# taz.de -- Volksentscheid "Pro Reli" gescheitert: In Berlin ist der Teufel los | |
> Die Initiative "Pro Reli" scheitert beim Volksentscheid nicht nur am | |
> Quorum. 51,3 Prozent der Wähler stimmen gar gegen das Wahlpflichtfach | |
> Religion. Das klare Ergebnis überrascht Fans wie Kritiker. | |
Bild: Bedröppelte Gesichter: "Pro-Reli"-Initiator Christoph Lehmann, der evang… | |
Es war wie eine Kreuzigung für "Pro Reli": Die Initiative für das | |
Wahlpflichtfach Religion an Berliner Schulen ist am Sonntag gleich doppelt | |
gescheitert. Sie hat beim Volksentscheid nicht nur das Quorum von 611.000 | |
Ja-Stimmen deutlich verfehlt. 51 Prozent der Wähler votierten gar gegen die | |
von den Kirchen getragene Initiative. Vor allem im Ostteil Berlin plädierte | |
eine große Mehrheit für den gemeinsamen Werteunterricht. Die | |
Religionsanhänger fanden nur in den Westbezirken Mehrheiten. Damit bleibt | |
Ethik wie bisher Pflichtfach für alle Schüler der Klassen 7 bis 10. | |
Religion können sie freiwillig dazu wählen. | |
Bei der Wahlparty der Initiative "Pro Reli" löste das Ergebnis gegen 19.30 | |
Uhr Entsetzen aus. Sogar die Kinder, die auf einer Empore in der | |
katholischen Akademie an der Hannoverschen Straße noch lustige | |
"Pro-Reli"-Reime skandiert hatten, waren still. Bei seiner Ankunft eine | |
Stunde zuvor war Christoph Lehmann, Chef der Initiative, von den 250 Gästen | |
noch mit frenetischen Applaus empfangen worden. Doch er schon da hatte er | |
verbale Brücken zum später unvermeidlichen Eingeständnis der Niederlage | |
gebaut. "Wir haben die Stadt ein ganzes Stück bewegt. Wir alle haben | |
erlebt, dass Berlin über Gott und die Welt gesprochen hat - eine Stadt, die | |
immer als Hauptstadt der Atheisten bezeichnet worden war", sagte Lehmann. | |
Erst um 20.15 Uhr gestanden Lehmann, der evangelische Bischof Wolfgang | |
Huber und der katholische Kardinal Georg Sterzinsky die Niederlage ein. | |
"Wir werden dranbleiben und weiter darüber diskutieren", ergänzte Lehmann. | |
"Ich bin natürlich enttäuscht", sagte am gleichen Ort der Berliner CDU-Chef | |
Frank Henkel: "Ich muss zur Kenntnis nehmen, dass die Tricksereien des | |
Regierenden Bürgermeisters Früchte getragen haben." Huber hingegen sah auch | |
Schwächen in den eigenen Reihen: "Für den evangelischen Bereich habe ich | |
immer gesagt, dass wir keine Zustimmungsquote von 98,3 Prozent bekommen | |
werden". Motivierend für die niedergeschlagen wirkende Menge im Saal | |
wirkte, als Sterzinsky in deren Richtung fragte: "Sie werden sich doch | |
nicht zurückziehen?" Ihm schallte ein lautes "Nein" entgegen. | |
Solche Aufputscher waren im Neuköllner Café Rix weder nötig noch möglich. | |
Zwar fehlten Bühne und Mikros bei der Feier des Bündnisses "Pro Ethik", | |
dennoch flossen gar Freudentränen als gegen 19.30 Uhr das Ergebnis über den | |
einzigen kleinen Fernseher bekannt gegeben wurde. | |
"Damit hätte ich nicht gerechnet", sagte etwa die Vorsitzende der | |
Linksfraktion, Carola Bluhm, als klar wurde, dass einen Mehrheit gegen | |
"Reli" gestimmt hatte. Es sei gut, dass es nun bei dem bisherigen Model | |
bleibe. "So eine intolerante Kampagne musste in einer toleranten Stadt wie | |
Berlin schief gehen", schimpfte Bluhm auf "Pro Reli". Erleichtert zeigt | |
sich hier auch der DGB-Chef Michael Sommer: "Ich war teilweise richtig | |
sauer, wenn ich die Plakate gesehen habe. Das war nicht sachgerecht. Es | |
ging nicht um die Freiheit." | |
Özcan Mutlu, bildungspolitischer Sprecher der Grünen, begrüßte zwar den | |
Ausgang. Aber "viele Menschen haben in dieser Stadt offenbar das Bedürfnis | |
nach mehr religionskundlichem Unterricht", gab Mutlu am Rande der Feier zu | |
bedenken. Es wäre gut, wenn der Ethik-Unterricht dem in Zukunft Rechnung | |
tragen würde. | |
Der Regierende Bürgermeister Klaus Wowereit (SPD) sprach von einem | |
"eindeutigen Votum". Trotz der heftigen Auseinandersetzungen stehe der | |
Senat jedoch zur Förderung des freiwilligen Religionsunterrichts. Die | |
Landesregierung sei nach wie vor an einer "konstruktiven Zusammenarbeit mit | |
den Kirchen interessiert". | |
26 Apr 2009 | |
## AUTOREN | |
Stefan Alberti | |
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