# taz.de -- Schweinegrippe in Amerika: "Maximale Alarmstufe" in Mexico-City | |
> Vermutlich schon 103 Menschen sind nach offiziellen Angaben in Mexiko am | |
> H1N1-Grippevirus gestorben. 1.300 sind infiziert. Das öffentliche Leben | |
> in Mexiko-Stadt steht still. | |
Bild: Überall auf den Straßen Mexikos verteilen Soldaten Mundschutzmasken an … | |
BERLIN taz Eine Megastadt im Ausnahmezustand: autofreie Straßen, | |
menschenleere Shopping-Center, geschlossene Straßencafés, Teenager, | |
Taxifahrer und selbst Touristen mit Mundschutz. Zehn Tage "maximale | |
Alarmstufe" wegen einer bösartigen Grippevariante hat der Bürgermeister von | |
Mexiko-Stadt, Marcelo Ebrard, am Samstag ausgerufen. Seither sind Schulen, | |
Kindergärten und Universitäten geschlossen, Fußballspiele finden vor leeren | |
Rängen statt, die blauen Atemschutzmasken sind in Apotheken längst | |
ausverkauft. | |
Mexiko-Stadt und sein Einzugsgebiet von über 20 Millionen Einwohnern ist | |
das Zentrum der seit Freitag identifizierten so genannten Schweinegrippe. | |
Es handelt sich um ein neu mutiertes Virus einer schon länger bekannten | |
Tierseuche, die nun erstmals zwischen Menschen übertragbar ist. Dem Virus | |
sind in Mexiko schon über 80 Menschen zum Opfer gefallen, in 20 Todesfällen | |
konnte der Erreger eindeutig nachgewiesen werden. | |
Rund 1.300 Mexikanerinnen und Mexikaner sind an der Schweinegrippe, die | |
über typische Influenzasymptome zu schweren Lungenentzündungen führen kann, | |
erkrankt. Als besonders beunruhigend bezeichnen Experten, dass die tödliche | |
Grippeart in Mexiko nicht immunschwache, sondern vor allem junge, kräftige | |
Menschen anzufallen scheint. | |
Impfschutz gibt es nicht, einige der gängigen antiviralen Präparate sollen | |
allerdings wirksam sein. Diese würden, so versicherte die mexikanische | |
Regierung, in Krankenhäusern in "ausreichender Menge" bereitgehalten. Um | |
die Ausbreitung der Seuche "mit allen Mitteln" einzudämmen, hat der | |
mexikanische Präsident Felipe Calderón am Samstag zudem ein drastisches | |
Maßnahmenpaket verkündet. | |
Darin werden die Gesundheitsbehörden dazu ermächtigt, Erkrankte notfalls | |
auch gegen ihren Willen zu isolieren und zu behandeln, ihre Wohnungen zu | |
durchsuchen und potenzielle Virusträger wie etwa Reisende zu untersuchen. | |
Derartige Maßnahmen seien verständlich, dürften jedoch nicht gegen die | |
"Bürger- und Menschenrechte" eingesetzt werden, mahnt die linksliberale | |
Tageszeitung La Jornada. | |
Den wirtschaftlichen Ausnahmezustand will man noch nicht ausrufen, die | |
Schließung von Fabriken, Behörden und Betrieben sei bislang nicht | |
vorgesehen, heißt es aus dem Wirtschafts- und Arbeitsministerium. | |
Allerdings appellierte Arbeitsminister Javier Lozano am Wochenende an die | |
"soziale Sensibilität" der Arbeitgeber für den Fall, dass Beschäftigte in | |
den kommenden Tagen nicht zur Arbeit erscheinen sollten. | |
Woher das Virus stammt, ist derzeit noch unklar. Klar ist nach Auffassung | |
der Weltgesundheitsorganisation nur, dass es das "Potenzial zu einer | |
weltweiten Pandemie" hat. In den USA wurde bisher ein Dutzend Infektionen | |
nachgewiesen, tödlich verlief bislang keine. Einige zentralamerikanische | |
Nachbarstaaten gaben Seuchenalarm und schränkten die Schweineimporte ein. | |
In Japan wurde bei aus Mexiko anreisenden Passagieren am Flughafen | |
Fiebermessungen durchgeführt. In Neuseeland stehen seit Sonntag zehn junge | |
Rückkehrer von einer Studienreise durch Mexiko wegen des Verdachts auf | |
Schweinegrippe unter Quarantäne. Und am Sonntag gab es auch erste Meldungen | |
über Verdachtsfälle in Europa. | |
In Spanien wurden drei Menschen beobachtet, die aus Mexiko zurückgekehrt | |
sind. In Frankreich wurden vier Menschen unter Beobachtung gestellt, die | |
ebenfalls kürzlich in Mexiko waren. Es stellte sich später aber heraus, | |
dass die Vier nicht an der Schweinegrippe erkrankt waren. Offizielle | |
Reisebeschränkungen von und nach Mexiko gibt es bislang nicht. | |
Im Lande selber ist vor allem große Verunsicherung zu spüren. Man sei schon | |
"sehr beunruhigt", meint eine Bekannte aus Mexiko-Stadt am Telefon. | |
Allerdings gebe es "keine Katastrophenstimmung", beschwichtigt eine andere. | |
Allerorten werden Internet- und Telefonhotlines eingerichtet, das | |
staatliche Fernsehen schaltet rund um die Uhr Infosendungen. Und bis auf | |
Weiteres gilt die - ganz und gar ernst gemeinte - Empfehlung der Regierung, | |
öffentlichen Veranstaltungen fernzubleiben und sich "nicht mit Küsschen | |
oder Handschlag zu begrüßen". | |
26 Apr 2009 | |
## AUTOREN | |
Anne Huffschmid | |
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