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# taz.de -- die wahrheit: Tim. Ein Schicksal
> Als ich in einem Jahrzehnt, das problemlos in die Top 10 der
> schrecklichsten des 20. Jahrhunderts gelangen dürfte, die Grundschule
> besuchte, gab es keinen Zweiten mit meinem Vornamen ...
Bild: Hat das Überwachen mit der Vatermilch aufgesogen: Joachim Herrmann
... Jemand hatte zwar mal von einem gehört, der während eines Schulausflugs
auf einem Spielplatz eine Schnitzerei gesehen hätte, in der mein Name
vorgekommen sei. Es könne aber eventuell auch "Tina" gewesen sein, hieß es,
sei der Name vor dem Plus doch angeblich "Sandro" gewesen. Ich beneidete
die Stefanies, Michaels, Christinas und Marcos kaum, waren doch Nachname
oder Zusätze erforderlich, wenn man Berichten über diese folgen wollte:
"Meinst du jetzt die Pferde-Jutta oder die dicke?" Gute Güte, wir hatten
zwei Riccardas, und ich hatte einzigartiges Glück
Denn mein Name ist außerdem kurz, schnörkellos, schwierig zu verunglimpfen
und von Eltern kaum mit tadelndem Nachdruck zu versehen, weil eine zweite
Silbe, die das Langziehen eines Vokals gestattet, das überhaupt erst den
Sound drohender Konsequenzen erzeugt, fehlt. Welch herrliches kleines
Sahnebonbon im Gemischtwarenladen des Daseins! Auch war mein Name nicht
gänzlich ungewohnt; man kannte ihn vom Musterknaben aus "Lassie" oder von
Tennisspielern, die zwar gegen Boris verloren, aber wenigstens nie der
Gefahr ausgesetzt waren, "Bobbele" genannt zu werden.
In der letzten Dekade des vergangenen Jahrhunderts fiel mir zunächst nicht
auf, dass sich im Schatten Kevins mein Name zu den beliebtesten für
Neugeborene aufschwang. Das änderte sich im neuen Jahrtausend. Zuerst mit
dem Fernsehkoch Mälzer, einer genauer besehen schon ziemlichen Pottsau:
Dieser notorische In-das-Essen-Schwitzer führt dem Prekariat regelmäßig
vor, dass man jede Scheiße, die man zu schlucken gezwungen ist, wenigstens
passabel würzen kann.
Nicht viel besser ist der Bremer Torsteher Wiese, der den Fluchtreflex im
Angesicht von autoschnell und hart geschossenen Bällen unterdrückt,
wahrscheinlich weil er aus Bergisch Gladbach stammt - einer Stadt, die mit
der Dompteuse Heidi Klum hinlänglich bewiesen hat, dass sie als Brutstätte
für üble Gestalten bestens taugt.
An deren Menschenverachtung reicht der Nationaltorsteher Wiese, obwohl er
mal Torhüter beim 1. FC Kaiserslautern war, nicht heran. Dazu braucht es
schon einen Namensvetter der besonderen Art: den Amokläufer Tim K. aus
Winnenden. Gleich der Kleiderstange Klum hatte der es auf junge Mädchen
abgesehen, nur dass er sie nicht öffentlich entwürdigte, sondern gleich in
den Kopf schoss, was dann tatsächlich brutaler ist als alles, was die Klum
so treibt.
Erst langsam erreichen die neuen Tims jetzt das Alter potenzieller
Öffentlichkeitswirksamkeit.
Da in der großen Krise derzeit bekanntlich der Kapitalismus zusammenbricht
und der Faschismus zurückkommt, habe ich jedenfalls schon eine starke
Vermutung, wie Germanys next Hitler mit Vornamen heißen wird. Hoffentlich
bins dann wenigstens ich.
26 May 2009
## AUTOREN
Tim Wolff
## TAGS
Schwerpunkt Überwachung
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Joachim Herrmann (CSU) hat da so eine Idee: Der bayerische Innenminister
will bösen Blagen an den Kragen.
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