# taz.de -- Geheimnisse der Schaumgeborenen: Auf den Spuren der Aphrodite | |
> Der Südwesten Zyperns bietet mehr als nur Badestrand und Bettenburgen: | |
> Archäologische Ausgrabungen lassen tief in die Geschichte blicken | |
Bild: Aphrodite-Felsen. Hier soll die "Schaumgeborene" an Land gestiegen sein | |
"Nach den sich über viele Morgen Landes erstreckenden Schutthügeln zu | |
urtheilen, muß diese Stadt eine Bevölkerung von 20.000 bis 25.000 Seelen | |
gehabt haben. Die Veranstaltung von Ausgrabungen daselbst in einem | |
zweckdienlichen Maßstabe würde meine Mittel weit überstiegen haben." | |
Lois Palma di Cesnola, damals amerikanischer Konsul im zypriotischen | |
Larnaka, hat sich Ende des 19. Jahrhunderts quer durch die Insel gegraben. | |
Der größte Raubgräber der zypriotischen Geschichte, dessen Funde heute | |
unter anderem das New Yorker Metropolitan Museum of Art schmücken, war bar | |
jeglicher archäologischen Ausbildung. Er raffte - wie damals durchaus | |
üblich - zusammen, was er bekommen konnte, egal ob aus phönizischen Gräbern | |
oder griechischen Katakomben. | |
Doch vor den Überresten der Stadt Paphos musste er kapitulieren. Erst rund | |
einhundert Jahre später ist es Altertumsforschern gelungen, die Schätze von | |
Paphos zu heben. Nur wenige Meter von der Touristenmeile des Fischerhafens | |
entfernt befindet sich der Eingang zum archäologischen Park der Stadt: | |
Dahinter erstreckt sich ein riesiges, nahezu schattenloses Gelände voller | |
vertrockneter Disteln und Gräser. Doch zwischen der Natur liegt die | |
Geschichte mehrerer Jahrhunderte aufgeblättert. | |
Vieles mag für den Laien undurchsichtig sein, so wie die immer noch | |
laufenden Grabungen an römischen Villen, von denen oft nur noch die | |
Fußböden mit ihren ausgeklügelten Heizungen und einige Mauern erhalten | |
sind. Da verlaufen die Mauern in scheinbar wilder Unregelmäßigkeit. Es | |
bedarf schon eines gewissen Einfühlungsvermögens, um sich hier | |
vorzustellen, wie die wohlhabenden Mitglieder der Oberschicht in den | |
Wohnräumen dinierten, sich in Warmbädern erholten und die Sklaven in den | |
Küchen zauberhafte Speisen kreierten. | |
Doch staunend steht auch der Tumbeste in den aus konservatorischen Gründen | |
überdachten Gebäuden wie dem "Haus des Dionysos": Feinste Mosaike aus dem | |
2. bis zum 4. Jahrhundert n. Chr. bedecken den Fußboden dieser Riesenvilla | |
mit einstmals 2.000 Quadratmeter Wohnfläche samt einem eigenen Fischteich. | |
Die griechische Götterwelt liegt dem Besucher, der auf hölzernen Galerien | |
über den Bildern wandert, buchstäblich zu Füßen. Natürlich findet sich | |
Dionysos, der Weingott; Ikarios ist mit einem Wagen voller Weinschläuche zu | |
sehen. Poseidon trifft die schöne Amymone, und Eros schwebt zu ihnen herab. | |
Narziss betrachtet sein Spiegelbild im Wasser. | |
Gleich drei dieser neuzeitlich überdachten Villen stehen zur Besichtigung | |
frei, ihre Namen allerdings sind mangels historischer Quellen frei | |
erfunden. Wer will, kann danach die Reste der Stadtmauer besichtigen oder | |
die wenigen Meter zum Odeion hinüberlaufen und sich auf einer der | |
Sitzreihen niederlassen - dort, wo einmal Platz für 3.000 Zuschauer war. | |
Wirklich ausgegraben ist das antike Paphos bis heute nicht. Allenthalben | |
werden innerhalb des archäologischen Parks neue Entdeckungen gemacht. Und | |
außerhalb, unter dem Parkplatz, wo die bildungshungrigen Touristen ihre | |
Fahrzeuge abstellen, liegt der antike Hafen der Stadt verborgen. Niemand | |
weiß, was dort noch wartet. | |
Wenige Kilometer weiter nordöstlich liegen die ältesten | |
Hinterlassenschaften von Paphos: die sogenannten Königsgräber. Lois Palma | |
di Cesnola, der Raubgräber des 19. Jahrhunderts, notierte: "Einige sind nur | |
für einen Leichnam berechnet, während andere für zwanzig oder mehr | |
ausreichen. Ich ließ den Schutt aus einem der größten entfernen und fand, | |
dass es ein oblonger Bau war, mit einem Atrium, das durch drei roh aus dem | |
Kalkstein gehauene, monolithische Säulen gestützt wurde, vor dem sich ein | |
Vorhof befand." | |
Für Cesnola waren die Grabkammern uninteressant, es fanden sich dort keine | |
wertvollen Beigaben. Den Schutt haben zwischenzeitlich andere beiseite | |
geräumt, auch wurden manche der Kammern, die sich als gewaltige Löcher in | |
dem karstigen Felsgestein herausstellen, deutlich restauriert. Vor rund | |
2.300 Jahren waren die Gräber freilich überdacht, doch das Holz hat der | |
Zeit natürlich nicht standgehalten. Könige waren in den "Königsgräbern" | |
nicht beigesetzt, hier ruhten die Vornehmen der griechischen Oberschicht. | |
Die Grabungsfunde von Paphos umfassen nur einen kleinen Teil der | |
zerklüfteten Geschichte Zyperns - die Stadt ist verglichen mit anderen | |
geradezu neu. Erst im 4. Jahrhundert v. Chr. ließ sie der König eines von | |
etwa zehn Stadtkönigtümern, Nikokleus, anlegen. Wer, angesteckt vom | |
archäologischen Fieber, tiefer in die Geschichte klettern möchte, muss sich | |
gute 20 Kilometer weiter südlich entlang der Küste zum Dorf Kouklia | |
begeben. Hier lag Alt-Paphos, die Vorgängerin der Stadt, mit ihrem | |
Aphrodite-Heiligtum, das Menschen im ganzen Ostmittelmeerraum anzog. | |
Der Ort wurde schon vor 5.000 Jahren vom Menschen besiedelt. Die | |
Fruchtbarkeitsgöttin wurde schon vor etwa 3.000 Jahren verehrt. Vor mehr | |
als 2.000 Jahren war das heutige Dörfchen Kouklia - erbaut aus den Steinen | |
des Heiligtums - eine Pilgerstätte, in der die Priester eine seltsam | |
anmutende Art von Prostitution zelebrierten. Frauen mussten sich, einmal | |
dort angelangt, jedem hingeben, der sie begehrte. Die Priester kassierten | |
dafür von den Männern ab. Wer mehr wissen möchte, kann das alles bei | |
Herodot nachlesen. | |
Als Aphrodite verehrt wurde anfangs offenbar nicht eine kunstvolle Statue, | |
wie sie etwa die Römer schufen, sondern ein schlichter schwarzer Monolith. | |
Im Museum von Kouklia, untergebracht in einer fränkischen Festung aus dem | |
15. Jahrhundert, ist der Stein neben vielen weiteren Grabungsfunden | |
ausgestellt. Zu sehen ist dort auch ein großer steinerner Sarkophag, | |
geschmückt mit homerischen Szenen. Da sind die Pferde Homers abgebildet, | |
oder das Bild, in der die Gefolgsmänner Odysseus, verborgen unter den | |
Bäuchen von Schafen, dem Zyklopen entfliehen. Die Sensation: Die Farbe auf | |
dem Sarg hat sich bis heute erhalten. Erst vor kurzem hat man das Stück | |
nahe Kouklia entdeckt. | |
Draußen, vor dem Museum, erblickt der Besucher eine relativ ebene Fläche | |
mit einigen dicken Mauern, wenigen Mosaiken, gewaltigen Steinplatten als | |
Bodenbelag - viel mehr ist vom Aphrodite-Heiligtum nicht übrig geblieben. | |
Doch so sehr angesichts der wenigen Überbleibsel die Fantasie gefragt ist: | |
Das erscheint immer noch besser als eine von Flutlicht beleuchtete | |
Rekonstruktion nebst Verkaufsbuden, in der die Kunststoff-Aphroditen auf | |
Käufer warten. Anderswo gibt es das alles. Alt-Paphos ist still geblieben, | |
zum Glück. | |
Auch Lois Palma di Cesnola hat hier gegraben, doch es scheint, als wäre er | |
in Paphos und Umgebung vom Glück verlassen worden: "Ich beaufsichtigte 1869 | |
mehrere Monate lang Ausgrabungen daselbst mit zwanzig Mann, ohne jedoch | |
etwas von Wichtigkeit zu entdecken. Ich wiederholte den Versuch mit einer | |
größeren Zahl von Arbeitern, aber mit keinem günstigeren Erfolg", schreibt | |
er. | |
Aphrodite hier, Aphrodite dort: Ein paar Kilometer südlich von Kouklia | |
ragen einige schroffe Felsen ins Meer. Hier soll Aphrodite einst an Land | |
gestiegen sein. Der Zeugungsakt war aufregend, jedoch wenig lustvoll: | |
Kronos nämlich kastrierte seinen Vater Uranos mit einer Sichel. Aus der | |
Verbindung des Penis mit dem Schaum des Mittelmeeres entstand Aphrodite - | |
die Schaumgeborene. | |
Wiederum 40 Kilometer nördlich des neuzeitlichen Paphos liegt, dank der | |
reichlichen Touristenströme längst nicht mehr versteckt, ein kleiner | |
Süßwasserteich - gespeist von den darüber liegenden Quellen. Ständig tropft | |
Wasser herab, Schlingpflanzen umgeben den dunklen Tümpel. Hier erblickte | |
Akamas, der Sohn des Theseus, das Spiegelbild der badenden Aphrodite. Doch | |
die Liebe wurde verraten, Aphrodite musste zu ihrem Göttergatten | |
zurückkehren. | |
Sicher ist: Das Gebirge, das sich von den "Bädern der Aphrodite" bis nach | |
Paphos erstreckt, heißt Akamas. Nicht ganz so erwiesen dagegen: Wer von dem | |
Wasser kostet, wird sich hoffnungslos verlieben. | |
Direkt neben den Resten des Aphrodite-Heiligtums von Alt-Paphos steht eine | |
kleine griechisch-orthodoxe Kirche aus dem Mittelalter, Katholiki genannt. | |
Im 4. Jahrhundert n. Chr. haben die Christen den Aphrodite-Kult verboten. | |
Es hat nichts geholfen: Noch heute beten Frauen in dem Gotteshaus von | |
Kouklia, wenn sich Kindersegen nicht einstellen mag. | |
Die Zitate von Lois di Cesnola stammen aus seinem Buch: "Cypern, seine | |
alten Städte, Gräber und Tempel", Jena 1879. Die Reise des Autors wurde | |
unterstützt von der zypriotischen Zentrale für Fremdenverkehr. | |
7 Jan 2009 | |
## AUTOREN | |
Klaus Hillenbrand | |
## TAGS | |
Reiseland Zypern | |
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