# taz.de -- Spielen und Springen: Nervenkitzel in Macau | |
> Das chinesische Macau ist ein Zockerparadies und hat den trendigsten Turm | |
> der Welt: 233 Meter hoch, mit Balustrade zum Spazieren | |
Bild: Skywalkerin auf dem Macau Tower | |
Der CN Tower in Toronto ist höher, der Eiffelturm in Paris ist bekannter, | |
doch der Macau Tower ist der trendigste Turm der Welt. Der "geilste", wie | |
die Kids sagen, für die der Skywalk das ultimative Erlebnis ist. Wie für | |
Emily, die ihr Video sogar auf YouTube stellt. "Stell dir vor, du stehst | |
auf einem Turm, 233 Meter hoch! Und dann spazierst du auf dem äußeren Rand | |
rund um den Turm. Auf einem schmalen Betonband, ohne Geländer." Emily macht | |
das nichts aus, sie lässt sich sogar auf einem Bein balancierend direkt am | |
Abgrund filmen. Doch ein "Freund" meint zu ihrem Video: "Alles was du | |
gemacht hast, ist Gehen. Ist das langweilig. Bungee, das ist es." | |
Ja, Bungee jumpen kann man am Macau Tower auch! Der Skywalk ist eine Idee | |
von AJ Hackett, dem Bungee-Papst, der seine Karriere 1987 mit einem Sprung | |
vom Eiffelturm startete. Der Erfinder des kommerziellen Bungeespringens | |
kultiviert diese Sportart mittlerweile weltweit auf Brücken, Türmen, Kränen | |
und Staumauern. An zehn ausgesuchten Plätzen in Australien, Bali, Kuala | |
Lumpur und Neuseeland wird gesprungen. Aber auch in Deutschland und | |
natürlich in Macau. Skywalks gibt es auch schon einige, etwa über dem Grand | |
Canyon. Der kleine Unterschied ist nur, am Macau Tower fehlt das Geländer. | |
Auch wenn der Skywalk laut Eigendefinition ein "hairraising fun", ein | |
haarsträubender Spaß ist, sieht es auf den ersten Blick viel gefährlicher | |
und erschreckender aus, als es wirklich ist. Die Abenteurer sind mit | |
Klettergurten doppelt gesichert, bisher ist kein einziger Unfall passiert. | |
Schwindelfrei sollte man aber schon sein. "Are you ready for the walk on | |
the wild side?" Dann testen Sie Ihre Nerven am Macau Tower, indem Sie den | |
90 Meter hohen Sendemast hinaufklettern. | |
Wegen Skywalk und Bungee allein werden nicht alle Touristen, 2007 waren es | |
immerhin 27 Millionen, nach Macau kommen. Die meisten ziehen Baccara, | |
Roulette, Black Jack, Stud-Poker, einarmige Banditen und Wetten auf Pferde | |
und Greyhound-Hunde in den Fernen Osten. Macau ist das neue Nervenzentrum | |
der Spieler und Abenteurer. Die ehemalige portugiesische Kolonie, nur 65 | |
Kilometer südlich von Hongkong am Perlfluss gelegen, hat Las Vegas als | |
Spielermetropole abgelöst. Die Glücksspieleinnahmen sind im ersten Quartal | |
2008 um 62 Prozent auf 2,5 Milliarden (!) Euro in die Höhe geschnellt. Von | |
einer Wirtschaftskrise scheint hier keiner zu wissen. Das ungebremste | |
Wachstum des Glücksspielsektors hat allerdings einen einfachen Grund. In | |
der Volksrepublik China ist Zocken verboten. | |
Macau gehört zwar seit 1999 wieder zu China, ist aber wie Hongkong eine | |
Sonderwirtschaftszone. Nach dem Motto "Ein Land, zwei Systeme" darf in | |
Macau gespielt, gezockt und gewettet werden. Und 1,3 Milliarden | |
Volkschinesen suchen den Nervenkitzel und hoffen ihr Glück zu machen! | |
In 29 Hotel-Glückstempeln wartet man an 4.375 Tischen und 13.300 | |
Slotmachines (einarmigen Banditen) auf (kommunistische) Gäste, die | |
Millionen verspielen, die sie eigentlich nicht haben dürften. Etwa im "The | |
Venetian" am Cotai-Strip, einem dem Meer abgerungenen Gebiet. Hier hat man | |
ein zweites Venedig eröffnet. Täglich besuchen bis zu 86.000 Personen | |
dieses italienische Märchen in Südchina, mit 3.000 Hotelsuiten, 1.150 | |
Spieltischen, 7.000 Slotmachines und 350 Geschäften. Am bisher besten | |
Wochenende waren es sogar 500.000! Zum speziellen Erlebnis im Venetian | |
Macao Resort Hotel gehört natürlich eine Gondelfahrt durch die drei Kanäle | |
des Resorts. Ein echter Gondoliere, wirklich ein Italiener, im schwarz-weiß | |
quergestreiften Shirt, schwarzer Hose mit roter Bauchbinde und dem | |
unvermeidlichen Strohhut stakst unter der Rialto-Brücke direkt auf den | |
Campanile zu. Und dazu schmettert er noch "O sole mio". Auch die unzähligen | |
Designershops würden gut zu Venedig oder Mailand passen, ebenso die | |
ausgewählte Gastronomie. | |
Europäische Gäste sind keine Zocker! Sie kommen "in erster Linie nach | |
Macau, um das kulturelle Erbe der Stadt zu erleben", sagt Touristikerin | |
Margit Schwarz. Sie genießen ein Stück Europa im Fernen Osten. Schließlich | |
ist Macaus Geschichte mindestens so spannend wie ein Abend am Spieltisch. | |
Die Portugiesen landeten 1516 in Macau, das sich rasch zu einem | |
Handelsplatz entwickelt. Im 17. Jahrhundert versuchen die Holländer | |
mehrmals den profitablen Handel mit Silber und Seide zu übernehmen. 1835 | |
wurde die Pauluskirche, das Wahrzeichen der Stadt, bei einem Taifun | |
zerstört. Seitdem steht nur noch die Fassade, die noch heute besichtigt | |
werden kann. 1847 wurde in Macau das Glücksspiel legalisiert. 1943 | |
besetzten die Japaner Macau und 1949 forderten die Rotchinesen die Enklave | |
zurück. Zwei Jahre nach der Rückgabe von Hongkong durch die Briten kam Ende | |
1999 auch Macau zur Volksrepublik zurück. Allerdings als | |
Sonderverwaltungszone. Portugiesisch ist neben Chinesisch nach wie vor | |
Amtssprache, Pataca (auch Macau-Dollar genannt) die eigene Währung. Eine | |
Währung für etwa 500.000 Einwohner, die auf nur 28,2 Quadratkilometern (die | |
Hälfte von Bonn) leben. | |
Die Portugiesen haben die chinesische Stadt an der Mündung des Perlflusses | |
450 Jahre geprägt. Das sieht man auch heute noch, am besten bei einem | |
Bummel durch die Altstadt. Sie ist seit 2005 ein Weltkulturerbe der Unesco. | |
Beim Spaziergang durch das historische Zentrum Macaus, vom A-Ma-Tempel über | |
die Ruinen von St. Paul bis zur Guia-Festung, wähnt man sich in einem | |
asiatischen Lissabon. Wenn man die 20 historischen Sehenswürdigkeiten | |
besichtigt und dafür auf einen Abend in Casino verzichtet, kann Macau | |
preiswert sein. Eine Übernachtung im Fünf-Sterne-Hotel Mandarin Oriental | |
Macau kommt etwa auf wohlfeile 46 Euro. | |
Zurück zum Macau Tower. Natürlich sind auf YouTube auch dutzende | |
Bungeesprünge vertreten. Ein Mark, ein Ricky, eine Paulina und viele viele | |
andere springen vom höchsten Bungee-Turm der Welt. 233 Meter. Entsprechend | |
fantastisch ist die Aussicht: Von der Aussichtsplattform und dem | |
Drehrestaurant des Towers bietet sich ein herrlicher Blick über Macau, das | |
Perlflussdelta und bei gutem Wetter sogar bis Hongkong. Die Bungeespringer | |
konzentrieren sich auf einen kleinen Punkt 233 Meter tiefer, breiten die | |
Hände auseinander und stürzen sich kopfüber hinunter. Vier, fünf Sekunden | |
Nervenkitzel für 148 Euro, 209 Euro inklusive Video, das die eigene Courage | |
dokumentiert. | |
14 Feb 2009 | |
## AUTOREN | |
Peter Baumgartner | |
## TAGS | |
Reiseland China | |
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