# taz.de -- Netzwerk für Feindschaften: Gaza-Krieg auf Facebook | |
> Auf dem virtuellen Schlachtfeld Facebook bekämpfen sich Anhänger von Gaza | |
> und Israel ähnlich gewaltsam wie in der Realität - Hassbotschaften und | |
> Morddrohungen inklusive. | |
Bild: Unterstützer Israels: Mehr als 88.500 User sind diese Gruppe bereits bei… | |
Seit Ausbruch des Gaza-Kriegs haben sich auf der Online-Plattform Facebook, | |
die eigentlich der friedlichen Pflege von Freundschaften und Kontakten | |
dienen soll, die Anhänger beider Seiten beschimpft und attackiert – in | |
einer Heftigkeit und einem Ausmaß, die vergleichbare virtuelle | |
Auseinandersetzungen in gewaltsamen Konflikten der vergangenen Jahre weit | |
übersteigen. | |
So erhielt Joel Leyden, nachdem er am 27. Dezember nur zwei Stunden nach | |
Ausbruch des Krieges seine Facebook-Gruppe [1]["I Support the Israel | |
Defense Forces in Preventing Terror Attacks from Gaza"] gegründet hatte, | |
nach eigenen Angaben Dutzende von Todesdrohungen in seinem Postfach. „Die | |
Leute schrieben nicht nur 'Hoffentlich stirbst du!', sondern auch 'Wie | |
willst du sterben?'“ Hamzeh Abu-Abed, der auf der selben Plattform die | |
Gruppe [2]["Let's Collect 500,000 Signatures to Support the Palestinians in | |
Gaza"] initiierte, berichtet von ähnlichen Hassbotschaften an seine | |
Adresse. Die Medienwirksamkeit dieses Zusammenschlusses ist beachtlich. Die | |
Mitgliederzahl beläuft sich auf 610.000. Sie haben mittlerweile über 1700 | |
Fotos, 400 Beiträge und 100 Videos online gestellt. Die Gruppe ruft ihre | |
Nutzer dazu auf, Medien, Politiker und selbst den UN-Sicherheitsrat zu | |
kontaktieren und Druck auf Israel auszuüben. Auch durch den Boykott | |
israelischer Waren will man dieses Ziel erreichen. Zudem gibt es eine lange | |
Liste mit Links zu Spendensites, Petitionen, Infos, Nachrichten und Blogs | |
innerhalb und außerhalb von Facebook. Die Gegenseite wartet mit Gruppen wie | |
[3]["I Wonder How Fast I Can Find 100,000 People That Support The Strike in | |
Gaza"] auf. Bislang haben sich ihr aber nur 30.000 Nutzer angeschlossen. | |
Auch der Cyberwar im engeren, technischen Sinne macht nicht vor Facebook | |
halt. Abu-Abeds Website und andere palästinenserfreundliche Webauftritte | |
wurden von einer Gruppierung namens Jewish Internet Defense Force (JIDF) | |
gehackt. Inhalte wurden gelöscht und durch pro-israelische Aussagen | |
ersetzt. Einer der Attackierten ist Online-Aktivist Andrew Silvera. Er | |
bekam eine gefälschte Anfrage eines anderen Nutzers, ob er Administrator | |
einer pro-palästinensischen Gruppe werden wolle. „Als ich darauf klickte, | |
wurde mir klar, dass mit dem Link etwas nicht stimmte. Mein Account | |
verschwand. Er war gekidnappt worden.“ Nach ähnlichen Vorkommnissen schuf | |
Francesco Paris die Gruppe [4][„The 'JIDF' is hacking anti-Gaza seige | |
groups - Is this Democracy?“] . Er erhielt eine Phishing-Mail, die seine | |
Login-Daten ausspionieren sollte. Ein Sprecher der JIDF, der namentlich | |
nicht genannt werden wollte, erklärte gegenüber BBC News, die JIDF sei in | |
keine illegalen Aktivitäten involviert. Er kritisierte Facebook, das trotz | |
tausendfacher Aufforderung durch JIDF-Mitglieder nichts gegen | |
antisemitisches Material unternehme, das den islamistischen Terror fördere. | |
Facebook-Sprecherin Elizabeth Linder wiederum betont die politische | |
Neutralität der Plattform, die 150 Millionen aktive Nutzer hat und damit | |
als fünftgrößte Website im Internet gilt. „Unser Ziel ist es, die sehr | |
schwierige Balance zu halten zwischen der Meinungsfreiheit unserer Nutzer | |
und der Gewährleistung, dass sich Einzelne und Gruppen nicht bedroht oder | |
gefährdet fühlen“, sagt sie. Man sei gegen Gruppen auf beiden Seiten des | |
Konflikts vorgegangen, gebe dazu aber keine Details bekannt. | |
Trotz der illegalen Attacken überwiegen die friedlichen Nutzungen des | |
Netzwerks. Die Palette reicht von einem von Joel Leyden errichteten | |
[5][Cyber-Mahnmal für die gefallenen Kinder des Kriegs] über eine von einer | |
Facebook-Site gestarteten Londoner Demo zur Unterstützung Israels und | |
[6][studentische Zeitzeugen-Berichte aus dem Gaza-Streifen] bis zu einer | |
Unmenge von Logos, Fotos und Slogans auf den Profilen einzelner Nutzer. | |
Sichten kann diese Fülle an Informationen und Propaganda sicher niemand. | |
Doch ist es offenbar vielen Menschen ein Bedürfnis, ihre Haltung via | |
Facebook & Co. öffentlich zu demonstrieren und so ihren - wenn auch noch so | |
kleinen - Einfluss auf das Kriegsgeschehen zu nehmen. | |
30 Jan 2009 | |
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[6] http://www.zeit.de/online/2009/03/studenten-gazastreifen | |
## AUTOREN | |
Ulrich Hottelet | |
## TAGS | |
Israel | |
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