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# taz.de -- US-Publizist Dave Zirin über den Sport: "Der sportlich-industriell…
> Der Zugang zum Sport in den USA ist eingeschränkt, sagt der linke
> US-Sportpublizist Dave Zirin. Der Sport ist heute global und er verfügt
> über sehr viel Macht.
Bild: Cheerleader gehören in den USA zum Pflichtprogramm bei Sportveranstaltun…
taz: Herr Zirin, in Europa gibt es viel Kritik an der Amerikanisierung des
Sports: Cheerleader, Clapping Machines. Showeffekte. Hassen Sie so etwas
auch?
Dave Zirin: Nein. Der Hauptpunkt, den ich am gegenwärtigen Sport
kritisiere, ist, dass der Zugang zu ihm eingeschränkt ist. Es ist die ganz
einfache Frage: Wer kann, wer darf Sport treiben? In Amerika sind die
Sportprogramme der öffentlichen Hand massiv gestrichen worden. Es ist so,
dass die USA ein bestimmtes ökonomisches Modell exportieren, auch nach
Europa, das sich unter anderem darin zeigt, dass viele öffentliche Dienste
privatisiert werden. Der Sport fällt unmittelbar darunter.
Eine traditionell linke Kritik in Europa lautet: Sport ist Ablenkung vom
Klassenkampf. Kennen Sie das?
Das greift zu kurz. Sport ist ein wichtiger Teil der menschlichen
Gesellschaft. Und man muss doch erst mal verstehen, welche Rolle Sport hier
spielt. Man muss sich fragen, warum Menschen den Sport so sehr mögen.
Warum lieben sie ihn?
Der Sport vermittelt eine bessere, solidarischere Form des menschlichen
Umgangs. Daran ist ja nichts falsch. Sport sorgt auch für eine bestimmte
Art, sich zu unterhalten. Wenn man über Sport spricht, sind das auch immer
Gespräche über die Welt. Wie politisch Gespräche über Sport sind, merkt
man, wenn Olympische Spiele anstehen oder eine Weltmeisterschaft.
In Ihrem jüngsten Buch verwenden Sie den Begriff des
"sportlich-industriellen Komplexes". Ist das nicht ein bisschen zu hoch
gegriffen?
Der Sport ist global, er verfügt nachweisbar über viel Macht. Und der Sport
wird exportiert, einerseits als Teil des ökonomischen Modells, andererseits
werden hier aber auch Werte vermittelt, politische Ideen. Und es gibt eine
am Sport hängende Industrie: die Sportartikelindustrie. Nicht zuletzt
spielt Sport eine enorm große Rolle im Alltagsleben. Das gehört alles zum
sportlich-industriellen Komplex.
Doping, Kommerzialisierung, politische Instrumentalisierung - ist der Sport
gefährdet?
Die Hauptgefahr für den modernen Sport geht von der aktuellen ökonomischen
Krise aus. Während der Jahre des Booms hat sich der Sport sehr verändert:
Die Ticketpreise sind hochgegangen, ganze Bevölkerungsschichten sind aus
dem Sport herausgedrängt worden, im Baseball etwa wurden Nachwuchsprogramme
gestrichen, weil sich die Klubbesitzer bei jungen, talentierten Spielern
aus Lateinamerika bedienten. Es wäre gut, wenn über solche Auswirkungen der
Globalisierung auf den Sport ernsthaft diskutiert würde.
Berühmte Sportler sind in der Regel reich. Korrumpiert das Geld sie?
Nein. In Europa gibt es viele Fußballprofis , die sich gegen Rassismus
aussprechen. Damit sprechen sie ein politisches Thema an. Dass Sportler
meist nur über Sport sprechen und nicht über Politik, liegt doch daran,
dass sie nur diese Plattform haben. Sie werden nur zu Sport befragt, aber
selbstverständlich sprechen sie dann auch über Politik. Man muss ihnen nur
genau zuhören, um es herauszufinden.
Ist das der Sportlerwiderstand, die athletic resistance, von der Sie
sprechen?
Was ich gerade beschrieben habe, ist das kulturelle Kapital eines
Sportlers. Das nutzt er, wenn er sich äußert. Große Sportler kommen oft aus
der Arbeiterklasse und aus armen Verhältnissen. Und sie haben nur eine
begrenzte Zeit ihres Lebens, groß herauszukommen. Daher ist ihnen die
Bedeutung des Sports bewusst. Und daher merken sie auch sehr genau, viel
genauer als andere, wenn es Schranken gibt, die sie daran hindern, sich
voll zu entwickeln. Zum Beispiel Rassismus.
Haben schwarze Sporthelden wie Muhammad Ali, Michael Jordan oder Tiger
Woods Barack Obama den Weg bereitet?
Obama hat über seinem Schreibtisch ein Poster von Ali hängen. Also
zumindest sieht er selbst sich in dieser Tradition. Tiger Woods und Michael
Jordan sind jedoch andere Sportlertypen. Deren Ziel ist und war es immer,
in einem kurzen Zeitraum viel Geld zu verdienen. Beide haben sich nie als
politische Sportler verstanden. Es ist ein sehr großer Unterschied, ob
Amerika Afroamerikaner als Sporthelden akzeptiert oder ob es einen
Afroamerikaner als politischen Führer akzeptiert.
19 Jan 2009
## AUTOREN
Martin Krauss
## TAGS
Football
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