# taz.de -- Vorbild Lobbyismus in den USA: Fortschritt ist, dass jemand hinguckt | |
> LobbyControl und das Center for Responsive Politics zeigen in Berlin, was | |
> die Bundesrepublik in Sachen Lobbyisten-Kontrolle von den USA lernen | |
> kann. | |
Bild: Macht Lobbyismus transparent: Das "Center for Responsive Politics". | |
Als Barack Obama gewählt war, erzählt Sheila Krumholz, "saßen seine Leute | |
mit seinem Buch auf den Knien bei uns im Büro. Sie lasen seine Ideen daraus | |
vor und fragten uns: was können wir davon sofort und konkret machen?" Ihre | |
erste Antwort: "Papier abschaffen". Denn was ins Internet gestellt werden | |
kann, ist auch von jedem einsehbar. | |
Der neue US-Präsident hat weitreichende Vorstellungen zur Eindämmung des | |
Lobbyismus. Sheila Krumholz ist Chefin des "Center for Responsive Politics" | |
das die Website [1][www.opensecrets.org] betreibt. Sie sagt: "Lobbyismus | |
ist notwendig. Politiker brauchen Informationen." Doch müsse deren Weg und | |
ihr Preis transparent werden. | |
Das "Zentrum für reaktive Politik" bereitet die Daten des Washingtoner | |
Lobbyismus auf: Welcher Lobbyist vorher bei welchem Ministerium gearbeitet | |
hat - und umgekehrt. Wer für die Wahlkämpfe John McCains und Barack Obamas | |
wie viel gespendet hat. Welche Firma wie viel Geld in die Beschäftigung von | |
Lobbyisten steckt, die auf die Politiker einwirken - am Telefon, bei | |
Dinners, auf Reisen. An Balkendiagrammen machte Krumholz am Donnerstag in | |
Berlin anschaulich, dass etwa die Ausgaben für Lobbyismus der Hedgefonds | |
("Heuschrecken") 2007 und 2008 steil in die Höhe schossen - warum? Weil die | |
Gesetzgebung mit höheren Steuern drohte. | |
In Deutschland gibt es solche Balkendiagramme nicht. Krumholz Zentrum | |
verwertet die Daten aus dem US-amerikanischen zentralen Lobbyistenregister, | |
das es dort seit 1995 gibt. Ein solches Register gibt es in Deutschland | |
jedoch nicht. Dass etwa die Etats der Pharmalobbyfirmen zu jeder | |
Gesundheitsreform ansteigen, darf vermutet werden - muss von diesen jedoch | |
nicht ausgewiesen werden. Rund 5.000 Menschen verdienen in Berlin mit | |
Lobbyismus ihr Geld - wer sie bezahlt, ist unbekannt. | |
Um die Vorteile sowohl des Registers als auch der Arbeit damit | |
darzustellen, war Krumholz von Ulrich Müller und Heidi Klein von | |
LobbyControl nach Berlin geladen worden. Krumholz war höflich: Die | |
Abwesenheit jeglicher Kontrolle in Deutschland sei eine Chance. "Hier kann | |
man ganz neu starten, es gibt keine Selbstzufriedenheit über das | |
Erreichte." Etwas nüchterner erklärte Müller: "Deutschland hinkt leider in | |
der Frage von Lobbytransparenz und Schranken für Lobbyisten hinterher." | |
Mit dem 2008 in Brüssel eingeführten Lobbyistenregister auf freiwilliger | |
Basis habe man bereits schlechte Erfahrungen gemacht: Kaum ein Fünftel der | |
in Brüssel ansässigen EU-Lobby-Büros hat sich bislang gemeldet. | |
LobbyControl setzt darum auf die bislang wenigen Bundestagsabgeordneten bei | |
Linksfraktion, Grünen und SPD, die sich für die Möglichkeiten eines | |
verpflichtenden Registers interessieren. | |
Der undemokratische, weil zu starke Einfluss von Interessengruppen auf | |
Gesetze wäre mit einem solchen Register nicht abgeschafft. Den Text zum | |
Bankenrettungsfonds hat Deutsche-Bank-Chef Josef Ackermann selbst | |
mitformuliert. Bei der jüngsten Gesundheitsreform saß die Private | |
Krankenversicherung direkt am Koalitionstisch. Doch unterhalb der Ebene | |
dieser ganz großen Gesetze, sagte Müller, sei es kostbar zu wissen: "Wer | |
ist eigentlich in Berlin unterwegs, um worauf Einfluss zu nehmen?" Krumholz | |
sagte: "Schon dass jemand hinguckt, ist ein großer Schritt vorwärts." | |
29 Jan 2009 | |
## LINKS | |
[1] http://www.opensecrets.org | |
## AUTOREN | |
Ulrike Winkelmann | |
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