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# taz.de -- Pro und Contra "Körperwelten": Nur über meine Leiche
> Der umstrittene Plastinator Gunther von Hagens provoziert mal wieder. Ab
> Donnerstag zeigt er in einer Berliner Ausstellung zwei tote Körper beim
> Sex. Darf er das?
Bild: Bald gibt es in der "Körperwelten"-Ausstellung weit mehr zu sehen als mu…
Ab dem 7. Mai ist Gunther von Hagens umstrittene "Körperwelten"-Ausstellung
wieder in Berlin zu sehen. Dieses Mal ist sie dem Thema "Zyklus des Lebens"
gewidmet und präsentiert in diesem Rahmen auch zwei der präparierten toten
Körper eindeutig im Geschlechtsakt begriffen. Was für Diskussionen sorgt.
PRO VON FRAUKE SCHMICKL
Für Gunther von Hagens ist Sex das Natürlichste der Welt, wie er in
Interviews nicht müde wird zu betonen. In der neuesten Debatte über
kopulierende Plastinate in den "Körperwelten" ist dieser nicht unbedingt
originell erscheinende Diskussionsbeitrag jedoch tatsächlich nicht von der
Hand zu weisen. Zunächst wird schon mit dem Titel der Ausstellung der
Versuch gemacht, den Kreislauf von Entstehen und Vergehen abzubilden, wie
Ehefrau und Kuratorin Angelina Whalley behauptet. Kann es bei dieser
Zielsetzung ernsthaft erschüttern, dass auch der Aspekt der Zeugung seinen
Platz darin findet?
Von Hagens hat es sich zum Ziel gesetzt, mit den aktiven Posen seiner
Figuren anatomische Merkmale wie beispielsweise bestimmte Anspannungen des
Muskelsystems aufzuzeigen. So präsentierte er bereits Körper beim
Stabhochsprung, dem Reiten und ähnlichen athletischen Leistungen. Der
Geschlechtsakt verlangt dem Körper zweifellos einige muskuläre Anstrengung
ab und ist noch dazu als ein Bewegungsablauf anzusehen, den nahezu jeder
erwachsene Mensch praktiziert - im Unterschied zum Reiten oder
Stabhochsprung.
Die Problematik besteht daher offenbar nicht darin, dass sich der
Geschlechtsakt als eine Kombination aus evolutionärer Grundlage und
körperlicher Anstrengung nicht programmatisch in die Ausstellung einfügen
würde. Problematisch ist das offenbar verbreitete Unvermögen, Sex als eine
rein körperliche Handlung anzusehen, im Zuge derer Muskeln und Sehnen mehr
oder weniger rhythmisch bewegt werden. Körperlicher Akt und damit
verbundene Vorstellungen müssen hier getrennt voneinander betrachtet
werden, ansonsten steht der Nimbus des Tabus zu Foucaults Freude wieder mal
im Zentrum der Diskussion.
CONTRA VON SOFIA SHABAFROUZ
Sex ist also für Gunther von Hagens das Natürlichste der Welt. Ohne Sex
kein Leben. Sex und Tod, das sind Tabuthemen. "Ich bringe sie zusammen."
Der Plastinator spielt gerne Gott. Seine Schöpfungen sind aber, anders als
Adam und Eva, per se der Vergänglichkeit geweiht. Und sein Reich kommt eher
gruselig daher, doch eine gewisse Faszination kann man ihm nicht
absprechen.
Dass Sex der Ursprung allen Lebens ist, das müssen selbst die
Schamhaftesten unter uns zugeben. Was Sex und Tod zusammenbringt, können
diese von den Nekrophilen lernen. Oder eben von Gunther von Hagens, der
seine "Körperwelten"-Ausstellung schon 2003 in einem Hamburger
Erotik-Museum unterbrachte. Denn Sex sells. Seine Ausstellung "Der Zyklus
des Lebens" wird nun fünf Jahre später wieder massenweise Schaulustige
anziehen und Geld in sein Sezierköfferchen bringen.
Nach dem Motto "krass, krasser, am krassesten" muss sich der Plastinator
immer wieder selbst toppen. Sein Plastinat "Kopulierendes Paar" zeigt Paar
in Vollmondstellung. Er stocksteif auf dem Rücken liegend, sie von ihm
abgewandt auf ihm kniend. Die Missionarsstellung wäre wohl zu unspektakulär
gewesen. Heute, da uns das Kamasutra nicht mehr schocken kann, ist von
Hagens Grusel- und Sexkabinett ach so lehrreich. "Es lehrt die Besucher
mehr als jeder Biologieunterricht. Mit Pornografie hat das nichts zu tun,
es soll nicht sexuell erregen!", zitierte ihn die Bild.
Neben sportlichen und musizierenden Leichen setzt von Hagens unter dem
Vorwand der Muskelkunde sexuell aktive Tote in Szene. Dagegen ist der Akt
von lebenden Liebenden geradezu fade. Denn diese Körper sind nackter als
nackt und ihr konserviertes Sexspiel ist letztlich weniger vergänglich als
im echten Leben. Von Hagens ist dieses Mal nicht nur Anatom und Aussteller,
sondern banaler Kuppler. Mit einem Zyklus des Lebens hat dies nichts mehr
zu tun, schließlich sind die Exponate der Zeugung gar nicht mehr fähig. So
verharren sie nur wie von Hagens in ihrer provokanten Pose.
6 May 2009
## AUTOREN
F. Schmickl
S. Shabafrouz
## TAGS
Leichen
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