# taz.de -- Auf den Spuren der Nibelungen: Mit Legenden im Rucksack | |
> Kulturwandern im deutschen Mittelgebirge: Von Donnersberg nach Worms | |
> folgt der Wanderweg historischen Spuren, etwa jenseits des Rheins zum | |
> Kloster Lorsch | |
Bild: Nibelungen: Wandgemälde im Passauer Rathaus | |
Der Nibelungenweg ist ein klassischer deutscher Weitwanderweg. Auf 150 | |
Kilometern führt er vom rheinland-pfälzischen Donnersberg in die Rheinebene | |
nach Worms, durch das hessische Ried und quer durch den Odenwald bis nach | |
Wertheim am Main. Ob die legendären Nibelungen genau diesen Weg gingen, als | |
sie nach Ungarn aufbrachen, sei dahingestellt. | |
Auf dem Donnersberg, der markant die Landschaft beherrscht, waren sie | |
sicher unterwegs. Seine Höhe weist sehr alte Besiedlungsspuren auf, sie ist | |
zerklüftet und bewaldet, ein ideales Jagdrevier. Die höchste Erhebung von | |
Rheinland-Pfalz mit 580 Metern ist schon aus der Ferne weithin sichtbar. | |
Die weite Aussicht zur Rheinebene, die sich von oben auftut, ist wunderbar. | |
Ein echtes Highlight ist die erste Wegetappe. Lange hält sich der Eindruck | |
von Höhe und Weite und leichtem Wandern auf der hügeligen und sanft | |
abfallenden Landschaft mit ihren vielen Feldern hin zum Rhein, bis der | |
Panoramaweg zum Flusswanderweg wird, den Weinberge säumen und hübsche | |
pfälzische Winzerorte. | |
Worms am Rhein, zirka 30 Kilometer entfernt, war die Stadt der Burgunden | |
und Schauplatz des Nibelungenliedes. Viel mehr als Bruchstücke aus ihrer | |
zweitausendjährigen Historie kann die Stadt nach dem Inferno des letzten | |
Krieges nicht vorweisen. Allerdings ist in ihrem Zentrum wie durch ein | |
Wunder der mittelalterliche Dom aus dem charakteristischen roten Sandstein | |
erhalten geblieben. An die Nibelungenlegende erinnert auch der imposante | |
Brückenturm der Nibelungenbrücke über den Rhein. Hier hat mystifizierende | |
Architektur aus dem Jahr 1900 ein Tor geschaffen, das die Reise in den | |
Untergang vorwegnimmt. Es ist monumental düster, dabei aber viel jünger, | |
als es aussieht. Unterhalb, am "Sand" des Rheins, kreuzten einst die | |
wichtigsten historischen Verkehrsverbindungen: von Norden kommend der Weg | |
nach Rom und von Westen kommend der Landweg nach Jerusalem, jene Route | |
also, der die Nibelungen gefolgt sein sollen. Am "Sand", heute eine | |
Promenade, steht eine Bronzestatue des Siegfried-Mörders Hagen von Tronje. | |
Eigenhändig wirft der grimmige Ritter den Schatz der Nibelungen in den | |
Rhein. | |
Folgte der Wanderweg weiter historischen Spuren, dann müsste er jenseits | |
des Rheins zum Kloster Lorsch führen, dem Unesco-Welterbe aus | |
karolingischer Zeit und dem dort gehüteten sogenannten Siegfried-Sarg. Der | |
Legende nach gründete das Kloster Königin Ute, die Mutter der burgundischen | |
Kriemhild. Der Weg orientiert sich stattdessen an landschaftlichen Reizen | |
im total flachen Ried und steuert direkt auf die Silhouette des Odenwaldes | |
zu, die den Horizont begrenzt. Er streift auch Biblis, wo immer noch eines | |
der ältesten deutschen AKWs in Betrieb ist. Die näher kommende Bergstraße | |
ist ein zeitlos schöner Anblick. | |
Im Odenwald hat die Legendenbildung um die Nibelungen erstaunliche Blüten | |
getrieben. Touristiker haben die Region, einschließlich Ried, komplett zum | |
Nibelungenland gekürt. Es gibt eine Nibelungen- und eine Siegfried-Route | |
für Pkw-Tourismus. Mindestens vier Siegfried-Quellen konkurrieren um | |
Authentizität, an jeder soll der strahlende Held Siegfried vom bösen Hagen | |
ermordet worden sein. Ob Siegfried, Gunter oder Hagen, ob Kriemhild, | |
Brunhild oder Ute, das Personal der Dichtung muss seine Namen für alles | |
Mögliche hergeben, sei es für Steige oder für Steaks. | |
Mit dem Einstieg Auerbach und dem am Berg gelegenen Staatspark Fürstenlager | |
erschließt sich der Wanderweg den vielleicht attraktivsten Zugang zur Höhe. | |
Oberhalb einer alten Apfelallee öffnen sich unmittelbar weite Ausblicke auf | |
die Odenwaldlandschaft. Es ist ein bilderbuchhaftes Mittelgebirge, | |
abwechslungsreich, bergig, waldreich. Etliche Höhen um 500 Meter und mehr | |
wechseln mit engen und tiefen Tälern. Bereits einen Ort weiter, in | |
Reichenbach, kreuzen die beiden großen europäischen Fernwege E 8 und E 1 | |
und ein neu eingerichteter "Nibelungensteig" für besonders ehrgeizige | |
Wanderer. Dieses neue touristische Produkt verspricht auf 40 Kilometern | |
Länge immerhin 1.600 Höhenmeter. Als Wanderregion ist der Odenwald ohnehin | |
Legende. Als ein Naturpark ist er schon lange ausgewiesen. Seiner Geologie | |
wegen trägt er auch das Prädikat "Unesco-Geopark". An etlichen Stellen | |
liegen praktisch 500 Millionen Jahre Erdgeschichte frei, die Spuren des | |
Urkontinents "Pangea". | |
In Michelstadt, zentral im Odenwald, führt der Wanderweg auf der schönste | |
Route durch eine ausgesprochen sehenswerte Fachwerkstadt. Das historische | |
Miltenberg, knapp 25 Kilometer weiter, wirkt noch viel älter, | |
mittelalterlicher. Viel roter Sandstein, sorgfältig behauen, und das | |
ornamentale Fachwerk winziger Häuser prägen den intakten Stadtkern. Die | |
alte Jakobuskirche war und ist Anlaufstelle für Jakobspilger auf dem Weg | |
nach Santiago de Compostela. Im ältesten fürstlichen Gasthaus Deutschlands, | |
dem "Riesen", kann immer noch gepflegt gespeist werden. Es ist die erste | |
Station am Main. | |
Hier ließen die Römer den Limes entlanglaufen und gründeten so die Stadt. | |
Und es ist wieder eine Weinregion. Der Weg ist im Fränkischen angekommen. | |
Bis zum Endpunkt der sagenhaften Nibelungenroute, Wertheim am Main, sind es | |
noch knapp 30 Kilometer durch viel Wald. Ein würdiger Schlusspunkt. Denn ab | |
hier wird es romantisch, wie die touristische Landkarte Deutschlands | |
verheißt. Wertheim ist Station auf der "Romantischen Straße", die an der | |
Tauber entlang nach Bayern führt. Wer sich jetzt an die Nibelungen gewöhnt | |
hat und zu Fuß weiter zur Donau will, hält sich einfach an den Europäischen | |
Fernwanderweg E 8. | |
7 Mar 2009 | |
## AUTOREN | |
Christel Burghoff | |
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