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# taz.de -- Polizeiliche Strategie: Operation saubere Innenstadt
> Die Polizei soll in der Hamburger City gezielt gegen Obdachlose, Punks
> und Alkoholiker vorgehen, sieht ein internes Papier vor. Für die Linke
> sind diese Pläne rechtswidrig, für die mitregierenden Grünen ein Verstoß
> gegen den Koalitionsvertrag.
Bild: Raus aus der Hamburger Innenstadt: Obdachlose, Punker und Alkoholiker sin…
Die Polizei soll in der Hamburger Innenstadt mit Tabula-Rasa-Vorgehen für
Sauberkeit und subjektives Sicherheitsgefühl sorgen. Das geht aus einer
neuen Handlungsanweisung des für die Hamburger Innenstadt zuständigen
Polizeikommissariats 14 hervor, bekannt aus der Fernsehserie
"Großstadtrevier". Im Visier: "Randgruppen" wie "Obdachlose, Punker und
Alkoholiker".
In dem Papier, das der taz vorliegt, wird festgestellt, dass die City mit
ihren Einkaufsstraßen, ihren "exponierten Örtlichkeiten" sowie den
touristischen Sehenswürdigkeiten hoch frequentiert sei. Daher sei es "nicht
hinnehmbar", dass die genannten Gruppen dort Aufenthaltsorte wie Bänke und
Plätze in Anspruch nähmen, die somit nicht mehr der Allgemeinheit zur
Verfügung stünden. "Gleichfalls ist eine übermäßige Verschmutzung der
öffentlichen Flächen durch gleichgültiges Verhalten bis hin zum Urinieren
in der Öffentlichkeit als nicht akzeptabel zu bewerten", heißt es in der
Richtlinie. Auch "ruhestörender Lärm durch eine Gruppe vermindert deutlich
das Sicherheitsgefühl der Bürger" - mithin die Sicherheit und Sauberkeit
der Innenstadt würden in einem "nicht unerheblichen und keinesfalls
hinnehmbaren Maß beeinträchtigt".
Die Handlungsanweisung sieht vor, dass die Prävention durch die Erhöhung
der polizeilichen Präsenz von Bereitschaftspolizei verstärkt wird, die
"Personalienfeststellungen bei Antreffen entsprechender Klientel" vornehmen
soll. Dazu gehörten Platzverweise und bei Missachtung Ingewahrsamnahmen.
Hinzu sollten Anzeigen wegen Ordnungswidrigkeiten und notfalls auch
strafprozessuale Maßnahmen kommen. Platzverweise hätten stets an der
"Antrefförtlichkeit" für einen Radius von 360 Grad zu gelten. Im Klartext:
in alle Richtungen für eine ganze Region. "Mit Bestimmung des
Platzverweis-Gebietes wird es auch als hilfreich angesehen, die
Personengruppen darauf hinzuweisen, dass eine Verlagerung an eine andere
Örtlichkeit (z. B. vom Rathausmarkt zum Gänsemarkt) mit identischen
Platzverweisen ebenfalls nicht geduldet wird und analoge Maßnahmen
getroffen werden." Deshalb hätten die Polizeikräfte dafür zu sorgen, dass
das Befolgen von Platzverweisen auch überprüft wird. Dafür sollen verstärkt
auch Zivilfahnder eingesetzt werden.
Das Handlungskonzept richte sich gegen Gruppierungen ab mindestens zwei
Personen, etwa wenn "Punks provokativ Laufwege der Passanten besetzen", um
"aggressiv zu betteln". Oder wenn sich "Alkoholiker üblicherweise bestehend
aus Personen der Randständigenszene Sitzgruppen im Bereich der Innenstadt
ausbreiten und Passanten belästigen", so die Direktive.
Dabei müssten keine konkreten Verstöße gegen die Öffentliche Sicherheit und
Ordnung vorliegen. "Bei den beiden Personengruppen genügt die Tatsache,
dass sie sich in einer Personenzahl an einem Ort aufhalten." Sachverhalte
aus der Vergangenheit könnten dann herangezogen werden, um eine
entsprechende Gefahrenprognose zu begründen, "selbst dann, wenn die aktuell
angetroffene Person bis dato polizeilich nicht in Erscheinung getreten
ist."
Die Polizei begründet die Weisung mit aktuellen Ereignissen. "Wir hatten im
Januar Ansammlungen von Punks und Leuten aus der so genannten
Emotional-Gothic-Szene", sagt Polizeisprecher Ralf Meyer. Das Papier solle
den Beamten Handlungsanweisungen geben. "Es richtet sich nicht gegen
Obdachlose", behauptet Meyer.
"Es ist ein Skandal, dass sich die Polizei nicht mehr an ihren gesetzlichen
Aufgaben und der Rechtsprechung orientiert", sagt dazu die Innenpolitikerin
der Linkspartei Christiane Schneider. "Die Polizeiführung hat
offensichtlich ein Feinbild, das sie bekämpfen will", so Schneider. Die
feine Gesellschaft wolle offensichtlich mit der Armut nicht konfrontiert
werden. "Jugendliche, Punks und Obdachlose sollen ausgegrenzt und
kriminalisiert werden."
Platzverweise seien immerhin ein erheblicher Eingriff in das Grundrecht der
Bewegungsfreiheit, meint Schneider. Die Linkspartei-Abgeordnete verweist
auf das Handbuch des Polizeirechts, in dem juristische Bewertung der
Sachverhalte klar vorgenommen würden: "Der bloße Aufenthalt von
Nichtsesshaften etwa in städtischen Fußgängerzonen oder Parks rechtfertigt
keine Platzverweisung, da der Tatbestand der Nichtsesshaftigkeit ebenso wie
auch der bloße Alkoholkonsum oder das Betteln nicht die Voraussetzungen
einer Gefahr im polizeirechtlichen Sinn erfüllen." Auch laut Kommentar zum
Hamburgischen Polizei- und Ordnungsrecht seien Platzverweise allein wegen
Obdachlosigkeit unzulässig. "Nicht mehr strittig ist, dass Bettelei und
freiwillige Obdachlosigkeit keine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und
Ordnung darstellen", zitiert Schneider.
Stephan Karrenbauer vom Straßenmagazin Hinz und Kunzt ist von dem Konzept
überrascht. "Wir sind erstaunt, die Stadt ist so ruhig wie lange nicht
mehr", sagt der Sozialarbeiter. Das Blatt sei im ständigen Dialog mit den
Kontaktbereichsbeamten, erst vor ein paar Tagen habe man in dem
Gesprächskreis der sozialen Initiativen mit ihnen zusammengesessen, aber
sie hätten davon nichts erzählt. Wenn nun wieder eine Offensive gestartet
werde, sagt Karrenbauer, "ist das nicht nachvollziehbar".
Auch Antje Möller, innenpolitische Sprecherin der mitregierenden Grünen,
zeigte sich auf taz-Anfrage "irritiert". Das Handlungskonzept sei ihr
bisher nicht bekannt gewesen. Für Möller verstoßen solche Anweisungen gegen
den Koalitionsvertrag mit der CDU, worin ausdrücklich festgeschrieben sei,
dass eine Verdrängung so genannter "randständiger Gruppen" aus dem
öffentlichen Raum zu unterbleiben habe.
20 Feb 2009
## AUTOREN
Kai von Appen
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