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# taz.de -- Eine Million für jeden: Roter Stern am Revers
> Ein Luxushotel in den Bergen bei Peking, Traumhäuser aus chinesischen
> Materialien. Der Name "Commune" war Programm bei der Gestaltung des
> Konzepts mit Gemeinschaftsräumen
Bild: Marathon auf der Mauer
Eine Stunde von Peking liegt eine andere Welt: In zwei benachbarten
schmalen Tälern ist ein Resort entstanden, das wie ein Zwischending von
Achitektur-Design-Freiluftmuseum und kostspieligem Themenpark für Reiche
anmutet. Anfang dieses Jahrtausends lud die reiche chinesische
Bauunternehmerin Zhang Xin zwölf Architekten aus China, Hongkong, Japan,
Taiwan, Thailand, Singapur und Südkorea ein. Jeder bekam eine Million
Dollar zur Verfügung gestellt; die Aufgabe lautete, mit diesem Geld
Traumhäuser aus 100 Prozent chinesischen Materialien zu bauen. "Nach 50
Jahren Kommunismus erfindet sich China neu - sozial, ökonomisch und
künstlerisch", schrieb Zhang 2001 zur Eröffnung ihres "Commune by The Great
Wall" genannten Projekts.
Die utopischen Original-Häuser stehen im Walnut Valley wie steingewordene
Ufos, deren geometrische Strenge mit den geschwungenen Hügeln kontrastiert.
Sie tragen Namen wie "Airport", "Suitcase House", "The Twins", "Shared
House" oder "Bamboo Wall". Manche der Häuser haben statt Flachdächern
Terrassen; innen und außen sind die Häuser in Naturfarben gehalten; der
Feuerlöscher ist oft der einzige Farbtupfer. Die Gemeinschaftsräume -
Küche, Wohn- und Badezimmer - sind großzügig und stehen zur allgemeinen
Verfügung, nur die je vier bis sechs Schlafzimmer sind separiert.
2005 übernahm die Luxushotelkette Kempinski die Aufgabe, vier der
Originalhäuser im benachbarten Rock Valley zu reproduzieren und für den
Hotelbetrieb zu adaptieren. 1.100 Chinesen arbeiteten und schliefen ein
Jahr lang auf der Baustelle. Wo heute die luxuriösen Bungalows stehen, war
zuvor ein Dorf: Die Einwohner lebten dort ohne Strom und Wasser - bis 2005.
Sie bekamen ihr Land abgekauft und siedelten in ein neues Dorf unterhalb
des Hotelgeländes. Einige der Umgesiedelten arbeiten nun als Hotelpersonal,
ganz in Schwarz gekleidet, in einer schlichten Uniform und mit einem
fünfzackigen roten Stern am Revers - Zeichen der Corporate Identity.
Das Prospekt des Hotels zeigt die schwarze Silhouette der Badaling-Berge
auf grauem Grund; über allem schwebt ein roter Stern. Hotel-Manager Yves
Wencker betont immer wieder, dass Politik keine Rolle spiele. Viele der
mehr als 400 Hotelangestellten kommen aus den Provinzen, oft ohne
Ausbildung und Sprachkenntnisse. Nicht immer klappt alles reibungslos, da
werden die Koffer schon mal in die falsche Limousine gepackt. Wencker, 39,
ein großer, eloquenter Straßburger, liebt Herausforderungen wie diese: Nach
seiner Hotelfach-Ausbildung fuhr er jahrelang zur See mit
Kreuzfahrtschiffen und arbeitete im Amazonasgebiet in Brasilien.
Das Hotel expandiert; es gibt ein neues Haus nur für Kinder, einen neuen
Pool, einen ausgedehnten Spa-Bereich, in dem Chinesinnen mit Mundschutz
massieren. Wer sich auf eigene Faust die Original-Häuser aus der Nähe
ansieht, kann sich sicher sein, dass den Überwachungskameras nichts
entgeht.
In einem Buch über die Commune und ihre Entstehung wird die
Bauunternehmerin Zhang Xin mit dem Statement zitiert, dass "nur durch einen
Prozess der Kommerzialisierung Menschen miteinander verbunden werden"
könnten und dass "Handel der effektivste Weg" sei, um "die Kunst der
Architektur zu fördern".
Zhang Xin wurde 1965 in Peking geboren; mit 14 Jahren arbeitete sie in
einer Schuhfabrik in Hongkong. Später machte sie einen Master in Cambridge,
war für globale Investmentfirmen tätig und kehrte nach China zurück, wo sie
mit ihrem Mann Pan Shiyi seit 1995 eine Baufirma betreibt. Zhang und Pan
gelten als Tycoone und It-Paar Chinas. Ihr Projekt sah Zhang als Weg, "eine
ganze Generation an Architekten, Entwickler und Konsumenten in China" zu
beeinflussen.
Hinter dem "Cantilever"-Haus führt ein kleiner Pfad bergan zur Chinesischen
Mauer. Unvermittelt steht man auf der Krone; gen Norden fällt die Mauer
steil ab und steigt sofort wieder an; auf der nächsten Hügelspitze sitzt
ein zweistöckiger Wachturm. Die Mauer schmiegt sich auf den Bergrist wie
eine aufgeworfene Naht, gipfelauf, gipfelab, über vier Bergketten ist sie
zu sehen, bevor sie im milchigen Dunst verschwindet. Außer einer dicken
weiß-schwarzen Katze ist niemand auf diesem Abschnitt der Großen Mauer zu
treffen. Hier ist nichts restauriert: Die Stufen sind hüfthoch und sehr
steil, Gestrüpp und Gras wuchern so dicht, dass der Pfad nur schulterbreit
zu erkennen ist.
Ganz anders am restaurierten Abschnitt Badaling, nur wenige Autominuten von
der Commune entfernt: Die Treppen sind normal hoch, es gibt kein Gras und
schon gar keine Sträucher. Tagtäglich rollen hier die Reisebusse an: Sechs
Millionen Touristen pro Jahr erklimmen die Große Mauer. Sind das die
nächsten Gäste der Commune? "Hochachtung vor dem Projekt ,Commune by the
Great Wall'", sagt der Manager eines Edelhotels in Peking im Vertrauen,
"aber das Konzept mit Gemeinschaftsräumen wie Küche und Wohnzimmer könnte
auf lange Sicht eher Gruppenreisende anziehen."
14 Feb 2009
## AUTOREN
Evelyn Runge
## TAGS
Reiseland China
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