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# taz.de -- Mecklenburg-Vorpommern: Sehnsucht nach der Fachkraft
> Einst war sie Vorreiter: Die Agentur mv4you in Mecklenburg-Vorpommern hat
> als erste Fachkräfte zurück in den Osten vermittelt. Inzwischen sind ihr
> angesichts drastisch gesunkener Geburtenzahlen andere Bundesländer
> gefolgt.
Bild: Da kommt Sehnsucht nach "MV" auf: der Kreidefelsen auf Rügen.
"Sehnsucht?" steht auf der Postkarte, und darunter ist die Seebrücke des
Ostseebads Ahlbeck zu sehen. Sehnsucht, so stellt es sich die Agentur
mv4you vor, soll bei diesem Anblick all die Mecklenburger Fachkräfte
überfallen, die nach Hamburg, Niedersachsen, Berlin oder in andere
finanzkräftige West-Metropolen abgewandert sind. Auf Pendlertagen oder
Mecklenburg-Vorpommern-Abenden versucht die Agentur, ehemalige und gerne
auch neue Arbeitskräfte zu gewinnen. Jahrelang geschah das in der
Verantwortung der Evangelischen Jugend Schwerin, künftig soll ein
Zusammenschluss von Unternehmensverbänden neue Leute ins Land locken.
Im Wirtschaftsministerium, das das Projekt mit derzeit rund 200.000 Euro
finanziert, will man das nicht als Zeichen der Unzufriedenheit mit den
Resultaten von mv4you deuten. "Das Bessere ist der Feind des Guten", sagt
Ministeriumssprecher Gerd Lange dazu. Mit den rund 550 Vermittlungen, die
seit der Gründung 2001 zu belegen sind, sei man durchaus zufrieden. Aber
von der engeren Anbindung an die Wirtschaft verspreche man sich "mehr
Synergien".
Entstanden ist das Projekt aus der Arbeit der Evangelischen Jugend in
Schwerin in den 80er und 90er Jahren, als die Jugendlichen beim Weggang aus
der Stadt das Bedürfnis hatten, miteinander in Verbindung zu bleiben. Mit
zwischenzeitlich sechs - und inzwischen vier - Mitarbeitern vermittelte man
den Kontakt zwischen Arbeitskräfte suchenden Unternehmen in Mecklenburg und
den bei der Agentur registrierten Fachkräften. Die sind in der Regel Mitte
30, 65 Prozent sind Hochschulabsolventen - "die Klientel, die hier fehlt",
sagt Olav Hagen von der Evangelischen Jugend, der bis 2008 Projektleiter
war.
Die Agentur mv4you war unbestritten Vorreiter in Sachen
Fachkräftevermittlung in den neuen Bundesländern, doch manch praktischer
Ansatz, so klingt es bei Hagen durch, "kommt leider erst jetzt". So fand
die erste größere "Recruiting Tour", bei der sich Unternehmen und Land
vorstellen, erst im vergangenen Jahr in Hamburg statt. Laut Hagen als
"Wohlfühlabend" mit viel Lokalkolorit organisiert und durchaus erfolgreich.
Derzeit suche vor allem die IT-Branche nach Personal, aber auch
Bauingenieure, Sozialpädagogen, Erzieher und Verwaltungsmitarbeiter seien
gefragt.
Bislang hat die Finanzkrise den Fachkräftedienst nicht erreicht. Im
Gegenteil kommen laut Hagen derzeit ungewöhnlich viele Anfragen bei der
Agentur herein. Wer sich die demografischen Zahlen ansieht, kann davon
nicht überrascht sein: Die Schülerzahlen haben sich seit 1990 in
Mecklenburg-Vorpommern halbiert. Laut Wirtschaftsministerium wird es im
nächsten Jahr zum ersten Mal weniger Schulabgänger - aller Schultypen - als
Lehrstellen geben. Hätten sich die Wirtschaftsunternehmen also besser
darauf vorbereiten können - und müssen? Laut Olaf Hagen gibt es durchaus
Unternehmen, denen es gelungen ist, Personal an sich zu binden. Wer keine
hohen Gehälter zahlen könne, habe sich beispielsweise durch besondere
Familienfreundlichkeit hervorheben können. Auch im Wirtschaftsministerium
sieht man eine gewisse Bringschuld auf Seiten der Unternehmen. Doch solange
die Wirtschaftskraft in Mecklenburg-Vorpommern nicht das Niveau von
Süddeutschland oder Metropolen wie Hamburg erreiche, seien die
Möglichkeiten begrenzt.
Im Ministerium setzt man auf die "Lebensqualität" im Lande: Im nächsten
Jahr beginnt eine Kampagne in den Schulen, die den Jugendlichen zeigen
soll, dass die Zeit von Lehrstellen- und Arbeitsmangel vorbei ist.
Vorbei ist damit auch die Zeit, in denen das Land seine Jugendlichen
notgedrungen auf die Auswanderung vorbereitete. Im eigens eingerichteten
Schwedenkontor und dem Baltic Center wurden junge Mecklenburger mit
Sprachkursen auf die Ausbildung im Ausland vorbereitet.
Inzwischen haben weitere Bundesländer im Osten längst das Modell von mv4you
übernommen. In Thüringen heißt das Gegenstück UFaS. Doch dort sind es über
20 Mitarbeiter in mehreren Büros. Die haben seit ihrer Gründung 2008
bereits mehr als 100 Kräfte vermittelt.
12 Feb 2009
## AUTOREN
Friederike Gräff
## TAGS
Dresden
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