# taz.de -- Prozess um Kündigung einer Kaisers-Kassiererin: Emmely muss weiter… | |
> Über den Einspruch der von Kaisers gekündigten Kassiererin entscheidet | |
> das Landesarbeitsgericht erst im Februar. Das Solidaritäts-Komitee | |
> demonstriert vor dem Gericht gegen Kündigungen auf Verdacht - und sorgt | |
> für einen vollen Gerichtssaal | |
Bild: Vor dem Urteil: Kassiererin Emmely am Dienstag vorm Berliner Landesarbeit… | |
Es ist eine übersichtliche Menschenmenge, die sich am Dienstagmorgen gegen | |
10 Uhr vor dem Berliner Landesarbeitsgericht am Magdeburger Platz | |
versammelt hat. Rund 50 Menschen sind gekommen, um gegen das | |
Arbeitgeber-Instrument der Verdachtskündigung im Allgemeinen und für die | |
auf diesem Weg entlassene 50-jährige Kassiererin Barbara E. im Besonderen | |
zu protestieren. "Selbst wenn sie Pfandbons unterschlagen hätte, gehört sie | |
nicht gekündigt", sagt ein Mann, der Flugblätter des "Komitees Solidarität | |
mit Emmely" verteilt. | |
Emmely, das ist Barbara E.s Spitzname, den eine Gruppe von Gewerkschaftern | |
und Aktivisten im Sommer 2008 der alleinerziehenden Mutter von drei Kindern | |
gab, um mit Solidaritätskundgebungen und Boykottaufrufen gegen die | |
Supermarktkette Kaisers auf E. aufmerksam zu machen. Kaisers hatte E. im | |
Februar 2008 nach 31 Jahren Betriebszugehörigkeit gekündigt, weil sie | |
gefundene Kundenpfandbons im Wert von 1,30 Euro für sich selbst eingelöst | |
haben soll (taz berichtete). "Ich habe die Pfandbons nicht gestohlen", sagt | |
E. selbst. Der wahre Grund für den Rausschmiss sei ihre Teilnahme an | |
Streiks des Einzelhandels, heißt es beim Solidaritätskomitee. Eine Klage | |
E.s gegen die Entlassung scheiterte, am gestrigen Dienstag wird ihr | |
Einspruch gegen dieses Urteil verhandelt. "Das ist eine gute Lektion in | |
Staatsbürgerkunde", fordert ein Redner vor dem Gebäude die Protestierenden | |
zum Besuch der Gerichtsverhandlung auf. | |
So ist es voll im Sitzungssaal 334, alle Stühle sind besetzt. | |
Gerichtsmitarbeiter schleppen eine zusätzliche Holzbank herein, die | |
Vorsitzende Richterin warnt die Zuhörer, bei Störungen würden sie umgehend | |
des Raumes verwiesen. Es sei nicht verwunderlich, dass ein solches | |
öffentliches Interesse an der Angelegenheit bestehe, beginnt einer der | |
beiden Verteidigeranwälte. "Der rechtliche Grundsatz der Unschuldsvermutung | |
wird im Arbeitsrecht durch die Verdachtskündigung ausgehebelt. Darum sind | |
heute so viele hier", sagt er. | |
Auf dieses grundsätzliche Terrain will sich die Richterin aber nicht | |
begeben. Stattdessen eröffnet sie das Beweisverfahren neu und befragt eine | |
ehemalige Kollegin E.s, die schon im ersten Prozess gehört worden war. Die | |
Frau hatte E. abkassiert, als diese in Anwesenheit der Kassenchefin der | |
Filiale die besagten Pfandbons im Wert von 48 und 82 Cent einlöste. Bis ins | |
kleinste Detail versuchen Richterin und Anwälte nun, diese Situation zu | |
rekonstruieren. Den Zuhörern eröffnet sich dadurch eine dezidierte | |
Vorstellung, wie es an einer Supermarktkasse und in dem zugehörigen Büro | |
aussieht. Den Verdacht der Unterschlagung jedoch können die Schilderungen | |
weder eindeutig bestätigen noch vollends entkräften; E.s Verteidigung wirft | |
der Zeugin Widersprüche in ihren Aussagen vor, Gleiches hört E. von der | |
Rechtsvertretung Kaisers. Und E. lehnt das Angebot Kaisers, die | |
außerordentliche in eine ordentliche Kündigung zu verwandeln, ab. "Ich will | |
in meinem Beruf weiterarbeiten", sagt sie später. | |
Auch für das Gericht ist offenbar noch kein klares Urteil ersichtlich: Erst | |
am 24. Februar soll es verkündet werden. Als Journalisten E. nach der | |
Verhandlung fragen, welchen Ausgang sie denn erwarte, antwortet sie: "Ich | |
hoffe, die Gerechtigkeit siegt." | |
28 Jan 2009 | |
## AUTOREN | |
Sebastian Puschner | |
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