# taz.de -- Sänger Geldof über Entwicklungshilfe: "Merkel hat versprochen und… | |
> Afrika-Aktivist und Rocksänger Bob Geldof lobt die Kanzlerin für ihr | |
> Engagement in der Entwicklungshilfe. Er forderte sie auf, noch mehr Geld | |
> zur Verfügung zu stellen. | |
Bild: "Wir bedanken uns bei Frau Merkel": Bob Geldof mit Kanzlerin. | |
taz: Herr Geldof, Sie fordern die Bundesregierung auf, ihre | |
Entwicklungshilfe für Afrika zu erhöhen. Wie stark leidet der Kontinent | |
unter der Krise? | |
Bob Geldof: Der Einbruch fällt nicht so stark aus wie in den reichen | |
Staaten. Trotzdem ist der Rückschlag gravierend. Denn Afrika braucht ein | |
permanentes Wachstum von 8 Prozent, um seine wachsende Bevölkerung zu | |
versorgen. | |
Infolge der Finanzkrise würde die Zahl der Hungernden um 200 Millionen | |
Menschen steigen, heißt es. Stimmt das? | |
In den zurückliegenden Boomjahren ist die afrikanische Wirtschaft um 6 | |
Prozent pro Jahr gewachsen. 2008 werden es nur noch 4 Prozent sein - viel | |
weniger als notwendig. Deshalb nimmt der Hunger wieder zu. | |
Sie loben Bundeskanzlerin Angela Merkel dafür, dass sie die | |
Entwicklungshilfe anhebe. Dabei verfehlt Deutschland das internationale | |
Ziel meilenweit, 0,7 Prozent seiner Wirtschaftsleistung den armen Ländern | |
zur Verfügung zu stellen. | |
Wir haben Frau Merkel gebeten, mehr zu tun. Das hat sie versprochen und | |
auch eingehalten. Dafür bedanken wir uns. Denn der Dank gibt uns die | |
Möglichkeit, mir ihr über den nächsten notwendigen Schritt zu reden. | |
Deutschland investiert viel weniger Mittel in die Bekämpfung der Armut, als | |
die Vereinten Nationen verlangen. Was müsste passieren? | |
Die deutsche Entwicklungshilfe sollte bis 2010 auf 0,51 Prozent des | |
Bruttonationaleinkommens anwachsen, wie zugesagt. Davon ist die | |
Bundesregierung noch um einiges entfernt. Aber immerhin ist Deutschland | |
heute - gemessen an der absoluten Summe - der zweitgrößte Geber der Welt | |
nach den USA. | |
Auch die reichen Länder leiden. Die Krise verschlingt hunderte Milliarden | |
Euro. Warum sollte man jetzt die Entwicklungshilfe erhöhen? | |
Aus moralischen Gründen, aber auch aus purem ökonomischen Eigeninteresse. | |
Heute verweigern die Industriestaaten der Hälfte der Weltbevölkerung den | |
Zugang zu ihrem System des Wohlstands. Welchen Sinn soll diese Politik | |
langfristig für ein Land wie Deutschland haben, das fast 40 Prozent seiner | |
Produkte exportiert? Die meisten der 900 Millionen Konsumenten, deren | |
Kontinent 14 Kilometer südlich von Gibraltar beginnt, können sich diese | |
Waren gegenwärtig nicht leisten. Sie sind schlicht zu arm. Aus deutscher | |
Sicht wäre es deshalb gerade verrückt, Afrika nicht als Markt der Zukunft | |
zu betrachten. Wir im Norden brauchen die Leute im Süden, damit es uns | |
selbst gutgeht. | |
Unlängst haben die EU-Kommission und die Bundesregierung entschieden, als | |
Unterstützung für die europäischen Bauern wieder subventionierte Milch in | |
Entwicklungsländer zu exportieren. Das schädigt die Landwirtschaft des | |
Südens massiv. Verdient die Kanzlerin auch dafür ein Lob? | |
Das ist total kontraproduktiv - ökonomischer Nationalismus und | |
Protektionismus der übelsten Sorte. Brüssel baut noch immer hohe Mauern, um | |
die eigenen Bauern zu schützen. Damit schädigt man den afrikanischen | |
Zukunftsmarkt, anstatt ihn aufzubauen. Dieses Denken führt geradewegs in | |
die nächste Wirtschaftskrise. | |
Seit 25 Jahren setzen Sie sich für die armen Länder und speziell für Afrika | |
ein. Sind Sie stolz darauf, was Sie erreicht haben? | |
Nein, das bin ich nicht. Hätten wir wirkungsvoll gearbeitet, wären die | |
Menschen in Afrika heute nicht mehr so arm, wie sie tatsächlich sind. Wir | |
müssen neue Argumente finden, um die Politik zu überzeugen. Der Appell an | |
das ökonomische Eigeninteresse ist dafür besser geeignet, als die | |
moralische Argumentation der Vergangenheit. | |
10 Feb 2009 | |
## AUTOREN | |
Hannes Koch | |
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