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# taz.de -- Aktions-Gala auf dem taz-Kongress: "Kann man die mieten?"
> Eine Sähguerilla, Nazi-Parodisten, eine kletternde Castorgegnerin und
> viele mehr: Auf der Gala der politischen Aktionen hat die "Polizei" jede
> Menge zu tun.
Bild: Zeit überzogen: Die Bergpartei wird von der Bühne geräumt.
"Es wird ein nicht ganz kurzer Abend“ kündigt Moderator und Ressortleiter
der taz Berlin-Redaktion Gereon Asmuth die „Große Gala der politischen
Aktionen" an. Elf Aktivistengruppen stehen auf dem Programm, in einem
Kontest sollen sie zeigen, welche Aktionsform die beste ist.
Fünf Minuten Zeit hat jede Gruppe, eine Jury aus Anti-Atomkraft-Aktivist
Jochen Stay, taz-Redakteurin Gina Bucher, Grünen-Politiker Daniel
Cohn-Bendit und Künstlerin Uli Ertl darf kommentieren. Zum Aufwärmen hat
Clown und Autor Klaus Werner-Lobo Luftschlangen mitgebracht, das Publikum
soll Jubeln üben. Der erste Durchgang klappt, dann wird es ernst.
Der erste Auftritt: [1]["das Eichhörnchen", Cecile Lecomte], hat Fotos
mitgebracht. Von Urantransporten, von Baumbesetzungen und auch von ihr als
Kind – beim Klettern an einer Felswand. Die ehemalige französische
Meisterin im Bergklettern hat schon alleine Transporte über mehrere Stunden
aufgehalten – und im Anschluss in Handschellen ein Fernsehinterview
gegeben. Klettern ist für sie eine "schöne Aktionsform, die auch
ausdrücklich gewaltfrei ist". Sie eignen sich nicht nur gegen
Atomtransporte, sondern auch bei Nazi-Demos, Versuchsfeldern für
gentechnisch veränderten Mais und gegen Flughafenausbauten. "Ich habe dich
selten so lange auf dem Erdboden gesehen wie hier die fünf Minuten", meint
Jochen Stay.
Zweiter Auftritt: die [2][Bergpartei]. Jan Theiler und Co haben eine
Fotoshow und eine Selbstdarstellung mitgebracht, die Theiler in
atemberaubender Geschwindigkeit vorliest. Die fünf Minuten halten auch sie
nicht ein, rufen aber gleich auch noch zur Demonstration gegen die
Verlängerung der A 100 am Sonntag auf und gehen auf Unterschriftenjagd, um
bei der Bundestagswahl in Berlin auf den Wahlzettel zu kommen. Die Kritik
ist durchwachsen und als der Auftritt am Ende von zwei Vertretern des
Bildungsstreiks gekapert wird und die Beamten untätig daneben stehen,
mischt sich Moderator Asmuth ein: "Die Berliner Polizei hat auch schon mal
härter durchgegriffen."
Campact dürfen als nächstes auf die Bühne. Sie haben neben
überdimensionalen Karikaturen-Masken von Politikern wie Agrarministerin
Ilse Aigner, Ex-Bahnchef Mehdorn und Kanzlerin Angela Merkel einen Film
mitgebracht. Gewohnte Kameraschwenks, schnelle Schnitte. Spätestens jetzt
ist klar: Ohne Multimedialität geht es bei Aktivisten von heute nicht mehr.
Auch sie überziehen die vorgegebenen fünf Minuten, lassen sich aber im
Gegensatz zu den vorhergehenden Aktivisten ohne Protest abführen.
Padeluun vom [3][Foebud] ist da. Mit Anzug und kleinen Merkzetteln. Auf
seiner schwarzen Krawatte steht in kleinen Buchstaben Security. Der Verein
kämpft seit 1987 für den Datenschutz "heute nennen wir das Menschenschutz",
ergänzt Padeluun. "Mittlerweile sind Konzernchefs über das Thema
Datenschutz gestolpert", freut er sich. Im Hintergrund laufen Fotos von
Demos und Kampagnen. Er schafft es als Erster, sich auf fünf Minuten zu
beschränken. Von der Jury gibt es Lob für die Aktionen: "Hypermodern", sagt
Cohn-Bendit, "eine klasse Leistung", findet Stay.
Die [4][Front Deutscher Äpfel] inszeniert sich mit Volksmusik, in der
umfangreich von Heimat die Rede ist, Fahnen mit schwarzem Apfel in weißem
Kreis auf rotem Grund und dunklen Sonnenbrillen. Alles hochironisch
natürlich - genau so, wie die Front Deutscher Äpfel auch auf
Nazi-Gegendemos auftauchen. Gründer Alf Thum hat seine Hausaufgaben
gemacht: Er hält seine Kampfrede frei und mit dem nötigen Pathos.
Schönheitsfehler: Einer der Fahnenträger hat wohl seine schwarzen Stiefel
nicht gefunden und steht in dunklen Turnschuhen auf der Bühne – bis zum
Eingreifen der Polizei. "Überzeugendes Corporate Design", lobt Gina Bucher.
Nummer sechs: die [5][Gartenpiraten]. Ihre Filmbilder sind grobkörnig und
wackelig, dafür verursacht der auf wissenschaftlich getrimmte Vortrag über
Guerilla Gardening Lacher. Sympathien im Publikum schafft die Gruppe mit
der Verteilung von Biomais-Samen zu Live-Musik. Praktischer Nebeneffekt:
Die Polizei hat ein echtes Problem, die Aktivisten einzusammeln. "Kann man
die mieten für die Castor-Strecke?", ist der erste Gedanke von Jochen Stay.
Cohn-Bendit findet den Slogan "Eine andere Welt ist pflanzbar" toll.
[6][Attac] braucht erst gar keine Bühne. Ein Dutzend Aktivisten verteilen
im Publikum einfach ihre Fake-Ausgabe der Wochenzeitung Zeit vom März. "Die
Zeitung war fast durchgehend gut", bilanziert Cohn-Bendit. Vielleicht ist
Attac einfach schon zu etabliert – der Applaus ist nicht ganz so laut.
Eine Dame in langem Kleid und ein Herr im Anzug betreten die Bühne. Sie
erklären auf Englisch, dass sie gegen Nationen und Nationalismus kämpfen.
Und da traditionelle Konzepte wie Latschdemons, Lesezirkel,
Parteigründungen nicht funktioniert haben, präsentieren sie ein neues
Konzept: [7][Pink Rabbit], ein Werkzeug für alle Anwendungen. "Da es nicht
spricht, entfallen alle Verständigungsprobleme", werben sie. Ein Geschenk
an die taz gibt es vom Hasen himself: Ein grünes Kreuz in Plüsch.
Mit Gartenstuhl und Sonnenhut macht es sich die Aktivistin von Gegensaat
auf der Bühne bequem, kommentiert die Diashow im Hintergrund. Ganz wie im
echten Leben tragen auch hier die Polizisten die Aktivisten von der Bühne.
Jochen Stay, der seine Tocher auf einem der Bilder wiedererkannt hat, freut
sich. Gina Bucher lobt die "Übertragbarkeit".
Das Bündnis "Bahn für Alle" erklärt im Anschluss dem Publikum das Konzept
eines Flashmobs – viele Leute machen an einem Ort gleichzeitig eine
ungewöhnliche Aktion – was das Bündnis als Protestform gegen die
Bahnprivatisierung angewandt hatte. "Es klang ganz gut, aber ich habe nicht
ganz verstanden um was es geht", kommt etwas Kritik von Gina Bucher.
Zum Schluss dürfen die Aktivisten von "Mediaspree versenken" die Bühne
stürmen. Die Aktivisten sind heute als "Spreeuferrettungsdienst" unterwegs,
auf der Bühne stehen sie mit einem Transparent und gebastelten Hochhäusern.
"Für alle war was dabei", lobt Ertl das Konzept.
Der abschließende Applaus stellt die Jury vor ein Problem: Keine der
Gruppen zeichnet sich eindeutig als Gewinner ab. "Alle sind Nummer Eins",
rufen schließlich ein paar Besucher. Daher gibt es am Ende Kapuzenpullover
für alle und eine Menge Unterschriften für die Bergpartei. Die nächste
Aktion steht auch schon fest: aufräumen. Der Saal sieht so aus, als hätten
dort in den letzten Stunden gleich mehrere Demonstrationen stattgefunden –
von sehr unterschiedlichen Aktivisten. Stimmt ja auch.
19 Apr 2009
## LINKS
[1] http://www.bewegungsstiftung.de/lecomte.html
[2] http://www.bergpartei.de
[3] http://www.bigbrotherawards.de
[4] http://www.apfelfront.de
[5] http://www.gruenewelle.org
[6] http://www.attac.de
[7] http://www.pink-rabbit.org
## AUTOREN
Svenja Bergt
Svenja Bergt
## TAGS
Cécile Lecomte
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