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# taz.de -- Debatte legalisierte Absprachen: Der diffamierte Deal
> Wer schnell gesteht, kann mit Strafmilderung rechnen. Diese "Deals"
> unterstützen keine Zwei-Klassen-Justiz.
Das Wort hat vier Buchstaben und sorgt für Aufregung: der "Deal". Manche
sagen auch vornehmer "Absprache" oder "Verständigung im Strafverfahren".
Doch als Begriff hat sich der "Deal" durchgesetzt, weil er so schön kurz
ist - und weil viele damit auch ihr Unbehagen oder ihre Wut über den
angeblichen "Handel mit der Gerechtigkeit" ausdrücken. Am Donnerstag wird
der Bundestag die Deals legalisieren. Und das ist vernünftig, denn die
Absprachen sind besser als ihr Ruf.
Wenn der Angeklagte gesteht und so den Strafprozess abkürzt, wird ihm vom
Gericht vorab eine milde Strafe versprochen. Diese Absprachen gibt es schon
seit Jahrzehnten. Der Bundesgerichtshof (BGH) hat solche Deals als
rechtsstaatlich akzeptiert, wenn sie transparent sind und die Strafe am
Ende schuldangemessen ist. Allerdings hat der BGH eine gesetzliche Regelung
gefordert, die der Bundestag nun beschließen wird. Sie fasst im
Wesentlichen die bisherigen BGH-Vorgaben zusammen. Die Deals werden also
nicht neu eingeführt, sondern nur aus der Grauzone geholt.
Die Legitimität der Absprachen ist damit aber nicht gestiegen. Im
Gegenteil. Immer mehr hochrangige Juristen - von Generalbundesanwältin
Monika Harms bis zu BGH-Präsident Klaus Tolksdorf - kritisieren die Deals
ganz grundsätzlich. Sie verhinderten die Wahrheitsermittlung, Richter
verlernten ihr Handwerk, es drohe eine Zwei-Klassen-Justiz, das Vertrauen
der Öffentlichkeit in die Strafjustiz sei gefährdet. Befeuert wurde die
Kritik durch spektakuläre Prozesse, wie den gegen Ex-VW-Vorstand Peter
Hartz, der 2007 nach einem Deal in nur zwei Tagen zu einer Bewährungsstrafe
wegen Untreue verurteilt wurde. Hartz gestand illegale Bonuszahlungen an
VW-Betriebsräte, auf eine weitere Beweisaufnahme wurde verzichtet.
Nun wäre auch nach 50 Tagen Zeugenvernehmung vermutlich kein anderes Urteil
herausgekommen, und ein Strafprozess ist auch keine Historikerkommission,
die möglichst viele Fakten möglichst genau für die Nachwelt aufbereitet.
Die Kritik am Deal erweckt da oft ein falsches romantisches Bild von
Justiz. Schließlich findet nur in rund 4 Prozent der Strafverfahren
überhaupt eine Hauptverhandlung statt. Die große Masse der haltbaren Fälle
wird gegen Geldauflage eingestellt, oder das Gericht verschickt einen
Strafbefehl.
Auch im mündlichen Prozess kann niemand garantieren, dass am Ende die
tatsächliche Wahrheit aufgedeckt wird. Zeugen erinnern sich nicht oder
haben das Recht zur Aussageverweigerung. Angeklagte müssen sich nicht
selbst belasten, und die Polizei kann nicht alle Methoden zur
Beweiserhebung anwenden, die technisch möglich wären. Gerade die
rechtsstaatlichen Beschränkungen von Polizei und Justiz, auf die wir sonst
so stolz sind, behindern natürlich auch die Ermittlung der vollen Wahrheit.
Auch die Vorstellung, nur eine bis ins letzte Detail durchgeführte
Beweisaufnahme erlaube ein gerechtes Urteil, ist naiv. Ein Betrug kann mit
Geldstrafe oder Haft bis zu fünf Jahren bestraft werden. Irgendwo innerhalb
dieses Rahmens sucht sich das Gericht das passende Strafmaß für den
konkreten Fall. Die Strafzumessung war schon immer mehr Gefühlssache als
exakte Wissenschaft. Trotzdem hat der Rechtsstaat mit dieser mangelnden
Exaktheit bisher ganz gut gelebt.
Oft geht es der Kritik an Prozess abkürzenden Deals auch nur um eine
Mischung aus Voyeurismus und Straflust. Im Fall Hartz hätte man eben zu
gern die Aussagen der Prostituierten angehört, auch wenn die
Rotlichtaspekte überhaupt nicht zum Kern des Strafvorwurfs gegen den
VW-Manager gehörten. Und manch prominentem Angeklagten gönnt man den kurzen
Prozess nicht und sähe ihn gerne noch ein paar Wochen länger am
Medienpranger stehen. Die Durchführung von Schauprozessen ist aber nicht
der Sinn des Rechtsstaats.
Letztlich zeigt die heftige Diskussion um die Deals, dass wir doch eher
Luxusprobleme haben. Andernorts wird über korrupte Richter geklagt, während
bei uns selbst Kritiker davon ausgehen, dass dealende Richter durchaus
versuchen, gerechte Urteile zu fällen. Ein Deal bezieht sich meist nur auf
strafverschärfende Details: War eine Waffe im Spiel, haben die Angeklagten
bandenförmig gehandelt, um wie viele Einzeltaten handelte es sich? Dass der
Angeklagte hier in seinem Geständnis meist nur das zugibt, was eh schon in
den Akten steht, damit kann der Rechtsstaat leben. Ob bei einer Verhörung
aller Zeugen mehr herausgekommen wäre, weiß man nicht.
Die Absprache ist auch kein Privileg von Managern und anderen Reichen. Zwar
sind Wirtschaftsprozesse meist kompliziert und belasten Gerichte besonders
stark. Doch auch das jüngste Verfahren gegen ein Exmitglied der
Revolutionären Zellen (RZ) wurde per Deal beendet. Der jetzt 60-jährige
Angeklagte gestand seine RZ-Mitgliedschaft, im Gegenzug wurde der Vorwurf
der Rädelsführerschaft fallen gelassen, die Strafe lautete zwei Jahre auf
Bewährung.
Wären Deals verboten, sähe die Justizwelt kaum anders aus. Der Prozess im
Fall von Klaus Zumwinkel, des ehemaligen Post-Chefs und
Steuerhinterziehers, beweist es: Der Richter versicherte steif und fest, es
habe keinen Deal gegeben. Der Prozess dauerte dennoch nur zwei Tage, nach
dem Geständnis von Zumwinkel wurde auf weitere Beweisaufnahme verzichtet,
die Strafe: zwei Jahre auf Bewährung - wegen der strafmildernden Wirkung
des Geständnisses.
Oft hat man den Eindruck, dass die Kritik an den Deals nur ein Mittel zum
Zweck für andere Ziele ist. Manche Richter rücken die Justiz ins Zwielicht,
weil sie hoffen, dass der Staat dann mehr Richterstellen einrichtet und die
Justiz entlastet. Eine gefährliche Strategie. Angesichts der absehbaren
Finanzlöcher wird es nicht mehr Richter geben - aber das Zwielicht bleibt.
Andere malen schwarz, weil sie endlich das Beweisantragsrecht der
Angeklagten und ihrer Konfliktverteidiger beschränken wollen. Wenn die
Angeklagten weniger Rechte hätten, so etwa die Logik von BGH-Präsident
Tolksdorf, wären die Gerichte auch nicht so überlastet. Sollte sich diese
Linie durchsetzen, werden sich die Reihen der Dealgegner schnell lichten.
26 May 2009
## AUTOREN
Christian Rath
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