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# taz.de -- Warenlager der Episoden: Patiencen im Kellerversteck
> Michael Glawoggers "Das Vaterspiel" (Panorama) hat das Massaker an
> litauischen Juden von 1941 als Grundlage. Und findet zwischen Egoshootern
> und Kriegsverbrechen keine Linie.
Bild: Die Schauspieler Sabine Timoteo als Mimi und Helmut Köpping als Rupert "…
Je weiter der Nationalsozialismus in die Vergangenheit rückt, umso
umstandsloser verwandeln sich die Ereignisse der history in Motive für
stories. "Das Vaterspiel", der neue Film des österreichischen Regisseurs
Michael Glawogger, bewegt sich auf diesem Terrain, auf dem zurzeit auch
Stephen Daldrys Romanverfilmung "The Reader" oder Edward Zwicks "Defiance"
unterwegs sind.
Die Geschichte gerät zum Warenlager für Episoden, Anekdoten und Plots, die
sich je nach Gusto und Geschick zuspitzen und kombinieren lassen. In "Das
Vaterspiel" ist der historische Dreh- und Angelpunkt ein Massaker, das 1941
an litauischen Juden verübt wurde. Um den Massenmord herum gruppiert
Glawogger mehrere Handlungsstränge, die wiederum motivisch eines verbindet:
Es geht jeweils um das schwierige Verhältnis zum eigenen Vater
beziehungsweise Großvater.
Die Hauptfigur, Rupert Kramer, ein nicht mehr ganz so junger Nerd aus Wien
(Helmut Köpping), entwirft ein Computerspiel. "Kill Daddy Good Night" heißt
es und ist insofern ein besonderes Egoshooter-Spiel, als dass der Spieler
ein Foto seines Vaters in die Software importiert. Zu makaber, findet
Ruperts Kontaktmann in New York, aber da lernt der Wiener schon einen
anderen Nerd kennen, dem beim Geschäftsessen im China-Imbiss die Nudeln
hübsch unappetitlich aus dem Mund schlabbern. Der New Yorker Nerd stellt
"Kill Daddy Good Night" ins Netz, gegen eine Gebühr von fünf Dollar kann es
spielen, wer will. Zu Hause in Wien probiert es Ruperts Vater. Er ist
stolz, weil dem Sohn wenigstens dieses eine Mal etwas gelungen ist.
Ruperts Aggressionen gegen den eigenen Vater spiegeln sich in den übrigen
Handlungssträngen. Eine Enkelin kümmert sich um ihren Großvater, der in
einem Kellerversteck in einem Vorort New Yorks haust. Der Mann, ein
Litauer, war nach dem Einmarsch der deutschen Wehrmachtstruppen in das
baltische Land an Massakern beteiligt. Die Enkelin, Mimi (Sabine Timoteo),
weiß das, verachtet den Großvater und ist ihm trotzdem eine Hilfe. In
Rückblenden, die bis ins Jahr 1959 reichen, gibt ein Mann namens Jonas
Shtrom (Ulrich Tukur) zu Protokoll, wie sein Vater 1941 in einer
litauischen Stadt ermordet wurde. Den Täter kann er mit Namen nennen. Es
braucht nicht viel Fantasie, um zu ahnen, dass dieser Mann eben der Greis
ist, der im New Yorker Keller Patiencen legt.
"Das Vaterspiel" beruht auf dem gleichnamigen Roman von Josef Haslinger aus
dem Jahr 2000. Das Buch ist 600 Seiten dick, Glawoggers Film dauert knapp
zwei Stunden. Die Diskrepanz bekommt ihm nicht. Zu vieles drängt sich auf
zu engem Raum, und zu heterogen ist das, was der Regisseur ins Feld
schickt: nächtliche Autofahrten durch Schneegestöber, animierte
Computerspielfiguren im Realfilm, eine Figur, die Tag für Tag neue Perücken
trägt, weil an ihrem Körper kein einziges Haar wächst, Sprünge in der Zeit
und durch den Raum, bedeutungsvoll sich gerierende Dialoge mit einem
greisen Massenmörder, der keine Reue zeigen will, dazu, en passant erzählt,
eine Niedergangsgeschichte der österreichischen Sozialdemokratie. "Das
Vaterspiel" fällt auseinander, und man wird den Eindruck nicht los, die
Details seien letztlich beliebig zusammengefügt. Der Massenmord in Litauen
ist dann nur mehr eine diffuse Chiffre für eine Unfähigkeit, mit und in der
Gegenwart zurechtzukommen.
6 Feb 2009
## AUTOREN
Cristina Nord
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