommt nun zum Stillstand, denn jeder
Bergarbeiter ernährt mindestens zehn nahe und entfernte Verwandte. "Alles,
was in den letzten zwei Jahren um die Bergbauindustrie herum entstanden
war, bricht zusammen" sagt Hubert Tshiswaka, örtlicher Programmleiter der
südafrikanischen "Open Society Initiative for Southern Africa". Er stammt
aus Katangas Hauptstadt Lubumbashi.
Auch die großen internationalen Bergbaukonzerne sind betroffen. Tshiswaka
meint, dass im formellen Sektor Katangas 30.000 Arbeitsplätze
verlorengegangen sind. Katangas Kupferexporte sind seit Jahresbeginn um 70
Prozent gesunken, sagt der Minenminister der Provinz, Barthélémy Mumba
Gama.
Die belgische Forrest-Gruppe hat bereits die Mine Luiswishi geschlossen,
allerdings ohne die Belegschaft zu entlassen. Forrest, seit der
Kolonialzeit in Katanga präsent, betreibt viel Erschließungsarbeit für
andere Investoren, die jetzt aus Mangel an Finanzierung wegfällt. Der
Börsenwert der Forrest-Firma "Katanga Mining" ist um 98 Prozent gefallen,
eine Übernahme durch die Schweizer Handelsfirma Glencore, größter Abnehmer
der Erze der Firma und ihr größter Gläubiger, steht angeblich kurz bevor.
Der größte Rivale von Katanga Mining, die britische "Central Africa Mining
and Exploration Company" (Camec) hat 90 Prozent ihres Börsenwerts verloren
und setzt vorläufig alle Bergbauaktivitäten in der Provinz aus.
Nicht nur Katanga steckt in der Krise, sondern auch Kongos Diamantenrevier
in den beiden Kasai-Provinzen im Zentrum des Landes. Diamanten sind bislang
Kongos größter Devisenbringer und erwirtschaften über die Hälfte von Kongos
Exporteinnahmen. Über eine Million Schürfer graben in den
Diamantengebieten. Viele Gruben sind jetzt geschlossen, weil die örtlichen
Handelskontore dichtgemacht haben, sagt Ost-Kasais Minenminister Athanase
Muamba Kakamba Molume.
Provinzgouverneur Alphonse Ngoy Kasanji, selbst ehemaliger
Diamantenhändler, ruft nun die Bevölkerung dazu auf, in die Landwirtschaft
zu gehen. "Aber wie sollen sie Agrarprodukte verkaufen, wenn niemand Geld
hat?", fragt er skeptisch.
Ost-Kasais Provinzhauptstadt Mbuji-Mayi ist mit drei Millionen Einwohnern
die zweitgrößte Stadt des Kongo und ohnehin tief in der Krise, weil der
größte örtliche Arbeitgeber, die staatliche Diamantenfirma MIBA (Minière du
Bakwanga), längst pleite ist - Opfer von staatlicher Ausplünderung. In den
letzten vier Jahren ist die MIBA-Diamantenförderung von 7,3 Millionen auf
eine Million Karat gesunken. Im Oktober trat die 5.000-köpfige Belegschaft
in den Streik, um die Zahlung von 20 ausstehenden Monatsgehältern zu
erzwingen.
Weil in ganz Kongo einstige Bürgerkriegskämpfer oder demobilisierte
Soldaten in die Bergwerke gezogen sind, wird nun verbreitete Unsicherheit
befürchtet. "Kurzfristig rechnen wir mit sozialen Spannungen und
zunehmender Kriminalität", sagt Hubert Tshiswaka. In den jüngsten Wochen
wurden mehrmals bewaffnete Raubüberfälle aus der Millionenstadt Lubumbashi
gemeldet, bevorzugt auf Libanesen und Chinesen.
Ein anderes Risiko ist eine erneute Welle ethnischer Pogrome. Anfang der
90er-Jahre wurden aus Katangas Minen Hunderttausende Wanderarbeiter
vertrieben, die einst aus Kasai dorthin gezogen waren. Der für diese
"ethnischen Säuberungen" verantwortliche Provinzgouverneur Gabriel Kyungu
wa Kumwanza ist heute Katangas Parlamentspräsident. FRANÇOIS MISSER
1 Jan 2009
## AUTOREN
François Misser
## TAGS
Schwerpunkt Demokratische Republik Kongo
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