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# taz.de -- Bambuskunst in Oldenburg: Malen gegen die Festlegung
> Mitte der 80er kam der Maler Shan Fan nach Hamburg. Sein klassisches
> Rüstzeug musste er an der Kunsthochschule über Bord werfen. Er überwand
> den Kulturschock und fand zur Bambusmalerei zurück - um sie zu
> revolutionieren. Ab Sonntag ist sein Werk in Oldenburg zu sehen.
Bild: Überrascht nicht, dass auch die expressionistischen Brücke-Künstler ih…
Das habe er gemalt, sagt Shan Fan, und deutet auf ein abstraktes Bild in
satten Farben und bewegten Formen. Er neigt lächelnd den Kopf, als gedenke
er einer verzeihlichen, einer verständlichen, irgendwie auch sympathischen
Jugendsünde. Shan Fan trägt ein dunkles Jackett, einen dunklen Seidenschal,
sitzt sehr aufrecht, die Hände im Schoß. Er spricht lieber zu leise als zu
laut und scheint genau die Person zu sein, für die die Lobby des
Steigenberger Hotels in Hamburg mit seinem schlicht-strengen, etwas
kantigen Klinkerambiente wohl einmal gebaut worden ist.
Weniger zurückhaltend als sein Auftreten ist schon, was der 49-Jährige
sagt: "Ich habe die Bambusmalerei revolutioniert." Eine jahrhundertealte
Tradition immerhin. Und von den Studienjahren an der Hamburger Hochschule
für bildende Künste erzählt er, dass weder seine Mitstudenten noch sein
Professor malen konnten. "Unter technischen Gesichtspunkten", sagt Fan,
"hätten die meine Schüler sein müssen". Man hat das Gefühl, Shan Fan sagt
so etwas, weil Bescheidenheit verlogen wäre. Überprüfen lässt es sich, wenn
am Sonntag im Oldenburger Augusteum die Ausstellung "Shan Fan, Malerei des
Augenblicks - Malerei der Langsamkeit" eröffnet.
Als 13-Jähriger hatte er mit einem Meister zu malen begonnen, in der
Provinz Zhejiang, dem Mutterland des Bambus. Immer in Tusche auf
Reispapier. Auch dann noch, als 1974, während der Kulturrevolution,
Schwarzmalerei verboten wurde. Alle malen nun in Rot, habe es da geheißen.
"Ein ganzes Jahr ging das so", sagt Fan, und erzählt, wie sein Vater, um
ihn zu schützen, die im Verborgenen gefertigten Bilder vor seinen Augen
zerriss.
1977 war dieser Spuk schon so weit Vergangenheit, dass Fan traditionelle
Tuschemalerei in Hangzhou studieren konnte. Aber China blieb ihm zu eng,
über einen deutschen Freund, und mit Hilfe von dessen finanzieller
Unterstützung kam er nach Hamburg.
Eigentlich wollte er nach Paris. "Weil alles, was wir an Informationen aus
dem Westen hatten, aus Frankreich kam. Und die reichten bis Picasso.
Danach, dachten wir, wäre dem Westen die Kunst ausgegangen." Mit Hamburg,
sagt er, hätte er die Katze im Sack gekauft. Aber mittlerweile habe sich
herausgestellt, dass es eine gute Katze war. Auch wenn er anfänglich ganz
schön zugerichtet worden sei, von diesem Biest, von Hamburg.
Totaler Identitätsverlust lautet im Rückblick Fans Diagnose: "Ich kam als
gut ausgebildeter Maler, mit einer gefestigten kulturellen Identität und
ausgereiften visuellen Gewohnheiten", sagt er - "und plötzlich verstehst du
gar nichts mehr, nichts". Wie an der Hochschule Kunst betrachtet und
beurteilt wurde, das war ihm reinstes Rätsel. Schon weil ihm die Begriffe
und Unterscheidungsmerkmale fehlten, weil ihm der Kontext fremd war. Fünf
schmerzliche Assimilationsjahre hat Fan so durchlebt, in denen er wenig in
der Malerei gelernt habe, aber viel über die Kunst, sagt er. Und vor allen
Dingen: selbst denken.
Später hat Fan sich einmal einen berühmten chinesischen Bambusdruck
vorgenommen, die altersfleckige Leere um Blätter und Stamm mit weißer Farbe
ausgefüllt. "Ich wollte damit das Defizit der chinesischen Malerei
markieren", sagt Fan. "Ich wollte mit dem Weiß, mit dieser Leere eine Lücke
schließen, oder zumindest sichtbar machen. Denn der chinesischen Malerei
geht es immer um den Kosmos, um Energie, aber niemals um das Individuum."
Auch zur eigenen Tradition musste Fan allerdings erst zurückfinden nach
seinem Gewaltmarsch durch die westliche Kunst. Zurück fand er, als er
Antoni Tàpies begegnete. Der male "wie ein Chinese, ja besser als ein
Chinese". Und wenn so ein Katalane so malen, zwischen Ost und West wandeln
könne, sagte sich Fan, dann müsste doch auch er selbst …
Seither hat Fan eine Menge Bambus gemalt, er hat ein ganzes Bambusalaphet
entwickelt, mit 200 Variablen, wie die einzelnen Gräser angeordnet werden
können; mal federnd, mal anschmiegsam weich, mal zackig wie
Zierpflaumenzweige; und er hat den Bambus gebrochen gemalt, was ein
Sakrileg ist: In China ist die Pflanze Sinnbild von moralischem Anstand,
von geistiger Größe, vom aufrechten Gang. Vor allem aber hat Fan die
Tuschemalerei in Öl und auf Großformat kopiert. Was er in 5 Minuten aufs
Reispapier wirft, trägt er in zweiwöchiger Arbeit hinüber auf die Leinwand.
"Ich mag beides, ich mag die Kontraste", sagt Fan, den spontanen Akt und
die malende monotone Mediation.
Und er mag sich nicht festlegen lassen. "Dagegen muss man anmalen", sagt
Fan. Er starte immer gleichzeitig Angriffe in verschiedene Richtungen.
Davon scheiterten einige, aber zwei, drei gelängen vielleicht. Nach einer
Phase mit zu Zeichen geronnenen Industrieruinen malt Fan mittlerweile
figürlich, in flackerndes Licht getauchte Szenen aus dem globalisierten
China. Dorthin zieht es ihn manchmal zurück. Nie länger als einen Monat, am
liebsten nur zwei Wochen. Dann kommt er wieder nach Norddeutschland, in die
Nordheide, wo er - seltsam der Kontrast - seinen Bambus malt. Bis es ihn
nach drei Monaten wieder forttreibt, irgendwohin, Hauptsache raus. Er wolle
sich, sagt Shan Fan, nicht festsetzen.
22. März bis 7. Juni 2009, Oldenburg, Augusteum
19 Mar 2009
## AUTOREN
Maximilian Probst
Maximilian Probst
## TAGS
Renaissance
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