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# taz.de -- Mädchen boxen: Frauenkampftag. Im Ring
> Der Deutsche Boxerverband hat bislang nicht verstanden, dass seine
> Zukunft auch hier liegt: Ihm sind Boxerinnen nicht geheuer. Ein Besuch
> bei der inoffiziellen offenen Meisterschaft der unter 18-jährigen Frauen
> in Hamburg.
Bild: Wer wollte, konnte es am Weltfrauentag in Hamburg sehen: Die Zukunft des …
Kein Nebel, kein Feuerwerk, keine gestylten Bademäntel, keine Schauspieler,
keine Bands, keine Nummerngirls, keine Fernsehkameras, keine dummen
Sprüche. Braucht kein Mensch. "Hast Du gewonnen?", fragt die
Schwarzhaarige, die den Pokal übergeben soll, das Mädchen rechts vom
Ringrichter, der es auch nicht weiß. "Nee, ich", meldet sich schüchtern das
Mädchen links vom Ringrichter. Das Mädchen rechts bekommt eine Medaille
umgehängt und irgendetwas Zusammengerolltes, das Mädchen links den Pokal.
Man kann den Weltfrauentag, der auf Clara Zetkin zurückgeht, so oder so
begehen. Man kann auch boxen. Sonja Dürr, die Vorsitzende des Boxclub
Hanseat, nennt den Weltfrauentag "Frauen-Kampftag", weil dieser Tag an den
Kampf um die Rechte der Frau erinnert, weil an diesem Tag um diese Rechte
gekämpft wird. Auch im Boxring. Dort kommen dann der sportliche und der
politisch-soziale Kampf zusammen.
Der BC Hanseat wurde am zweiten Dezember 1995 in der Gaststätte "Windstärke
11" in Hamburg-St. Georg gegründet. Neu gegründet, denn 1957 gab es ihn
schon mal. Beide Male entstand der Verein aus einer Abspaltung vom BC
Sportmann. Erster Präsident war Hanne Kleine, Besitzer der Hamburger
Kiez-Kneipe "Ritze". Dariusz Michalczewski, Eckard Dagge und Jürgen Blin
unterstützten den BC. Trainingsstätte heute: St. Pauli, Sailerstraße,
Hinterhof.
Der TSV Wedel hat in der Schulauer Straße in Wedel eine hübsche Sporthalle,
in der am 7. und 8. März der Girls-Box-Cup ausgetragen wurde. Zugleich
inoffizielle offene Meisterschaft der unter 18-jährigen Frauen in Hamburg.
Inoffiziell, "weil der Deutsche Boxverband noch immer keine
Nachwuchsmeisterschaften auf regionalem Niveau für Mädchen und junge Frauen
ausschreibt", sagt Sonja Dürr, Elektrikerin, 37 Jahre alt. "Deshalb machen
wir das hier, damit das mal auf den Weg kommt". Im Jahr 2003, in ihrer
aktiven Zeit, wurde Dürr unter Trainer Hussein Ismail Vize-Europameisterin
im Halbweltergewicht. In ihrer Karriere vom Deutschen Boxverband (DBV), der
seit seiner Arisierung im Jahr 1933 ein Hort der Dumpfheit geblieben ist,
behindert und gebremst. Dem DBV war und ist das Frauenboxen nicht geheuer,
dass von hier aus dem am Boden liegenden Amateurboxen geholfen werden kann,
sehen dort keiner. Wenigstens wird auf der DBV-Internet-Seite vermeldet,
dass im August 2008 bei den Europameisterschaften in Liverpool Elena
Walendzik (BSK Seelze), Pinar Yilmaz (ASV Wuppertal) und Ulrike Brückner
(MTV München) Bronze holten.
In Wedel singt Tom Russell im Calypso-Rhythmus: "Float like a butterfly,
sting like a bee, my name is Muhammad Ali." Und das immer wieder, denn alle
Mädchen, die keine Auftrittsmusik mitgebracht haben, und das sind die
meisten, werden mit diesem Song zur Bühne begleitet. Macht gute Stimmung.
54 Teilnehmerinnen sind da, die meisten machen hier in Wedel ihren ersten
Kampf, drei Viertel kommen aus dem Nachwuchsbereich. 200 Zuschauer sitzen
am Samstag in der Halle, nicht nur Familienmitglieder, sondern auch ein
paar, die vom TV-gefönten Boxen der Herren Wilfried Sauerland und
Klaus-Peter Kohl die Schnauze voll haben.
Marietta Kowalczyk ist 17 Jahre alt und kommt aus Niendorf, boxt für den
Turnerbund Hamburg Eilbeck (TH Eilbeck). Sie geht in die 11. Klasse der
Gesamtschule Stellingen, mag Englisch, Psychologie und Mathe: "Aber Mathe
nur, wenn ich mich konzentriere." Gegen Esther Eissing aus Papenburg war
sie konzentriert und gewann, weil der Ringrichter den Kampf stoppte. Zu
groß war Kowalczyks Überlegenheit. Kowalczyk boxt seit knapp zwei Jahren,
ihr Bruder Waldemar hatte sie mal mitgenommen. Kowalczyks Trainer, Frank
Lack, zeigt ihren Boxpass: vier Kämpfe, vier Siege, alle vorzeitig.
"Meine Mutter hasst das Boxen", sagt Marietta. Jeden Tag gibt es
Streitereien. Die Mutter sagt: "Boxen ist was für Männer." Sie fürchtet,
dass Marietta, die fünf, sechs Mal in der Woche trainiert, die Schule
vernachlässigt - und außerdem keine gute Boxerin wird. Im Moment sieht es
nach dem Gegenteil aus: gute Noten, gutes Boxen. Kowalczyk boxt im
Fliegengewicht, Klasse bis 59 Kilo. "Ich will es so weit wie möglich
bringen", sagt sie. "Ich mache es nicht, um Profi zu werden, aber wenn es
so kommt, ist es auch gut."
Bei den Hamburger Meisterschaften hatte sie keine Gegnerin, die nächste
Stufe sind die Norddeutschen Meisterschaften. "Wenn sie sich da
durchsetzt", erklärt Lack, "dann fährt sie zu den Deutschen Meisterschaften
im Mai in Wolfsburg." Marietta ist selbstkritisch: "Ich weiß nicht, ob ich
Talent habe." Wenn sie die Jungs beim TH Eilbeck sieht - "und die sind so
viel besser" - fängt sie an zu zweifeln. Sie sparrt nur mit Jungs, die
aufpassen, "denn wenn die ernst machen, wäre ich schnell am Boden".
Die Jungs in ihrer Klasse finden es "ziemlich cool", dass Marietta boxt,
ein paar sind zu ihrem ersten Kampf gekommen. "Sie sagen mir, wie ich boxen
soll", lacht sie. Das ist komisch, weil die Jungs keine Ahnung vom Boxen
haben. Die Mädchen reden nicht drüber. Im Schulsport wird Hockey gespielt.
"Interessiert mich nicht", sagt Marietta Kowalczyk. Dann schnappt sie sich
ihren Pokal und geht duschen.
Höhepunkt am Samstag in Wedel ist Olivia Luczak (Wuppertal) gegen Sandra
Brügger (Basel), beide 2007 Vize-Europameisterinnen von London. Luczak, 27
Jahre alt, mehrfache Deutsche Meisterin im Halbmittelgewicht, Brügger,
gerade 28 Jahre alt geworden, mehrfache Schweizer Meisterin im
Weltergewicht. Prima Kampf, den Brügger etwas unverdient gewinnt.
Es wird darum gekämpft, dass Frauenboxen olympisch wird. Der Internationale
Boxsportverband (AIBA) hat, nachdem das Internationale Olympische Komitee
einen Antrag abgelehnt hatte, einen weiteren für London 2014 gestellt. "Das
wäre mein größter Lebenstraum", sagt Luczak. Wird nicht von selbst kommen.
Es wird noch ein paar "Frauen-Kampftage" und ein paar Kämpfe im Ring
brauchen. Wahrscheinlich sind die Herren beim IOC noch bräsiger als die des
DBV. Aber das will man sich nicht vorstellen.
8 Mar 2009
## AUTOREN
Roger Repplinger
## TAGS
Schwerpunkt Sport trotz Corona
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