Introduction
Introduction Statistics Contact Development Disclaimer Help
# taz.de -- Zum Ende des Kirchentags: Kreuzdiskurse und Klimawandel
> Das Treffen von 100.000 ProtestantInnen in Bremen ist zu Ende: Trotz
> allen christlichen Wohlfühlgewusels stand selbst das Vater-Unser auf dem
> Prüfstand.
Bild: Der 32. Deutsche Evangelische Kirchentag in Bremen endete am Sonntag mit …
Wenn sich Innenminister Wolfgang Schäuble mit einem Vertreter von Amnesty
International über die Abschiebung von Kindern streiten muss, ist
Kirchentag. Doch auch theologisch ging es beim 32. Deutschen Evangelischen
Kirchentag in Bremen, der am Sonntag mit einem Schlussgottesdienst vor
100.000 Menschen endete, durchaus ans Eingemachte.
Die Paderborner Professorin Helga Kuhlmann stellte etwa in Frage, ob das
Vaterunser mit seiner "Und führe uns nicht in Versuchung"-Bitte ein
glaubhaftes Gottesbild transportiere. Ihr Hamburger Kollege Fulbert
Steffensky befeuerte die Diskussion, wieso man ein Folterwerkzeug - das
Kreuz - anbeten solle, mit dem Satz: "Wir sind in unserer christlichen
Tradition oft eher in das Blut Christi verliebt gewesen als in Christus
selbst." Dazu kam die deutlich wahrnehmbare Solidarität mit dem
Islamwissenschaftler Navid Kermani, dem kürzlich wegen seiner
"unversöhnlichen Angriffe auf das Kreuz" der Hessische Kulturpreis
aberkannt wurde.
Unter den fast 100.000 Dauerteilnehmern des fünftägigen Treffens kursierten
freilich auch schlichtere Botschaften: Mit Gospelzeilen wie "There is no
salvation except in the name of the Lord" - es gebe keine Erlösung außer im
Namen Gottes - transportierten die an allen Ecken swingenden Jugendchöre
genau den Ausschließlichkeitsanspruch christlicher Heilserwartung, den die
Kirchentagspräsidentin Karin von Welck mit ihrer "Trialog"-Initiative
eigentlich meiden wollte: Gemeint ist mit der Initiative die Einbeziehung
des Islam in den Kirchentagsdialog, der traditionell vom
jüdisch-christlichen Gespräch geprägt ist.
Die Kooperation mit den Bremer Muslimen war zuvor fast gescheitert.
Ausgerechnet Bremens größter islamischer Dachverband, die Schura, hatte
sich mit Verweis auf den von der Kirche "nicht auf gleichberechtigter
Basis, sondern mit dem Schwerpunkt der Missionierung" geführten
Dialogansatz aus dem Kirchentag demonstrativ ausgeklinkt. Erst unmittelbar
vor dessen Beginn führte ein Versöhnungsgespräch zur Einladung in die
Bremer Moscheen - die prompt überfüllt waren. Auf den eigentlichen
Kirchentagsveranstaltungen standen externe Experten wie Zaid el-Mogaddedi
bereit, um Grundsätze des Islamic Banking wie das Verbot von Zinsen und
Schuldpapierhandel zur Diskussion zu stellen.
Am alten Europahafen tobte derweil der "Konfirmanden-Tag", erstmals
veranstaltet und mit über 3.000 TeilnehmerInnen deutlich größer als
geplant. Überhaupt habe es noch nie ein so umfangreiches Jugendangebot
gegeben, sagt die Generalsekretärin des Kirchentages, Ellen Ueberschär. Die
Statistik weist fast ein Drittel aller Kirchentagsbesucher als SchülerInnen
aus, Studierende waren nur mit knapp 9 Prozent beteiligt.
Bremen nutzte den erstmals hier stattfindenden Kirchentag, um seine zur
"Überseestadt" veränderten Hafenbrachen ins rechte Licht zu rücken. Nun
kann man es für gewagt halten, ausgerechnet die reformierte Kirche, zur
Feier von Calvins 500. Geburtstag stark wie nie zuvor vertreten, in einem
zum "Eventloft" umgebauten Lagerschuppen zu platzieren - zumeist aber
zeigte der Kirchentag ein glückliches Händchen bei der Nutzung der
reichlich vorhandenen Bremer Raumressourcen.
Das "Zentrum Kirchenmusik" war in einer Halle im ehemaligen Bremer
Güterbahnhof eingerichtet: Hier konnte sich das Schmettern der Posaunen
ungestört mit leidenschaftlichen Klagen über die wegbrechende Finanzierung
hauptamtlicher Kirchenmusiker mischen. Schon morgens bildeten sich
Schlangen vor der Reparaturwerkstatt, um klemmende Klappen und wackelige
Trompetenventile zu verarzten. Zur Instrumentenaufbewahrung musste eine
ganze Halle herhalten: Bis zu 2.000 Instrumente nahmen die HelferInnen nach
den Gottesdiensten im Akkord in Empfang.
Kirchentag war nicht zuletzt Logistik: Diesbezüglich hat Bremen seine
Premiere bravourös gemeistert, vom erstmals installierten Leihradsystem bis
zu weitgehender Barrierefreiheit für Behinderte. Dank einer elf Kilometer
langen blauen Kreidelinie rund um die Innenstadt, die im Rahmen der
Klimawandel-Workshops entstand, wissen die Bremer dafür nun, wie hoch das
Wasser bei ungebremstem CO2-Ausstoß steigen wird - so konkret kann
Kirchentag sein.
24 May 2009
## AUTOREN
Henning Bleyl
## ARTIKEL ZUM THEMA
You are viewing proxied material from taz.de. The copyright of proxied material belongs to its original authors. Any comments or complaints in relation to proxied material should be directed to the original authors of the content concerned. Please see the disclaimer for more details.