# taz.de -- Katholikenbasis empört über Papst: "Das Kirchenschiff hat Schlags… | |
> Auch wenn der Papst den reaktionären Bischof Williamson auffordert, die | |
> Holocaustleugnung zu widerrufen: Christian Weisner von "Wir sind Kirche" | |
> empört die Anerkennung der Pius-Bruderschaft. | |
Bild: "Der lange jüdisch-christliche Dialog ist massiv gestört worden." | |
taz: Herr Weisner, der Vatikan hat den reaktionären Bischof Richard | |
Williamson aufgefordert, seine Leugnung des Holocaust zu widerrufen. Reicht | |
Ihnen das? | |
Christian Weisner: Das befriedigt mich überhaupt nicht. Denn bei dem Streit | |
über die Aufhebung der Exkommunikation des Holocaustleugners Williamson | |
geht es nicht nur um den Holocaust, sondern um die Achtung der Prinzipien | |
der römisch-katholischen Kirche. Es ist das Mindeste, dass Papst Benedikt | |
das klare Signal aussendet: Antisemitismus darf es nicht geben. Er muss | |
aber auch klar sein: Wer zu unserer Gemeinschaft gehören will, muss auch | |
das Zweite Vatikanische Konzil anerkennen. Das tut die Pius-Brüderschaft, | |
zu der auch Williamson gehört, bislang aber nicht. | |
Wie groß ist der Schaden, den Papst Benedikt mit der Aufhebung der | |
Exkommunikation angerichtet hat? | |
Ich befürchte, dass er noch sehr viel größer sein wird, als wir momentan | |
absehen können. Hier ist der lange jüdisch-christliche Dialog massiv | |
gestört worden. Ich glaube nicht, dass der Papst ein Antisemit ist. Aber er | |
kann nicht sagen, dass er ein Freund des Judentums ist, sich zugleich aber | |
als Freund von Leuten darstellen, die den Holocaust leugnen. Normalerweise | |
ist die vatikanische Diplomatie ja sehr effektiv und leise. Gerade im Nahen | |
Osten hat sie Brücken zwischen Israel und den Palästinensern gebaut. Es | |
wird nun lange dauern, bis der Vatikan wieder glaubwürdig ist. | |
Und innerkirchlich? | |
Auch da ist der Schaden riesengroß. Wenn der Papst auf der einen Seite so | |
nachsichtig auf die Pius-Brüderschaft zugeht, auf der anderen Seite aber | |
den Kontakt zu Konzil-geprägten Theologen meidet, dann hat das | |
Kirchenschiff zumindest an der Spitze eine starke Schlagseite bekommen. | |
Es war also eine richtige Entscheidung, dass Kanzlerin Merkel sich | |
eingemischt hat? | |
Benedikt ist ein Papst aus Deutschland. Da werden seine Aussagen zu Recht | |
sehr genau beachtet. Deswegen ist es richtig, dass auch Merkel deutlich | |
Position bezieht. | |
Zeigt dieser Fall eine Machtverschiebung zugunsten der reaktionären Kräfte | |
im Vatikan? | |
Ohne diese Verschiebung wäre Ratzinger gar nicht Papst geworden. Es gab sie | |
also schon vorher. Aber es stimmt: Er setzt sie weiter fort. | |
Sie als Reformer streben eigentlich mehr an, als beim Zweiten Vatikanischen | |
Konzil beschlossen wurde. Nun finden Sie sich in der Rolle wieder, dieses | |
Konzil zu verteidigen. | |
Es ist richtig, dass sich das Konzil zum Beispiel mit der Frauenfrage nicht | |
ausreichend beschäftigt hat. Gleichwohl hat dieses Konzil Positionen | |
festgelegt, die unbedingt erhalten bleiben müssen. Dies betrifft die | |
Religionsfreiheit, die Ökumene, das Verhältnis zu den anderen Religionen | |
und dass die Hierarchie sich nicht zu wichtig nimmt … | |
… was derzeit aber geschieht. | |
Das wird der Kirchenspitze aber auf die Füße fallen. Unter Papst Johannes | |
Paul II. sind die Mitgliederzahlen der römisch-katholischen Kirche weltweit | |
um 40 Prozent gestiegen. Aber sie hat auch Millionen in Südamerika an die | |
Pfingstkirchen verloren, weil es wegen des Zölibats immer weniger Priester | |
gibt. Die Pius-Brüderschaft ist eine Gruppe, die weniger als ein Promille | |
ausmacht. Da stellt sich mir die Frage, warum der Papst dieser kleinen | |
Splittergruppe so viel Entgegenkommen zeigt, für die wirklichen Nöte in den | |
Gemeinden aber keinen Blick hat. | |
Ab welchem Punkt kommt für Sie ein Austritt infrage? | |
Ich stehe zur Linie der Kirchenvolksbewegung, die besagt: lieber auftreten | |
als austreten. Solange das möglich ist, will ich lieber die Kräfte des | |
Konzils stärken als austreten. | |
5 Feb 2009 | |
## AUTOREN | |
Felix Lee | |
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