# taz.de -- Film über Afghanistan-Veteranen: Der Kampf geht weiter | |
> Mit "Willkommen zuhause" traut sich der SWR an einen TV-Film über | |
> traumatisierte Afghanistan-Veteranen (Montag, 20.15 Uhr, ARD). Ein guter | |
> Film, der Debatten auslösen könnte. | |
Bild: Allein mit seinen Gewalterlebnissen: Afghanistan-Heimkehrer Ben (Ken Duke… | |
Am klassischen Termin des gehobenen ARD-Fernsehfilms senden das Erste und | |
das ZDF neuerdings ziemlich oft Prestigestücke gegeneinander, am letzten | |
Mittwoch um 20.15 Uhr etwa "Die Weisheit der Wolken" gegen "Die Fälscher". | |
Und jetzt auch noch am Montag, dem klassischen ZDF-Termin. | |
Während am Montag der ambitionierte ZDF-Dreiteiler "Die Wölfe" weitergeht, | |
läuft in der ARD statt der üblichen Naturreportagen der Fernsehfilm | |
"Willkommen zuhause". So etwas werde nicht öfter als dreimal im Jahr | |
vorkommen, wiegelt der ARD-Vorsitzende Peter Boudgoust ab, der als | |
SWR-Intendant "Willkommen zuhause" verantwortet. Dieser Film sei nur | |
verlegt worden, weil am ursprünglichen Sendetermin das ZDF "Ein Mann, ein | |
Fjord" programmiert hatte. Gegen den massiv beworbenen Kerkeling-Film hätte | |
der SWR-Film nicht die Zuschauer bekommen, die er verdient habe. | |
Verdient - in der Tat. Es geht um ein im Fernsehfilm seltenes Thema. | |
"Bundeswehrsoldat Ben Winter kehrt aus dem Afghanistan-Einsatz ins | |
friedliche Deidesheim zurück. Weder er noch seine Umgebung sind darauf | |
vorbereitet, dass er von der Friedensmission unsichtbare Wunden mitgebracht | |
hat", lautet die Inhaltsangabe. Es sei "der erste deutsche Fernsehfilm, der | |
sich mit den Folgen von Auslandseinsätzen der Bundeswehr für die | |
rückkehrenden Soldaten auseinandersetzt", wirbt die ARD. | |
Der erste - na ja. 2008 lief im Forum der Berlinale "Nacht vor Augen" von | |
Regisseurin Brigitte Maria Bertele und Autorin Johanna Stuttmann. Dieses | |
ebenfalls vom SWR koproduzierte Werk entstand an der Filmakademie | |
Ludwigsburg und weist viele Ähnlichkeiten mit dem Fernsehfilm auf: Hier | |
kehrt Soldat David aus Afghanistan in den Schwarzwald zurück. Wie dort Ben | |
wird er von den etablierten Eltern, alten Kumpels und einer entzückenden | |
Freundin (in "Nacht vor Augen" Petra Schmidt-Schaller, in "Willkommen | |
zuhause" Mira Bartuschek) freudig begrüßt. Was die Soldaten erlebt haben, | |
können sie nicht wissen. Es ergibt sich auch keine Gelegenheit zu | |
ernsthaften Gesprächen, da die geselligen Südwestdeutschen immerzu grillen | |
oder in der Kneipe hocken und die Freundinnen natürlich endlich Sex wollen. | |
Über ihre Traumata sprechen David und Ben nicht. Ihre Gewalterlebnisse | |
führen zu Ausbrüchen, die nichts ins geordnete Milieu ihrer Herkunft | |
passen. | |
Ken Duken in der ARD, Hanno Kofler im Hochschulfilm spielen das ähnlich | |
hervorragend. Die Handlungen unterscheiden sich nur leicht: Während David | |
einen kleinen Halbbruder hat, der von Gleichaltrigen verprügelt wird, | |
begegnet Ben im Primetimefilm der älteren, attraktiven Nachbarin (Ulrike | |
Folkerts). | |
Die Projekte seien in unterschiedlichen Redaktionen parallel entwickelt | |
worden, sagt die für "Nacht vor Augen" verantwortliche SWR-Redakteurin | |
Stefanie Groß. Die "thematische Doublette" sei aufgefallen, "aber wir sind | |
entspannt damit umgegangen, weil das Thema so wichtig ist, dass es zwei | |
Thematisierungen verträgt". Er habe die Idee 2005 anhand eines | |
Zeitungsartikels entwickelt, sagt "Willkommen zuhause"-Autor Christian | |
Pfannenschmidt, und 2007 das Okay vom SWR bekommen. Im selben Jahr gewann | |
das "Nacht vor Augen"-Skript den Baden-Württembergischen Drehbuchpreis. Die | |
Filme sprächen verschiedene Zielgruppen an, sagt Redakteurin Groß, ein | |
Hochschulfilm sei ja etwas anderes als einer für den Hauptabend. | |
Tatsächlich springen die Übereinstimmungen vor allem ins Auge, weil der | |
ARD-Film durch dezente Machart überrascht. Obwohl von den | |
Eventfilmspezialisten teamworx produziert, unterläuft "Willkommen zuhause" | |
am TV-Mainstream orientierte Seherwartungen. Er arbeitet mit einfachen, | |
aber eindringlichen Assoziationen. Und am Ende montiert Regisseur Andreas | |
Senn (demnächst mit dem verschwurbelten Ost/West-Puff-Drama "Lilys | |
Geheimnis" montags im ZDF) Aussagen ehemals und aktuell amtierender | |
politischer Amtsträger über den deutschen Afghanistaneinsatz. Das bringt | |
auf den Punkt, was beide Filme implizieren: Über das Paradoxon des | |
Friedenseinsatzes, bei dem Soldaten, ohne zu kämpfen, Terroristen | |
bekämpfen, gibt es die eigentlich nötige gesellschaftliche Verständigung | |
nicht. | |
Insofern könnte "Willkommen zuhause", wenn auch nicht der allererste | |
fernsehfinanzierte Film zum Thema, mal wieder einer sein, der aktuelle | |
Debatten nicht nur als Krimikulisse verwendet, sondern Debatten auslöst. | |
"Nacht vor Augen" wiederum, Gewinner etwa beim First-Steps-Preis 2008, ist | |
in zwei Kategorien für den Deutschen Filmpreis 2009 vornominiert, wird aber | |
wohl nicht ins Kino kommen. Antikriegsfilme finden kein Publikum, sagen | |
Verleiher. Im Herbst feiert der Film in der SWR-Reihe "Debüt im Dritten" | |
TV-Premiere und wandert anschließend vielleicht ins Erste. Dort dürfte dann | |
schon der gerade abgedrehte "Bloch"-Film gelaufen sein, in dem Dieter Pfaff | |
auf einen in Afghanistan traumatisierten Exsoldaten trifft. Das ist auch | |
gut so, schließlich ist der Krieg, der nicht so genannt wird, ein wichtiges | |
Thema, das mehrmals auftauchen darf. | |
Bloß ihren albernen Programmkrieg, in dem sie die vielen von den frisch | |
erhöhten GEZ-Gebühren hergestellten Filme in direkter Konkurrenz zueinander | |
senden, sollten ARD und ZDF bald beenden. | |
1 Feb 2009 | |
## AUTOREN | |
Christian Bartels | |
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