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# taz.de -- Gleichberechtigung: Rollenspiele gegen die "Ehre" der Jungfrauen
> Jugendliche mit Migrationshintergrund setzen sich für Gleichberechtigung
> zwischen den Geschlechtern ein. In Diskussionen mit anderen Jugendlichen
> sollen die "Heroes" traditionelle Vorstellungen, etwa über "Ehre",
> aufbrechen.
Bild: Die Duisburger Gruppe des Heroes-Projekts – mit Leiter Burak Yilmaz (2.…
Er ist ein Held: Seit einem Jahr kann sich der 19-jährige Onur Kaba so
nennen und seit einer Woche hat er eine schriftliche Bestätigung: Ein
Zertifikat zeichnet ihn als "Hero" aus. Zusammen mit elf anderen Helden
engagiert sich der Zivildienstleistende für mehr Gleichberechtigung und
gegen die Diskriminierung von Männern und Frauen.
Hinter den "Heroes" steckt das gleichnamige Projekt aus Neukölln, das nach
schwedischem Vorbild vom Strohhalm-Verein organisiert wird. Der Verein ist
sonst eine Fachstelle für Prävention von sexuellem Missbrauch, nun setzt er
sich gegen Diskriminierung ein. Das Ziel ist Gleichberechtigung.
Die Heroes sind zwölf junge Männer zwischen 17 und 21 Jahren mit türkischem
und arabischem Hintergrund. Die erste Gruppe mit sechs Jungen nimmt seit
einem Jahr an den Workshops des Vereins teil, die andere seit rund vier
Monaten. Ein- bis zweimal pro Woche treffen sie sich mit dem Psychologen
Ahmad Mansour und dem Schauspieler und Theaterpädagogen Yilmaz Atmanca. Mit
ihnen diskutieren sie über Themen wie Gleichberechtigung, Ehre, Gewalt,
Menschenrechte und über Aktuelles, wie den Amoklauf in Winnenden. In
szenischen Rollenspielen zeigen sie Konfliktsituationen mit den tradierten
Rollenvorstellungen auf.
Das Erlernte vermitteln die Jungen anderen Jugendlichen. Dazu besuchen sie
Schulen, Jugendfreizeiteinrichtungen und außerbetriebliche
Ausbildungsstätten. Seit einem Monat gibt die erste Gruppe eigene
Workshops, dazu gehören auch Onur und sein Freund Okcan Ilhan.
Als die Jungen eine alltägliche Szene in einem Rollenspiel darstellen,
nimmt jeder seine Rolle ein. Einer spielt den Sohn, der gerade nach Hause
kommt, und wird vom Vater gefragt, wo seine Schwester sei. Weil er es nicht
weiß, schubst ihn der Vater und schickt ihn auf die Suche. Als der Sohn sie
findet, schreit er sie an: "Mit wem läufst du hier wieder rum!" Dann
bezeichnet er sie als ehrlos, weil sie einen kurzen Rock trägt. "Mit dem
Verhalten erzeugen die Väter auch einen großen Druck auf die Söhne", sagt
Onur. Anschließend spielen die Jungen die Szene nochmal: Jetzt fragt der
Vater den Sohn nach der Schule, lobt ihn für seine Leistungen und motiviert
ihn weiterzumachen. Auch die Schwester kommt ins Spiel: Der Vater will,
dass sie heiratet und sich um den Haushalt kümmert. Der Sohn überzeugt ihn
aber, dass auch für sie eine gute Ausbildung wichtig ist. Die Jungen
erzählen, dass die Schüler überraschend positiv auf die Rollenspiele
reagieren. "Manche kommen auf uns zu und sagen, wie toll das ist", sagt
Onur.
Er selbst kann mit traditionellen Vorstellung wie etwa der "Ehre", die von
der Jungfräulichkeit der Tochter abhängt, nichts anfangen: "Ehre sollte
über die persönliche Karriere und auf der menschlichen Ebene begründet
werden." Ihr eigenes Bewusstsein für die Problematiken wollen die Heroes
auf andere Jugendliche übertragen - mit oder ohne Migrationshintergrund -
und so gemeinsam für eine tolerante und gleichberechtigte Gesellschaft
kämpfen.
Die Schriftstellerin und Journalistin Güner Balci bewundert den Einsatz der
Heroes für die Grundrechte der Männer und Frauen. Dennoch: "Die
Verantwortung muss ganz Deutschland tragen, das können nicht nur die Jungs
machen", sagt sie. Für sie sind die Heroes Ausnahmen, weitere Projekte
müssten folgen.
Bis dahin werden die Helden weiterkämpfen: Die zweite Gruppe wird bereits
ausgebildet. Dem 19-jährigen Yusuf Algan gefallen die Diskussionen: "Ich
erfahre viel über meine Freunde, und in der Schule redet man selten über
solche Tabuthemen", sagt der Abiturient. Sein Vater hat Verständnis für
sein "Hobby" und lässt ihm den Freiraum. Üblich scheint das in Familien mit
türkischem oder arabischem Migrationshintergrund nicht zu sein, sagt die
Schriftstellerin und Kämpferin gegen Zwangsheirat, Fatma Bläser: "Es ist
wichtig, dass die Jungen nun andere Jugendliche auf den Straßen von dem
Projekt überzeugen." FRANZISKA BÖHL
23 Mar 2009
## AUTOREN
Franziska Böhl
## TAGS
Schule
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