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# taz.de -- Lorielle London im Dschungelcamp: A chick with a dick
> Im Dschungelcamp werden die Regeln des Miteinanders außer Kraft gesetzt
> und Außenseiter rücken in den Mittelpunkt. Allen voran: Die Transsexuelle
> Lorielle London.
Bild: Lorielle London ehemals Lorenzo: Goldesel des Dschungelcamps.
Dass die RTL-Show "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!" auch in der
vierten Staffel mit den immergleichen Stereotypen besetzt ist, hat
mittlerweile auch der letzte Depp verstanden. Immer die gleichen
liebenswert-verwirrten Kandidaten und Kandidatinnen wie Bata Illic oder
Ingrid van Bergen, Intrigantinnen wie Caroline Beil oder Désirée Nick,
echte Kerle wie Costa Cordalis oder Eike Immel und hysterische Bübchen wie
Daniel Küblböck und Ross Antony.
In der laufenden Sendung gibt es Lorielle London. Das 25-jährige
Gesamtkunstwerk kreischt, heult, tratscht und ist somit die konsequente
Fortsetzung des Projekts Kübelböck/Antony. Die transsexuelle London,
ehemals Lory Glory, ehemals Lorenzo aus "Deutschland sucht den Superstar",
ist ein Freak im klassischen Sinne, eine Jahrmarktfigur, die man für
kleines Geld begaffen, beschimpfen und - das Televoting machts möglich -
direkt bestrafen kann. Direkt am zweiten Tag ließen die Zuschauer und
Zuschauerinnen sie per Telefonabstimmung auch prompt Insekten, lebende
Würmer und ähnlich Ekelerregendes verzehren.
Auf den ersten Blick nichts Neues, das kennen wir schon zur Genüge aus den
vergangenen Jahren. Während es bei Küblböck nur zur Drittplatzierung
reichte, schaffte es sein Nachfolger Ross Antony bis zum Dschungelkönig.
Das Publikum schien die tapferen wie femininen Briten zu bewundern.
Meriten, die ihm auf der Straße, außerhalb der Sicherheit einer
Fernsehshow, vermutlich die wenigsten Zuschauer und Zuschauerinnen zukommen
lassen würden. Mit einer Transsexuellen im Dschungel geht RTL nun einen
entscheidenden Schritt weiter.
Michel Foucault entwickelte 1966 die Idee der Heterotopie als einer Art
Gegenraum, in dem die Regeln des Miteinanders ausgelöscht, ersetzt oder
neutralisiert würden. Jede Gesellschaft habe solche Orte, so Foucault, an
denen die Existenz der Anormalen die Normativität der Außenwelt bestätige.
Travestieshows sind solche Heterotopien. Der Travestiekünstler an sich ist
eine Bedrohung der weißen, männlichen, heterosexuellen Welt. Er ist nicht
nur Grenzgänger zwischen Mann und Frau, sondern bewegt sich häufig auch
durch Herkunft und Hautfarbe zwischen den Welten. Doch der weiße,
heterosexuelle Mann nimmt die scheinbare Infragestellung der durch ihn
getragenen Ordnung in Kauf, um nach der Show, bestärkt in seiner eigenen
Konformität, wieder in die Heteronormativität zurückzukehren.
Nun ist RTL nicht das "Chez Nous" und Lorielle London keine
Travestiekünstlerin, sondern transsexuell, dennoch gibt es Parallelen. Der
abweichende Körper der "Supertranse", wie sie in der Bild genannt wird,
steht kontinuierlich im Mittelpunkt der Show. Nicht zufällig wählte der
Sender eine Transsexuelle, die ihren Weg noch nicht bis zum Schluss
gegangen ist und der man das auch ansieht. Gleich zu Beginn erläuterte
Lorielle, was sie bislang alles habe machen lassen. Gesicht, Busen, Hintern
- viel sei schon fertig, aber eben noch nicht alles, erklärte sie mit einem
verschmitzten Lächeln. Das lässt keine Fragen offen. ER ist noch dran!
Lorielles Anwesenheit im australischen Busch weckt bei Zuschauern und
Zuschauerinnen die Hoffnung, dass der "final cut" im Zusammenhang mit dem
Preisgeld als Gewinn stehen könnte und dass dieser Vorgang, wie Lorielles
bisherige Operationen, live im Fernsehen zu sehen sein wird.
Bis dahin wird der mutierte Körper ununterbrochen betrachtet, befühlt,
begutachtet und mehr oder weniger subtil immer wieder darauf hingewiesen,
dass die Metamorphose noch nicht abgeschlossen sei. Mal wird sie von einem
raubeinigen Ranger auf Schmuggelware abgetastet, mal fragt Mitkandidatin
Gundis Zámbó, ob die Implantate denn oberhalb oder unterhalb des Muskels
eingesetzt seien. Abgesehen davon, dass Mitkandidat Nico Schwanz mit einem
weniger eindeutigen Nachnamen vermutlich sehr viel geringere Chancen auf
eine Teilnahme gehabt hätte und diverse Kandidaten beim Baden ständig mit
ihren Dödeln in die Kamera winken, ist der "Penis Colada" bei Lorielles
zweiter Ekelprüfung mit dem haarigen Geschlechtsteil eines Kängurus
garniert. Damit auch der letzte Depp versteht: Diese Frau ist nicht, was
sie zu sein scheint!
Lorielle London ist der Goldesel der Sendung, ohne sie würde die Quote
vermutlich schnell sinken. Ihren Penis werden die Zuschauer und
Zuschauerinnen im Format Dschungelcamp aber wohl kaum zu sehen bekommen,
das wäre wohl selbst RTL zu heikel. Denn ohne Höschen würde allzu schnell
klar, was diese Frau eigentlich ist - ein Mädchen mit einem männlichen
Geschlechtsorgan. A chick with a dick, nichts weiter.
22 Jan 2009
## AUTOREN
Johannes J. Arens
## TAGS
Schlager
Bild-Zeitung
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