# taz.de -- Erik Zabel tritt ab: Sein allerallerallerletzter Auftritt | |
> Zum Karriereende dreht Erik Zabel erstmals Runden beim Berliner | |
> Sechstagerennen. Am dritten Wettkampftag übernimmt er mit seinem Partner | |
> die Führung. Die Fans feiern den Lokalmatador. | |
Bild: Zum letzten Mal auf dem Treppchen, aber wieder ganz oben: Erik Zabel (l.)… | |
Wenige Minuten nach 23 Uhr steigt der Lärmpegel im Velodrom in bis dahin | |
unerreichte Höhen. Und das Getöse, das die mehr als 12.000 Zuschauer | |
verursachen, ebbt nur langsam ab. Erik Zabel hat sich soeben, am dritten | |
Wettkampftag, erstmals mit seinem Partner Robert Bartko an die Spitze des | |
Gesamtklassements gesetzt durch einen Sieg beim Zweier-Mannschaftsfahren | |
über 45 Minuten. Es ist Zabels "allerallerallerletzter Auftritt", so | |
Herbert Watterott, der langjährige ARD-Kommentator der Tour de France, bei | |
der reichlich pathetischen Vorstellung des deutschen Radstars. Am Dienstag, | |
dem Finaltag des Berliner Sechstagerennens, wird Watterott noch ein paar | |
Vorsilben dranhängen müssen, um die wirklich letzte Profifahrt des | |
inzwischen 38-Jährigen anzukündigen. | |
Im Velodrom beherrscht man die Kunst, auch noch die scheinbar höchste | |
Steigerungsform zu steigern. Ganz unabhängig von den stets aufs Neue | |
wuchernden Dopingverflechtungen des Radsports ist das Berliner | |
Sechstagerennen in den vergangenen Jahren eine Erfolgsgeschichte geblieben, | |
wie die Organisatoren gern erzählen. Und dieses Mal - zum hundertjährigen | |
Jubiläum der Veranstaltung -, da Zabel zum ersten und letzten Mal hier | |
antritt, sprudeln nur so die Superlative. Heinz Seesing, der Chef des | |
Sechstagerennens, sagt: "Wir hatten einen tollen Donnerstag, wie ihn Berlin | |
noch nie erlebt hat." Der erste Tag sei ja maßgeblich für die weitere | |
Stimmung. Das hänge natürlich mit der Teilnahme von Zabel zusammen. Sie | |
würde dem Rennen eine ganz besondere Spannung verleihen. | |
Seesing ist bekennender Zabel-Fan. Er möchte ihn Dienstagnacht ganz oben | |
auf dem Treppchen sehen - als Gesamtsieger. Doch wer will das hier nicht? | |
Die Größe und Lautstärke seiner Fangemeinde im Velodrom ist überwältigend. | |
In seiner Geburtsstadt, wo er beim RC Rotation in Lichtenberg seine ersten | |
Runden drehte, hat man Zabel, der einst unter Tränen rechtlich verjährte | |
Dopingsünden gestand, seinen Betrugsversuch mit Epo längst verziehen. | |
Besser gesagt: Man hat ihm diesen nie wirklich verübelt. Althumanist | |
Seesing argumentiert mit Cicero: "Das strengste Recht ist das größte | |
Unrecht". Zabel, das unterstreichen diese Tage in Berlin noch einmal, wird | |
als beliebtester Dopingsünder in die deutsche Sportgeschichte eingehen. | |
Doch wie fühlt er sich selbst inmitten dieser Jubelkulisse? Hätte er sich | |
ein solches Szenario nach seiner Dopingbeichte vor knapp zwei Jahren | |
vorstellen können? "Über meine Emotionen möchte ich mit Journalisten nicht | |
reden", antwortet Zabel knapp. Sein Blick driftet traurig ins Leere ab. Er | |
weiß, dass er den dunklen Schatten, der über seiner Karriere liegt, nicht | |
mehr loswird. Und das ist vielleicht ein Grund dafür, warum der | |
Sprintspezialist die Euphorie in der Halle nicht auskosten mag. | |
Er spricht lieber über das Rennen. Trotz anfänglicher Schwierigkeiten in | |
den ersten beiden Tagen, erzählt er, würde alles nach dem selbst | |
aufgestellten Fahrplan laufen. Anfangs hätten sich die jungen Fahrer | |
profiliert, aber er und Bartko hätten immer den Kontakt zu den stärksten | |
Konkurrenten gehalten. Zu den Vorjahressiegern Bruno Risi und Franco | |
Marvulli etwa. Die langjährige Routine, so Zabel, helfe ihm, sich von der | |
besonderen Stimmung nicht ablenken zu lassen. Aber im Berliner Velodrom, wo | |
er vorher noch nie angetreten ist, ist doch alles neu für ihn. "Richtig", | |
bestätigt Zabel, "aber gerade das sei ja eine zusätzliche Hilfe, sich auf | |
die Besonderheiten des Rennens einzustellen und sich nicht von Äußerem | |
irritieren zu lassen." | |
Bitte den Tunnelblick | |
Mit aller Macht müht sich der sechsfache Gewinner des grünen Trikots bei | |
der Tour de France um den Tunnelblick. Er will sich nur aufs Sportliche | |
konzentrieren. Im Vergleich zu seinen Fahrerkollegen wirkt er in den Pausen | |
missmutig. Man merkt, es ist für ihn ein Kraftakt, den großen Emotionen, | |
die von außen auf ihn eindringen, standzuhalten. Er muss gegensteuern. | |
Bei der Siegerehrung über die 45-Minuten-Jagd jubelt Zabel nur so viel wie | |
eben nötig, um das Publikum bei Laune zu halten. Auf die Frage des | |
Hallensprechers, ob es nicht angesichts der Stimmung schade sei aufzuhören, | |
sagt er: "Es heißt ja, man soll aufhören, wenn es am schönsten ist." Er | |
winkt seinen berauschten Fans zu. Dann verschwindet er schnell ins | |
Fahrerlager. Mit mürrischer Miene. | |
25 Jan 2009 | |
## AUTOREN | |
Johannes Kopp | |
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