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# taz.de -- Führungskampf unter Radfahrern: Bettvorlegers Ende
> Rudolf Scharping steuert den deutschen Radsport von Skandal zu Skandal.
> Der Rauswurf Hanka Kupfernagels aus dem Elitekader ist nur einer davon.
> Jetzt formiert sich eine Opposition.
Bild: Nicht mehr lange am Steuer des Bundes Deutscher Radfahrer: Rudolf Scharpi…
In knapp drei Wochen soll er gestürzt werden, Rudolf Scharping, der
Radsportpräsident mit der bewegten politischen Vergangenheit. In Leipzig
findet am 21. März die Hauptversammlung des Bundes Deutscher Radfahrer
(BDR) statt. Ein paar revoltierende Landesverbände unterstützen einen
Gegenkandidaten, der Scharping unbekannt sein dürfte. Dieter Berkmann heißt
er. "Dieter wer?", so soll der abgehalfterte SPD-Politiker auf den
Kontrahenten, der ihm seine Präsidentschaft streitig machen will, reagiert
haben. Berkmann (57) ist Orthopäde in Miesbach. Früher war er Sprinter auf
der Bahn und Sechstageprofi. Bei Olympia in Montreal ist er Vierter
geworden.
Berkmann zieht mit alten Recken in den sportpolitischen Kampf gegen
Scharping: Ihm zur Seite stehen Karl Link, Olympiasieger 1964,
Vierer-Weltmeister Gerd Strittmacher (1983), Olympiasieger Udo Hempel
(1972) - und Ex-Journalist Dieter Kühnle, der nach Auseinandersetzungen mit
der BDR-Spitze vom Amt des Vizepräsidenten und Kommunikationschefs
zurückgetreten war. Kühnle wollte nicht mehr für Scharpings problematische
Antidopingpolitik mitverantwortlich sein. Gegen "Stillstand und Agonie" im
Verband wollen die Aufständischen angehen und nebenbei auch den heimlichen
Chef des BDR aus dem Amt jagen: Burckhard Bremer - Prototyp des listigen
Funktionärs. Seit Jahren steht seine Amtsführung für Intransparenz, Willkür
und einen windelweichen Antidopingkampf. "Er spaltet, er integriert nicht",
so wird Kühnle im Radsportmagazin Tour zitiert.
Bremer wird vorgeworfen, die Krise im Bahnradsport - besonders deutlich am
Niedergang des einst ruhmreichen Bahnvierers zu sehen - verantwortet zu
haben. Missliebige Athleten habe er getriezt, etwa die erfolgreichste
deutsche Radsportlerin, Hanka Kupfernagel. Sie musste jetzt erfahren, dass
sie nach 15 Jahren ununterbrochener Zugehörigkeit zum Nationalkader nun
nicht mehr zum Kreis der Förderelite gehört. Bremer hatte sie im
vergangenen Oktober in Rücksprache mit dem damaligen Bundestrainer Jochen
Dornbusch aus dem Kader gestrichen. Begründung: Sie habe sich bei WM oder
Olympia nicht unter den ersten zehn platzieren können. Doch bei anderen
Athletinnen nahm es Bremer nicht so genau mit den Kriterien. "Ich bin den
ganzen Winter in einer Topform, ich verstehe das alles nicht", sagt
Kupfernagel der taz. Niemand habe ihr erklärt, warum sie den Status
verloren habe. "Ich kriege nur Informationen aus dritter Hand, vom BDR hat
sich bei mir noch niemand gemeldet." Der jetzige Bundestrainer, Thomas
Liese, will sie allerdings im Nationaltrikot fahren lassen.
Kupfernagel (33) entgehen mindestens 4.000 Euro von der Deutschen
Sporthilfe - wenn es dabei bleibt. Gerd Klein, Berater des
Sporthilfe-Vorstandes, hat sich bei Kupfernagel gemeldet und sie ein wenig
beruhigt. Das letzte Wort habe die Sporthilfe, so der Tenor des Gesprächs.
Kupfernagel erinnert sich an manch andere "merkwürdige Entscheidung"
Bremers. So habe sie sich 2007 bei der WM in Stuttgart als Mitfavoritin der
Bremerschen Teamtaktik unterordnen müssen, obwohl sie doch offensichtlich
nur "Kanonenfutter für junge Athletinnen" gewesen sei. Auch habe sie einmal
zwei Tage vor einer Cross-WM noch ein internes Rennen über 3.000 Meter auf
der Bahn fahren müssen, was ihr den WM-Titel im Cross gekostet habe: "Das
hat der BDR einen Titel vergeigt." Es liegt nahe, dass Kupfernagel von
ihrem Präsidenten nicht so viel hält. "Es ist an der Zeit, dass frischer
Wind in die Führung kommt", sagt sie. Viele Sportler trauten sich nicht,
etwas zu sagen, weil sie Sanktionen der BDR-Führung fürchteten. Die
Kandidatur Berkmanns ist sie durchaus bereit zu unterstützen.
Scharping war vor vier Jahren angetreten, die Radsportverwaltung in
Deutschland zu reformieren. Doch schnell wurde klar, dass das mit ihm nicht
möglich ist. Er arrangierte sich mit den Bremers dieses Verbandes, war
"weniger Aufklärer denn Schutzschild" (Tour) und machte eine schlechte
Figur in der Aufarbeitung von Dopinglasten. Nur ein Beispiel für Scharpings
Versäumnisse: Der für den BDR als Rennarzt arbeitende Heinz Löbl wurde vom
früheren DDR-Bahnradfahrer Uwe Trömer beschuldigt, ihm Dopingmittel
gespritzt zu haben. Trömer hat den Verband mehrmals darüber informiert.
Konsequenzen blieben aus. "Nichts ist passiert. Und deshalb sind die
Anti-Doping-Offensiven von Rudolf Scharping einfach nicht ehrlich", sagte
Trömer im Jahre 2007.
Die Liste ließe sich beliebig fortführen. Rudolf Scharping hat als
Radsport-Präsident versagt. "Es sind schon viele als Tiger gestartet und
als Bettvorleger gelandet", hat Scharping einmal seinen Gegnern
entgegengeschleudert. Heute trifft das auf ihn zu.
4 Mar 2009
## AUTOREN
Markus Völker
## TAGS
Radsport
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