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# taz.de -- Debatte Islam und Islamismus: Witze mit Bart
> Vor 20 Jahren wurde Salman Rushdie von Ajatollah Chomeini mit dem Tod
> bedroht. Die Auseinandersetzung mit Islam und Islamismus hat sich seitdem
> stark verändert.
Als der greise Ajatollah und "Revolutionsführer" Chomeini am 14. Januar
1989 über Radio Teheran zur Ermordung des Autors Salman Rushdie aufrief und
dessen Roman "Die Satanischen Verse" für blasphemisch erklärte, reagierte
die Welt schockiert. Der ungeheuerliche Vorgang führte zu einer neuerlichen
Eiszeit zwischen dem Mullah-Regime und dem Westen, die sich gerade erst
angenähert hatten. Entschärft wurde der Konflikt erst Jahre später, als der
Iran vom Mordaufruf Abstand nahm.
Der Mordaufruf provozierte eine beispiellose Welle der Solidarität mit dem
bedrohten Autor, der untertauchen musste. Tausende Schriftsteller aus aller
Welt stellten sich hinter Salman Rushdie, organisierten öffentliche
Lesungen und verurteilten die skandalöse "Fatwa". Auch namhafte arabische
und muslimische Schriftsteller und Intellektuelle waren dabei: Der
ägyptische Nobelpreisträger Nagib Mahfuz nannte sie einen "Akt des
Terrorismus" und der marokkanische Autor Tahar Ben Jelloun schrieb, sie
habe "nichts zu tun mit dem toleranten Islam, der mir gelehrt wurde".
Tatsächlich lässt sich Chomeinis "Fatwa" nach traditionell islamischer
Lesart so wenig legitimieren wie die Attentate vom 11. September: beide
sind eine Ausgeburt des modernen Fundamentalismus. Der "Fatwa"
vorausgegangen waren Proteste in britischen Städten und im benachbarten
Pakistan, angezettelt von islamistischen Verbänden. Sie brachten Chomeini
wohl erst auf die Idee, sich an die Spitze dieser Bewegung zu stellen. Sein
Mordaufruf war ein Schachzug, um sich als Meinungsführer zu profilieren.
Sie lenkte von der Schwächung seines Landes nach dem achtjährigen Krieg
gegen den Irak ab, übertünchte innenpolitische Differenzen und zementierte
den fundamentalistischen Anspruch seines Regimes.
Damals schienen die Fronten noch klar: Chomeini und seine Anhänger hier,
die engagierten Verteidiger der Meinungsfreiheit dort. Seitdem hat sich die
Auseinandersetzung mit Islam und Islamismus jedoch stark verändert, denn
seit dem 11. September 2001 haben sich der globale Kontext und das
gesellschaftliche Klima vielerorts gewandelt. In Afghanistan und dem Irak
sind westliche Truppen einmarschiert, der Libanon und der Gazastreifen
wurden bombardiert, und viele westliche Staaten haben ihre Gesetze für
Einwanderer verschärft. Viele Muslime fühlen sich seither in die Defensive
gedrängt.
Manche, wie der britische Publizist Kenan Malik, ziehen heute trotzdem eine
gerade Linie von der "Rushdie-Affäre" zu scheinbar ähnlichen Ereignissen
der jüngeren Vergangenheit - dem Eklat um die dänischen
Mohammed-Karikaturen, dem Rummel um die Papstrede von Regensburg oder die
übereilte Absetzung einer "Idomeneo"-Aufführung an der Deutschen Oper zu
Berlin. Und sie finden, "der Westen" oder "die Linke" betreibe gegenüber
dem Islamismus eine Art "Appeasement".
Dass die dänische Zeitung Jyllands-Posten im "Karikaturenstreit", anders
als Rushdie, keine breite Solidarität erfuhr, dient solchen Stimmen als
Beleg für ihre These. Doch es dürfte nicht nur die Furcht vor unabsehbaren
Folgen gewesen sein, die manche deutsche Zeitung davon abhielt, die
dänischen Zeichnungen abzudrucken. Viele empfanden die Aktion mit den
Mohammed-Karikaturen schlicht als allzu kalkulierte Provokation: Man spürte
die Absicht und war verstimmt. Und, um der Legendenbildung vorzubeugen: es
waren linke (taz) wie konservative (FAZ, Focus) Blätter, die die
Zeichnungen druckten - und linksliberale (Süddeutsche, Frankfurter
Rundschau) wie rechte (Bild), die darauf verzichteten.
Auch wäre es falsch, jeden Konflikt, der sich vorgeblich um religiöse
Gefühle von Muslimen dreht, ins enge Schema eines Kulturkampfs mit "dem
Islamismus" zu pressen. Dass etwa auf dem Höhepunkt des Karikaturenstreits
ausgerechnet in Damaskus und Beirut die Botschaften brannten, dürfte zum
Beispiel eher wenig mit Religion, dafür viel mit einem (säkularen)
syrischen Regime unter Druck zu tun gehabt haben. Und zuweilen kommen
solche "Skandale" ja sogar ganz ohne beleidigte Muslime aus. Im Fall der
"Idomeneo"-Oper waren es etwa die Befürchtungen des Berliner Innensenators,
welche die Intendantin zu einer Panikreaktion verleiteten. Kein einziger
Muslim hatte sich zuvor darüber beschwert, dass dem Propheten Mohammed in
der Inszenierung der Kopf abgeschlagen wird.
Auch wenn manche es gerne als einen Kulturkampf sehen wollen: Die
Auseinandersetzung mit Islam und Islamismus ist im Kern ein politisches
Thema. Die Frage ist: Wie bekämpft man eine fundamentalistische Ideologie,
und wie begegnet man antidemokratischen Tendenzen unter Einwanderern? Da
sollte man sich nicht von religiöser Rhetorik täuschen lassen, wenn es um
einen offensiv vorgetragenen Machtanspruch geht. Deshalb ist es wichtig,
dass die "Satanischen Verse" in jedem Buchladen stehen können und jede
Zeitung das Recht hat, die dänischen Mohammed-Karikaturen zu drucken, wenn
ihr danach ist.
Eine andere Frage lautet jedoch: Welchen Platz räumen wir Muslimen in
unserer Gesellschaft ein? Das berührt das Verhältnis von Staat und
Religion, das in vielen europäischen Ländern längst noch nicht so eindeutig
geklärt ist, wie viele meinen. Und es berührt zu Beispiel die Frage, wem in
den Medien mehr Raum gegeben wird: den Muslimen selbst? Oder den
Karikaturen, die andere von ihnen entwerfen?
Pressefreiheit hat auch etwas mit Verantwortung zu tun. Sie endet da, wo
die Diffamierung einer Minderheit beginnt. Aus diesem guten Grund hat auch
keine deutsche Zeitung die Holocaust-Karikaturen nachgedruckt, zu denen der
Iran als Reaktion auf den "Karikaturenstreit" aufgerufen hatte. Es greift
zu kurz, die Meinungsfreiheit an sich zu etwas Quasi-Heiligem zu
stilisieren. Wer umstrittene Filme, Bücher und Karikaturen kunstreligiös zu
etwas Unantastbarem erklärt, der verkennt, dass auch die Kunstproduktion
den Prinzipien von Angebot und Nachfrage folgt. Und dass nicht jede
Sensibilität gegenüber heiklen Themen gleich ein Ausdruck von Selbstzensur
und "Appeasement" ist.
Kritik am Islam ist, zumindest in westlichen Gesellschaften, kein Tabu. Im
Gegenteil: eine regressive "Islam-Kritik" ist in den letzten Jahren fast
schon zu einer Art Volkssport geworden. Sie verspricht ein gewisses
Restrisiko, garantiert aber hohe Aufmerksamkeit. Heute braucht es deshalb
nicht mehr allzu viel Mut, um Muslime und ihren Glauben als etwas Gestriges
oder gar Gefährliches darzustellen - das macht heute schon jeder zweite
"Tatort"-Krimi. Mit plumpem Islam-Bashing schafft man es hierzulande in
Talkshows und Bestsellerlisten. Und einzig um der Aufmerksamkeit willen
hält sich die FAZ, bislang nicht durch antiklerikale Neigungen aufgefallen,
neuerdings eine Karikaturen-Serie, die sich um einen verrückten und
homophoben Mullah dreht.
Witze mit Bart - keine Frage, auch das gehört zur Meinungsfreiheit. Aber
Aufklärung sieht anders aus. DANIEL BAX
14 Feb 2009
## AUTOREN
Daniel Bax
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