# taz.de -- Nach Sturm auf Regierungssitz: 200 Festnahmen in Moldawien | |
> Aus Wut über den Wahlsieg der Kommunisten stürmen Demonstranten das | |
> Parlament und den Sitz des Präsidenten. Die Opposition strebt engere | |
> Beziehungen zu Rumänien an. | |
Bild: Die blutigen Unruhen führten zu zahlreichen Festnahmen. | |
Nach den zum Teil gewalttätigen Protesten der letzten beiden Tage sind nach | |
Angaben des Generalstaatsanwalts 200 Demonstranten in der moldawischen | |
Hauptstadt Chisinau festgenommen worden. Nach den jüngsten Parlamentswahlen | |
in der zwischen Rumänien und der Ukraine gelegenen ehemaligen | |
Sowjetrepublik war es zu schweren Protesten gekommen. Aus Wut über das | |
Ergebnis, das der kommunistischen Partei eine komfortable Mehrheit von | |
knapp über 50 Prozent der Stimmen sicherte, waren Anhänger der unterlegenen | |
Oppositionsparteien auf die Straße gegangen. Am Mittwoch nachmittag | |
versammelten sich Medienberichten zufolge erneut 1.000 Menschen in | |
Chisinau. | |
Was am Montag als friedlicher Protest von 4.000 Menschen gegen die nach | |
Meinung der Demonstranten gefälschten Wahlen begonnen hatte, erreichte am | |
Dienstag in Auseinandersetzungen zwischen Sicherheitskräften und einer | |
inzwischen auf 15.000 Menschen angewachsene Menge einen vorläufigen | |
Höhepunkt. Die Demonstranten trotzten Wasserwerfern und Tränengas, stürmten | |
das Parlament und den Sitz des Präsidenten und steckten die Gebäude in | |
Brand. Bei den Auseinandersetzungen soll es, so RIA Nowosti, allein auf | |
Seiten der Sicherheitskräfte zwischen 400 und 800 Verletzte gegeben haben. | |
Die Internetagentur [1][Newsru.com] spricht von 100 Verletzten auf beiden | |
Seiten. | |
Die Forderungen der Demonstranten hatten sich immer mehr radikalisiert. | |
Wurde zunächst nur eine Neuauszählung der Stimmen gefordert, verlangten sie | |
wenig später den Rücktritt der Regierung und Neuwahlen. Viele trugen | |
rumänische Flaggen und forderten in Sprechchören wie "Es lebe | |
Großrumänien!" einen Anschluss Moldawiens an Rumänien. Zeitweise wehte eine | |
rumänische Flagge auf dem besetzten Parlamentsgebäude. Moldawien liegt | |
zwischen Rumänien und der Ukraine, neben Russisch wird vor allem Rumänisch | |
gesprochen. | |
In einer ersten Stellungnahme verurteilten die OSZE, Russland, Rumänien und | |
Xavier Solana für die EU die Gewaltanwendung. Moldawiens Präsident Wladimir | |
Woronin bezeichnete die Besetzung und Zerstörung von Parlament und | |
Präsidialsitz als Putschversuch, die Protestierenden als "Ansammlung von | |
vor Wut besoffener Faschisten". Er machte Rumänien für die Unruhen | |
verantwortlich. Der rumänische Botschafter in Moldawien wurde zur | |
"unerwünschten Person" erklärt. Bereits am Dienstag hatte Moldawien seine | |
Botschafterin in Rumänien "zu Konsultationen" zurückgerufen. | |
Parlamentssprecher Mirtscha Dscheoane sprach von einem feindseligen Schritt | |
gegenüber Bukarest. | |
Europäische Wahlbeobachter hatten den Urnengang als im Wesentlichen | |
demokratischen Standards entsprechend bezeichnet. | |
Es sind vor allem die Beziehungen zu zwei Ländern, die das Land vor eine | |
Zerreißprobe stellen. Während sich die kommunistische Regierung um gute | |
Beziehungen zu Russland und zur EU bemüht, fordern die oppositionellen | |
Gruppen und Parteien eine weitere Annäherung an Rumänien, die zu einer | |
Vereinigung mit dem Nachbarland und zu einem Beitritt in die EU und die | |
Nato führen soll. | |
Moldawien entstand 1940 aus Teilen Bessarabiens, das durch den | |
"Hitler-Stalin-Pakt" von Rumänien losgelöst und der Sowjetunion | |
angegliedert worden war. Gleichzeitig hatte Stalin der Sowjetrepublik | |
Moldawien das Gebiet Transnistrien mit überwiegend russischer und | |
ukrainischer Bevölkerung überlassen. Mit dem Zusammenbruch der Sowjetunion | |
erklärte sich Moldawien für unabhängig, das russisch sprechende | |
Transnistrien rief gleichzeitig ebenfalls Unabhängigkeit aus und | |
proklamierte die "Dnjestr-Republik". In einem kurzen Krieg zwischen | |
Moldawien und der "Dnjestr-Republik" hatten Anfang der Neunzigerjahre | |
Hunderte ihr Leben verloren. Der Konflikt ist bis heute nicht gelöst. | |
Russische Truppen in Transnistrien sichern den Waffenstillstand und | |
gleichzeitig Transnistriens Unabhängigkeit. | |
9 Apr 2009 | |
## LINKS | |
[1] http://www.newsru.com | |
## AUTOREN | |
Bernhard Clasen | |
## ARTIKEL ZUM THEMA |