# taz.de -- Verschmähte Mobiltelefon-Funktionen: Vom Handy überfordert | |
> Eine Umfrage unter britischen und amerikanischen Handy-Besitzern hat | |
> ergeben, dass die wenigsten Nutzer alle Funktionen ihres neuen | |
> Mobiltelefons auch wirklich nutzen. | |
Bild: Sprechen statt surfen: Viele Handybesitzer verzichten darauf, das volle P… | |
Kein elektronisches Gerät hat in den letzten zehn Jahren einen derartigen | |
Siegeszug hinter sich wie das Mobiltelefon. Die tragbaren Geräte sind | |
inzwischen vollgepackt mit Elektronik - und sind heute mehr | |
Hochleistungsrechner als reines Telefon: Eingebaute Kameras machen Fotos | |
oder Videos, das Mikrofon nimmt Sprachnachrichten an, mit dem Browser kann | |
auch unterwegs das Internet genutzt werden, dank E-Mail-Software bleibt man | |
ständig mit dem Büro in Kontakt. Die Frage bei alledem ist einzig: Nutzen | |
die Durchschnittsverbraucher wirklich all diese Funktionen? Eine Umfrage | |
des Beratungsunternehmens Mformation unter Mobilfunknutzern in den USA und | |
Großbritannien kommt nun zu einem eindeutigen Ergebnis: Nein. Tatsächlich | |
zeigten sich die 4000 repräsentativ ausgewählten Befragten äußerst | |
unzufrieden mit der Bedienbarkeit moderner Handys. Sie neigten deshalb noch | |
immer stark dazu, Handy vornehmlich zum telefonieren zu nutzen, weil | |
neuartige Internet-Anwendungen ihnen zu komplex erschienen. Zu den größten | |
Problembereichen zählt laut der Untersuchung der Einrichtungsprozess eines | |
Neugeräts. Was eigentlich Freude bringen sollte, nämlich das Auspacken | |
eines nagelneuen Gadgets, entwickelt sich erstaunlich häufig zum Albtraum. | |
Ganze 85 Prozent der Befragten gaben an, sie seien frustriert von den | |
Schwierigkeiten, ihr frisch gekauftes Gerät einzurichten und in Betrieb zu | |
nehmen. 61 Prozent glaubt gar, der Vorgang sei eine fast so große | |
Herausforderung wie der Wechsel der Hausbank, ein in den USA und | |
Großbritannien äußert langwieriger Prozess. Nicht, dass die Handy-Kunden | |
ihre Geräte nicht verwenden wollten: 95 Prozent gaben an, dass sie neue | |
Dienste und Technologien in ihrem Gerät ausprobieren würden, wenn sie nur | |
einfacher zu bedienen und zu starten wären. "Wenn eine Anwendung nicht beim | |
ersten oder zweiten Mal funktioniert, wird sie nicht verwendet oder noch | |
einmal ausprobiert", heißt es in der Untersuchung. Die vielen Tücken bei | |
der Neueinrichtung von Handys führen inzwischen dazu, dass die Industrie | |
mit speziellen Dienstleistungsangeboten eingreift. Einige | |
Mobilfunkfachhändler bieten seit einiger Zeit für frustrierte Kunden | |
Wechselservices an, bei denen man sein altes Handy in den Laden mitbringt | |
und ein Mitarbeiter die Daten mit Hilfe eines Speicherauslesers auf das | |
noch leere Neugerät überträgt. Allerdings ist das nicht unbedingt | |
kostenlos: So verlangt etwa die Firma E-Plus, die den Dienst seit kurzem in | |
gut 100 ihrer Shops anbietet, dafür 6 Euro. Dafür wird allerdings nur das | |
Telefonbuch übertragen. Zuvor gespeicherte SMS, E-Mails, Bilder oder Videos | |
lassen sich nicht mitnehmen, da letzteres technisch komplexer zu sein | |
scheint. Die Mobilfunkhersteller müssen aufpassen, dass sie durch schlecht | |
bedienbare Handys keine Kunden verlieren. In die Marktlücke, die die nur | |
schwer nutzbaren Geräte lassen, springen Neueinsteiger wie Apple mit seinem | |
nicht ganz preiswerten iPhone, die explizit auf leichte Nutzbarkeit setzen. | |
Der Computerkonzern, der in Sachen Usability mit seinen Rechnern und | |
Betriebssystemen einen guten Ruf hat, schaffte es dann auch tatsächlich, | |
dass überdurchschnittlich viele Funktionen seines Mobiltelefons von den | |
Nutzern auch wirklich verwendet regelmäßig werden, wie Umfragen im | |
vergangenen Jahr ergaben. Das könnte allerdings durchaus auch daran liegen, | |
dass das iPhone derzeit noch nicht in breiten Bevölkerungsschichten | |
verbreitet ist, sondern vor allem als Statussymbol technikbegeisterten | |
Gadget-Jäger dient. Allerdings sind auch iPhone-Nutzer von | |
Benutzbarkeitstücken nicht gefeit: So nervt an dem Handy beispielsweise die | |
automatische Tippfehlerkorrektur und auch die Einrichtung von | |
E-Mail-Zugängen klappte anfangs nicht immer (ein Software-Update behob | |
dies). Zudem ergießt sich auf das iPhone inzwischen über den Online-Laden | |
"App Store" eine Flut von Zusatzprogrammen mit den unterschiedlichsten | |
Bedienkonzepten, die Apple nur oberflächlich kontrollieren kann. Wer einmal | |
in den Downlaod-Rausch bei solchen Anwendungen und Spielen gerät, endet | |
ebenfalls mit einem Handy, das voll mit Funktionen und Programmen ist, die | |
nicht verwendet oder überhaupt gekannt werden. Immerhin kann man solche | |
Software aber mit einem Klick wieder löschen. Das gilt für schlecht | |
programmierte Handy-Betriebssysteme leider nicht. | |
19 Jan 2009 | |
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Fotografie | |
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