| # taz.de -- Musik von "Frau Kraushaar" und "Räuberhöhle": Krawallkatzen auf C… | |
| > Trash-Tracks wie "Politiki Dummes Ficki" gibt es auf Frau Kraushaars | |
| > neuem Album haufenweise. Doch wie auch bei der Künstlerin "Räuberhöhle" | |
| > sind die Texte hintergründiger als erwartet. | |
| Bild: Krause Haare, wirre Gedanken: Frau Kraushaar. | |
| "Lalalalala, ich war schon als Kind eine Nervensäge!", singt Frau Kraushaar | |
| auf "Le Salon is very morbidä" mit kindlich quietschender Kratzstimme. Was | |
| soll man sagen, sie nervt immer noch. Zum Glück! Denn das Debütalbum der in | |
| Hamburg lebenden bayerisch-tunesischen Performerin ist, wie sein | |
| überdrehter Titel schon vermuten lässt, unerwachsene Nervmusik im besten | |
| Sinne. | |
| Die 15 Stücke tragen Titel wie "Politiki Dummes Ficki", "Oh Gaga Oh Jeh", | |
| "Muh Kuh" oder "Elektronika Pülsä" und changieren zwischen deutschen, | |
| englischen, italienischen und wirr-fantasiesprachlichen Texten. Getragen | |
| wird die Musik von synthetischem Orgelgeklimper, den dazugehörigen | |
| schrottigen und vorfabrizierten Konserven-Rhythmen und Frau Kraushaars | |
| überkandideltem Organ. "Kannst Du Mir Verraten" ist von tropischen | |
| Vogelschreien und Katzengejaule punktiert, und auf "Cats on Crack" schraubt | |
| sich eine lächerlich hohe Frauenstimme in immer unwahrscheinlichere Höhen, | |
| indem sie fragend singt: "Cats on crack?", worauf ihr bestätigend "Miau!" | |
| geantwortet wird. Der Chorus spricht im Hintergrund ein lakonisches | |
| "Muschi, Muschi" dazu, während sich die Billo-Beats immer weiter | |
| wegballern. Die fröhlich überzuckerte Verschrobenheit wird im Brustton der | |
| Überzeugung vorgetragen, nein, sie ist vielmehr ganz normal im Rahmen | |
| dieses Paranormalen. | |
| Sollte Frau Kraushaar damit also im Fach "Childish Music" einsortiert | |
| werden, das Ekkehard Ehlers mit seiner gleichnamigen Compilation vor vier | |
| Jahren aus einem Interesse an scheinbar naiver Musik aus der Taufe gehoben | |
| hat? Sicher, denn dieses Weirdo-Geplinker im Retro-SciFi-Kostüm beschwört | |
| die Absurdität der Settings, ohne mit der Wimper zu zucken und vor allem | |
| ohne ausgestellte Ironie. Doch niedlich oder gar unschuldig sind die | |
| eingängigen Trash-Tracks nie. | |
| Man muss die Musik eher in der weitgehend aus der öffentlichen Wahrnehmung | |
| weggekippten Tradition nordischer Weirdo-Musik sehen. Musikbastel-Freaks | |
| wie Felix Kubin, Nova Huta oder Greta Schloch (Erstere tauchen auch, neben | |
| Namosh, DJ Patex und Jim Avignon, als Kollaborateure auf Frau Kraushaars | |
| Album auf) feiern, auch nach dem kurzen Aufmerksamkeits-Hype Ende der | |
| Neunzigerjahre weiterhin fröhliche Verrenkungen. Außerdem sind | |
| Kraushaar-Songs wie "Romy", mit einem gesprochenen Auszug aus Romy | |
| Schneiders Tagebuch, oder der Liebeszweifler "Not Controlled" mit seiner | |
| getragenen, fast introspektiven Sphärenhaftigkeit, weit davon entfernt, | |
| quatschige Clownerien zu bedienen. | |
| Ganz ähnlich liegt der Fall auch bei Räuberhöhle und ihrem | |
| parolendurchtränkten Spielzeug-Techno. Die punkige Berliner Musikerin und | |
| Illustratorin Krawalla, gerne auch mal Krawallmädchen oder Krawallschwester | |
| genannt, garniert ihr Artwork mit zuckersüßen Bildchen von kulleräugigen | |
| Puppen, glücklichen Eichhörnchen und spielenden Igeln und Katzen. Live | |
| tritt sie als lebende Puppe mit dem niedlichen Fell-Ungetüm "Bärchin" in | |
| einer Casting-Show-Parodie auf und singt mit einer Stimme, die wie die | |
| eines Karate-versierten Schulmädchens klingt. | |
| Doch es ist sicher kein Zufall, dass Krawalla auf ihrem mittlerweile | |
| sechsten Album mit ihren aktionistisch gepressten Vocals wieder an | |
| Riot-Grrrl-Ikone Kathleen Hanna erinnert. Die Texte handeln von | |
| Nationalismus und Rassismus in Deutschland. Es geht auch um swingende | |
| Arschlöcher ("Shake Yr Anus") und Mädchen, von denen erwartet wird, dass | |
| sie nur für die "Bois" ihre Liedchen trällern. Die Texte konterkarieren die | |
| Harmlosigkeit der hysterisch aufgepeitschten Kirmes-Mucke. In | |
| Zusammenarbeit mit Thomas Lang, dem Sänger von Robocop Kraus, weist der | |
| Song "Deep In The Forest" mit seiner Poppigkeit den Weg für weitere | |
| hypermelodiöse Songs - und hätte trotz seiner epischen Länge von über acht | |
| Minuten fraglos das Zeug zum chartskompatiblen Pophit. In jeder | |
| Altersgruppe. | |
| Frau Kraushaar: "Le Salon Is Very Morbidä" (Labelship/Popup/Cargo); | |
| Räuberhöhle, "Deep In The Forest" (Megapeng/Indigo) | |
| 14 May 2009 | |
| ## AUTOREN | |
| Sonja Eismann | |
| ## TAGS | |
| Kunst | |
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